# taz.de -- „Little Boy“ von James Benning: Die Modellbauten und die Atombo… | |
> Der Regisseur James Benning verknüpft in seinem Film „Little Boy“ | |
> kindliche Bildwelt und Politik. Fragen von Macht und Krieg werden so | |
> umkreist. | |
Bild: Konfrontiert Songs und Modellbauten: James Benning | |
Wenn bei der Sektion Forum von „Urgestein“ die Rede ist, gehört dazu | |
unbedingt der [1][Regisseur James Benning], der 1977 zum ersten Mal in | |
Berlin zu Gast war. Sein Film „American Dreams: Lost & Found“ wurde 1984 | |
aber thematisch passender in den USA uraufgeführt: eine experimentelle | |
Konfrontation von Fankarten der Baseball-Legende Hank Aaron aus den Jahren | |
1954 bis 1976 mit Songs und öffentlichen Reden aus den Vereinigten Staaten | |
der Zeit. | |
Nun kommt vierzig Jahre später ein „Begleitfilm“ – „aus Sicht eines kl… | |
Jungen“, so der 82-jährige Filmemacher. Und es sind wieder chronologisch | |
sortierte, mit Jahreszahlen markierte Lieder und politische Sprechakte, | |
diesmal von 1960 bis 2016, die einen säuberlich gegliederten Soundtrack | |
geben. Dazu im Bild Americana anderer Art: Miniatur-Bauelemente aus dem | |
Modellbau, die während der Songs in Nahaufnahme von (erwachsenen) Händen in | |
verschiedenen Farben mehr oder weniger geschickt angepinselt werden. | |
Während der Reden werden die fertig montierten und hübsch anachronistisch | |
aussehenden Modelle von Nutzgebäuden aus dem klassischen Industriezeitalter | |
schwarz gerahmt vor neutralem Hintergrund präsentiert. | |
Farben und Schriften auf den Modellen verweisen auf den | |
militärisch-industriellen Sektor. Die Reden und Songs umkreisen in | |
zeitlichen Riesenschritten Fragen von Macht, Herrschaft, Gerechtigkeit, | |
Krieg und ökologischer Katastrophe und verweisen immer wieder auf das | |
Heute; wenn etwa 1961 Präsident Dwight D. Eisenhower zu Silos in | |
verblasstem Blau in seiner legendären Abschiedsrede vor der „Gefahr für ein | |
katastrophales Anwachsen unbefugter Macht“ warnt (Ricky Nelson singt dazu | |
„It’s Late“). | |
## Das nukleare Inferno | |
1984 klagt der Gewerkschaftspionier César Chávez vorausschauend neben | |
Rassismus und „sexual harassment“ von Frauen auch die Ausbeutung der Natur | |
an, nachdem [2][Martha & the Vandellas] das „Dancing in the Street“ | |
besingen. Tracy Chapman beschreibt in „Fast Car“ Armut und Misogynie, bevor | |
die australische Friedensaktivistin Helen Caldicott das nukleare Inferno | |
beschwört. | |
Die beim Ansehen quer und schräg zur gegebenen Chronologie entstehenden | |
Assoziationen und Verweisbeziehungen dürften höchst vielfältig sein. Anders | |
beim schillernden Titel, der neben der von Benning gegebenen ironischen | |
Referenz zum kindlichen Kosmos der Modelleisenbahn bei den meisten Menschen | |
wohl als Erstes die drei Meter lange und 4.000 Kilo schwere Bombe | |
assoziieren lässt, die am 6. August 1945 über Hiroshima gesprengt wurde. | |
Sie ist am Ende des Films in einem fast niedlich wirkenden Modell vor der | |
Kamera aufgestellt, während im Ton Präsident Harry S. Truman (so wie später | |
Putin) „bisher nicht gekannte Zerstörungen“ androht. | |
Das letzte Wort soll aber „little girl“ Severn Suzuki bekommen, deren | |
anklagende Rede 1992 auf dem Weltklimagipfel von Rio den Blick von den | |
feinmotorischen Pinselarbeiten am Basteltisch in die Zukunft richtet: „If | |
you don’t know how to fix it, please stop breaking it.“ | |
22 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Silvia Hallensleben | |
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