# taz.de -- Erdbebensorge auf griechischer Insel: „Nur, wenn sie sagen, die I… | |
> Seit Ende Januar bebt die griechische Urlaubsinsel Santorin. Die Angst | |
> vor einem Megabeben hat viele Bewohner vertrieben. Andere wollen bleiben. | |
Bild: Georgios Vlavianos war 13, als er vor Erdbeben und Tsunami aus seinem Hau… | |
Santorin taz | Die Erde bebt. Ein paar Sekunden nur. Dann ist sie wieder | |
ruhig. „Das war ein Fünfer“, sagt Georgios Vlavianos. Er ist 83 Jahre alt | |
und sitzt auf seinem Bett in seiner kleinen Einzimmerwohnung im Ort | |
Karterados im Herzen der Insel Santorin. Mit „Fünfer“ meint der Pensionär | |
ein Erdbeben der Stärke fünf auf der Richterskala. | |
Es ist Tag 15 einer geradezu unheimlichen Bebenserie. Sie nahm am 24. | |
Januar ihren Anfang. Seither zittert die Erde auf Santorin immer wieder. | |
Seismografen haben inzwischen über 7.000 Erdstöße registriert. Maximale | |
Stärke bislang: 5,2 auf der Richterskala. | |
Trotz Beben macht der Grieche keine Anstalten aufzustehen, geschweige denn | |
seine Bleibe zu verlassen. Angst hat er nicht. „Nicht bis zur Stärke | |
sieben“, sagt er. | |
Dabei erinnert sich Vlavianos noch daran, wie es sein kann, wenn ein | |
starkes Beben die Insel erschüttert. Er war 13, als Santorin am 9. Juli | |
1956 von einem Doppelbeben mit Magnituden von über sieben Richter | |
erschüttert wurde. Es löste einen Tsunami mit Wellen von bis zu 22 Metern | |
Höhe aus. 50 Menschen starben damals. Das alte Haus, in dem sie in Fira, in | |
der Hauptstadt der Insel, wohnten, hatte keine Fundamente. Vlavianos | |
gesamte Familie verließ Hals über Kopf das Haus und floh an die Ostküste. | |
„Das rettete uns das Leben.“ | |
## Der Vulkan neben dem Urlaubsparadies | |
Nun aber fühlt er sich sicher. „Sie sehen doch“, sagt er: „Das Haus ist | |
neu. Das hält auch starke Erdbeben aus.“ Auch wenn er mit seinem klapprigen | |
Renault Clio auf der Insel herumfährt, könnten ihm die Erdstöße nichts | |
antun. Er betrete keine alten Gebäude, das reiche vorerst als | |
Vorsichtsmaßnahme. Santorin verlassen? „Nur, wenn sie uns sagen: ‚Die Insel | |
geht unter.‘“ | |
Santorin ist ein Urlaubsparadies. Voriges Jahr strömten mehr als drei | |
Millionen Touristen aus aller Welt auf die einzigartige Vulkaninsel. | |
[1][Keine andere griechische Insel wird von so vielen Kreuzfahrtschiffen | |
angesteuert wie Santorin.] Eine Postkartenidylle. | |
Doch der Schein trügt. Experten warnen von einer „ernsten Gefahr“. Das | |
liegt an Kolumbos, einem Unterwasservulkan, der sieben Kilometer | |
nordöstlich von Santorin liegt. Vor mehr als drei Jahrhunderten, 1649, | |
stieg dieser, begleitet von zahlreichen Erdbeben, aus dem Meer auf. Im Jahr | |
darauf brach der Vulkan in einer explosionsartigen Eruption aus. Er stieß | |
über Monate Rauch und Asche aus. Dutzende Menschen kamen ums Leben, | |
Tausende Tiere verendeten in den giftigen Gasen. Der Ausbruch löste einen | |
Tsunami aus. | |
Mittlerweile haben sich erneut riesige Mengen Magma in dem Vulkan | |
angesammelt. Über 300 Jahre lang schien er zu schlafen. Doch im September | |
2011 kamen Wissenschaftler an Bord eines Forschungsschiffes zur Erkenntnis: | |
Kolumbos atmet wieder. Seit Beginn der Erdbebenserie dieser Tage verlassen | |
viele der Inselbewohner das Eiland, bislang mehr als 10.000 der 25.000 | |
dauerhaft auf der Insel lebenden Menschen. Vor Santorins Flughafen sind | |
Hunderte Autos abgestellt. Für wie lange, weiß keiner. Strafzettel werden | |
nicht verhängt. | |
## Köche, Kellner, Rezeptionisten verlassen die Insel | |
Christos Mendrinos, 50, sieht keinen Grund, die Insel zu verlassen. Er | |
plädiert für Ruhe und Besonnenheit. Mendrinos ist der Besitzer zweier | |
Hotels in der santorinischen Hauptstadt Fira. Er greift nach einem Stapel | |
ausgedruckter Seiten, die auf seinem Schreibtisch liegen. „Alles neue | |
Buchungen! Allerdings für Ankünfte ab Mitte März. Für jetzt nehme ich keine | |
Buchungen an, weil ich derzeit unterbesetzt bin und daher nicht den | |
gewohnten Service bieten kann.“ | |
Ob Köche, Kellner, Zimmermädchen oder Rezeptionisten: Viele, die im | |
Tourismus angestellt sind, aber auch Bauarbeiter aus ganz Hellas, die auf | |
Santorin ihre Brötchen verdienen, haben das Weite gesucht. Mit Erdbeben | |
haben sie bisher wenig Erfahrung. Manche ängstigt das Dauerzittern der | |
Erde, andere haben Angst vor einem Mega-Beben, Tsunami oder Vulkanausbruch. | |
[2][Dass so viele Geschäfte, Restaurants, Cafés und Hotels wie jetzt in | |
Santorin zugesperrt sind, ist denkbar ungewöhnlich.] | |
Im Inselinneren hingegen herrscht reger Betrieb. Ein knallroter Bus glänzt | |
in der Sonne – die mobile Kommandozentrale der griechischen Feuerwehr. Die | |
griechische Feuerwehr ist seit Samstag voriger Woche verstärkt auf Santorin | |
präsent. Zusätzliche Kräfte wurden aus Athen entsendet, das Personal wurde | |
so auf 70 Feuerwehrleute aufgestockt. | |
Auch das Militär und die Hafenpolizei wurden in erhöhte Bereitschaft | |
versetzt. Mitte voriger Woche wurde zudem – vorbeugend – der Notstand auf | |
Santorin ausgerufen. Er gilt vorerst bis zum 1. März. Dadurch können die | |
Behörden die Besitzer von schwerem Gerät und andere Menschen unbürokratisch | |
für Räumungsmaßnahmen und andere Arbeiten zum Dienst verpflichten. Bisher | |
sei es zu keinem einzigen Einsatz gekommen, hebt die Feuerwehr auf Anfrage | |
der taz hervor. | |
## Ein Vulkanausbruch hat die Insel geschaffen | |
Einige Urlauber jedoch wollen sich auch in diesen Tagen vom einzigartigen | |
Naturphänomen nicht verschrecken lassen. Die meisten von ihnen kommen aus | |
Asien oder Übersee. Unbeirrt malt eine ältere Chinesin mit rosa Hut von der | |
Hotelterrasse mit Blick auf die Vulkaninsel Nea Kameni ein Bild davon. | |
Haruki und Shun aus Tokio, beide 23, stehen vor Firas blütenweißer Kirche. | |
„Bei uns in Japan sind die Beben sehr viel stärker. Wackelt unser Hotel, | |
schlafen wir einfach weiter“, kichert Haruki. Shun nickt. | |
Der Hotelier Mendrinos setzt sich an seinen PC und pflegt die neuen | |
Reservierungen für Ankünfte ab Mitte März in sein Buchungssystem ein. | |
[3][„Ein Vulkanausbruch hat die Insel geschaffen“], sagt er: „Jetzt erzie… | |
die Insel uns. So etwas verpasst man nicht.“ Seine Augen funkeln. | |
9 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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