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# taz.de -- Wahlplakate in Berlin: Und überall grüßt das Chefgesicht
> Die Wahlplakate wollen Bürgernähe weismachen und setzen aufs Gefühl.
> Beobachtungen aus dem Schilderwald zwischen Friedrichshain und Weißensee.
Bild: Kunst am Plakat: Friedrich Merz (CDU) ohne Durchblick
Zumindest als Pappkamerad macht Robert Habeck gerade einiges richtig –
jedenfalls wenn man der Forschung über die Wirkung von Wahlplakaten Glauben
schenkt: großes Bild vom Kandidaten, in Macherpose, verbunden mit einer
simplen Botschaft. Das kommt am besten an, hat die Wissenschaft
herausgefunden. Somit entspricht ein übergroßer Habeck, der einem besonders
in der Grünen-Hochburg Friedrichshain-Kreuzberg überall das Gefühl
„Zuversicht“ vermitteln möchte, wahrscheinlich dem Marketingideal.
Aber immer nur kuschelige Botschaften sind eben auch schrecklich
langweilig. Wie also machen es im Wahlkampfendspurt die anderen Parteien
denn so auf ihren Plakaten? Beispielsweise die AfD, von der man in
Friedrichshain gar nichts zu Gesicht bekommt? Haut die irgendwo so richtig
einen raus?
Doch auch ein paar Kilometer nördlich, in Prenzlauer Berg, ist von der
extrem rechten Partei immer noch nichts zu sehen. Dafür hinterlässt ein
Wahlplakat von [1][Katrin Schmidberger, die für die Grünen in den Bundestag
gewählt werden möchte], den Eindruck, dass sie sich von einer anderen
Agentur beraten lässt als der Obergrüne Habeck. Viele Inhalte –
Mietendeckel, Schutz vor Eigenbedarfskündigungen, Vermögenssteuer – und
kein Personenkult.
Was den betrifft, ist nicht einmal Habeck der Champion, sondern Sahra
Wagenknecht. Wohin man kommt, für das BSW prangt fast überall das Gesicht
der Chefin auf den Plakaten. „Die alten Parteien haben versagt“ ist ihre
Kernbotschaft, bewusst in einem Jargon formuliert, der Fans der AfD
ansprechen soll, die sich bereits ans Gerede von den „Altparteien“ gewöhnt
haben.
## Halbgare Kalendersprüche
Dass sich die AfD in den links geprägten Gegenden Berlins nicht auf
Wahlplakaten zeigt, nur weil das Wählerpotential zu gering ist, kann
eigentlich nicht sein. Die FDP ist schließlich sehr präsent, obwohl sie in
den innerstädtischen Bezirken traditionell kaum etwas reißen kann. Das
Wahlkampfteam der AfD geht wohl eher davon aus, dass deren Wahlwerbung
sowieso von zupackenden Bürgern entfernt wird.
Weiter geht es in Richtung Pankow. Vorbei an vagen und blumigen Slogans wie
„Leben: bezahlbar machen!“ (Grüne), „Wir schützen nicht das Klima, sond…
Menschen“ (auch Grüne), „Bäume müssen wachsen, Mieten nicht“ (wieder G…
und „Frieden kostet Mut, Krieg kostet Leben“ (Linke), die wahrscheinlich
zum Nachdenken anregen sollen – wie Kalendersprüche.
Was auffällt, ist die kumpelhafte Ansprache auf vielen Wahlplakaten. Der
Christian verspricht, alles zu geben, „auch für Deinen Job“. Und der Olaf
hat „mehr für Dich“ im Angebot, wobei nicht ganz klar wird, wovon genau es
nun mehr für Dich und mich geben soll. Noch mehr auf beste Freundin macht
da nur die Spitzenkandidatin der Kleinpartei Volt. Sie schenkt einem
überall ihr Wahlplakatlächeln und stellt sich dabei einfach als „Maral“
vor.
Vielleicht ist der Grund für diese Art persönlicher Ansprache bei ihr aber
auch schlicht der, dass die Strategen von Volt den in Deutschland wenig
geläufigen Nachnamen der Spitzenkandidatin, nämlich Koohestanian, bereits
für zu überfordernd für das Gedächtnis des Wahlplakatepublikums halten.
Direkt angesprochen fühlt man sich auch von der an mehreren Stellen
ausgehängten Verheißung: „2025 wird Dein Jahr!“ Aber leider kommt dieser
Werbespruch von keiner Partei, sondern bloß einem Anbieter für Fernstudien.
## Rechte Parolen in bester Innenstadtlage
Abgesehen von Volt lassen sich auch von anderen Kleinparteien Lebenszeichen
finden. Die Revolutionäre Internationalistische Organisation etwa möchte
den „Gaza-Genozid stoppen“. Die MLPD macht sich für „Kapitalismuskritik�…
stark und beruft sich dabei auf denjenigen, der das Copyright für selbige
hat: Karl Marx. Und Mera25 fordert: „Unser Leben statt eure Profite“.
In Weißensee hängen sie dann überall: die Wahlplakate der AfD. Hoch oben
angebracht an den Laternenmasten zwar, aber sie hängen. „Zeit für Alice
Weidel“ steht auf einem. Man denkt sich hier ein Fragezeichen hinzu und
antwortet innerlich: „Eher nicht.“ Ein anderes Plakat fordert auf, sich
daran zu beteiligen, aus der AfD eine Volkspartei zu machen.
So richtig auf die Bewirtschaftung von Hass und Hetze, immerhin der
Markenkern der Partei, setzt die AfD hier nicht. Sie gibt sich eher
staatstragend – wie CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, der sich,
rhetorisch ähnlich wie Weidel, als „der Richtige zur richtigen Zeit“ sieht.
Es wird deutlich: Die AfD will nicht nur am rechten Rand fischen, sondern
angelt auch in der bürgerlichen Mitte.
Zurück in Friedrichshain wartet dann aber noch ein richtiger Aufreger.
Beste Lage, direkt am Frankfurter Tor, man hat sie wohl so
Wald-vor-lauter-Bäumen-mäßig bisher nicht wahrgenommen: Hier hängen gleich
mehrere Plakate der AfD. Die Antifa könnte jetzt rasch den Wahlslogan der
FDP in die Praxis umsetzen: „Alles lässt sich ändern.“
20 Feb 2025
## LINKS
[1] /Gruenen-Kandidatin-ueber-Wohnungspolitik/!6067157
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Friedrichshain-Kreuzberg
Pankow
Wahlwerbung
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Partei Volt
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Die Linke
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