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# taz.de -- Rassismus in der evangelischen Kirche: Der Pastor und das Z-Wort
> Ein Hamburger Pastor soll sich rassistisch über Sinti*zze und Rom*nja
> geäußert haben. Er wurde suspendiert, ist jedoch jetzt wieder im Dienst.
Bild: Demo des Sinti-Vereins Hamburg vor der Kirche in Osdorf: „Hätte man ni…
Hamburg taz | Er ist wieder da: Ein evangelischer Pastor in Hamburg, der
wegen rassistischer Aussagen suspendiert war, ist seit Anfang Januar wieder
im Dienst. Der Mann hatte gegen seine Suspendierung vor dem Kirchengericht,
der Disziplinarkammer der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD),
geklagt und Ende vergangenen Jahres Recht bekommen, aus arbeitsrechtlichen
Gründen.
Damit ist die Nordkirche verpflichtet, ihn wieder in seiner Gemeinde
einzusetzen. Seit dem 6. Januar arbeitet der Mann wieder als Gemeindeleiter
in der Maria-Magdalena-Kirche im Hamburger Stadtteil Osdorf.
Dagegen demonstrierten am vergangenen Sonntag etwa 150 Menschen vor dem
Kirchengebäude. Aufgerufen hatte der Sinti-Verein Hamburg. Christian
Rosenberg, Vorsitzender des Sinti-Vereins, hielt eine Rede vor der
Kirchentür: „Hätte man nicht eine andere Lösung finden können, als uns den
wieder vor die Nase zu setzen, wo er diese Sachen über uns gesagt hat?“,
rief er.
Der Pastor soll sich über Jahre wiederholt rassistisch geäußert haben,
teils direkt gegenüber Mitgliedern des Sinti-Vereins und der
freikirchlichen Gemeinde „Licht und Leben“, die die Kirche für ihre
Gottesdienste nutzt und in der vor allem Sinti*zze und Rom*nja
Mitglieder sind. Das [1][erzählte Rosenberg der taz schon 2023]. So soll
der Pastor die Kultur der Sinti*zze in E-Mails als „Steinzeitkultur“
bezeichnet und von der „Inszenierung eines mittelalterlichen Dorfes“
gesprochen haben. Außerdem soll er sich über angeblich nicht sauber
hinterlassene Gemeinderäume beschwert und in einer Gemeinderatssitzung das
rassistische Z-Wort benutzt haben. Auch soll er sich rassistisch gegenüber
Schwarzen Menschen geäußert haben.
## Kirche ist auch nicht glücklich
Nach Hinweisen auf die Aussagen des Pastors, auch von Mitgliedern seiner
eigenen Gemeinde, hatte die zuständige Nordkirche im Mai 2023 Strafanzeige
gegen den Mann erstattet und ihn vom Dienst enthoben. Über die Anzeige gibt
es noch keine gerichtliche Entscheidung. Die Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft Hamburg sind aber abgeschlossen und eine Entscheidung
stehe kurz bevor, sagte ein Sprecher der Behörde.
Rosenberg, der Vorsitzende des Sinti-Vereins, klingt am Telefon ziemlich
frustriert. Die Entscheidung des Kirchengerichts, den Pastor wieder in
Dienst zu setzen, müsse man akzeptieren, sagt er. Nur sei es bitter, dass
Mitglieder des Sinti-Vereins nun wieder direkt mit ihm zusammenarbeiten
müssen. Rosenberg ist vor allem enttäuscht von der EKD, die vor der
Wiedereinsetzung des Pastors nicht das Gespräch mit dem Sinti-Verein
gesucht hat. „Selbst wenn es nicht anders gegangen wäre, hätte man doch mit
uns kommunizieren müssen“, sagt er.
Ein Sprecher der EKD verweist auf taz-Anfrage an die Nordkirche, die für
die Maria-Magdalena-Kirche zuständig ist. Die klingt auch nicht gerade
glücklich damit, dass der Pastor wieder im Amt ist. „Die Nordkirche hätte
sich ein anderes Urteil gewünscht, respektiert jedoch die Entscheidung des
Kirchengerichtes“, schreibt ein Sprecher auf taz-Anfrage.
Auch der Propst Thomas Drope, der so etwas wie der Chef des Beschuldigten
ist, positionierte sich indirekt, indem er eine Rede auf der Demo des
Sinti-Vereins am Sonntag hielt. Drope sagte zwar nichts zum Pastor, sprach
sich aber „gegen jegliche Form von Rassismus“ aus.
## Keine Entschuldigung
Es gibt aber auch Mitglieder der Gemeinde, die sich für ihren Pastor
aussprechen. Eine Gruppe von ungefähr 50 Personen hielt am Sonntag eine Art
Gegendemo zur Veranstaltung des Sinti-Vereins. Mit dabei hatten sie ein
Transparent mit der Aufschrift „Unser Pastor ist kein Rassist“. Dem
Hamburger Abendblatt sagte eine Teilnehmerin der Gegendemo, ihr Pastor
könne kein Rassist sein, da er in den vergangenen Jahren bei der
Lebensmittelausgabe in Osdorf geholfen habe, zu der viele Menschen
unterschiedlicher Herkunft kämen.
Für Christian Rosenberg ist das kein Argument. „Ich glaube, dass dieser
Mann einen ganz tief sitzenden Rassismus in sich trägt, dass das nicht ein
Ausrutscher war, sondern seine Gesinnung und seine Haltung“, sagt er. So
habe er in den vergangenen Jahren mehrfach das Gespräch mit dem Pastor
gesucht und versucht, ihm die historische Dimension von antiziganistischen
Diffamierungen zu erklären.
Dazu gehöre die persönliche Betroffenheit von Mitgliedern seiner Gemeinde
von der Verfolgung von Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus.
„Meine Vorfahren sind alle selbst betroffen“, sagt Rosenberg. Der Pastor
habe sich für seine Äußerungen nicht entschuldigt. Von seinem Anwalt habe
Rosenberg vor Kurzem eine Verleumdungsklage bekommen. In Rosenbergs Augen
ist der Pastor „beratungsresistent“.
Der Pastor selbst spricht schnell am Telefon. Zu den Vorwürfen gegen ihn
möchte er sich gegenüber der taz eigentlich nicht äußern. Herr Rosenberg
wiederhole seit Jahren die immer gleichen Geschichten, sagt er dann aber
doch.
## „Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat“
Ob diese Geschichten seiner Meinung nach gelogen seien, beantwortet er
nicht. Er spricht von Vorverurteilungen und betont, dass über die
Strafanzeige gegen ihn noch nicht gerichtlich entschieden wurde. Das habe
„die Gegenseite“ noch nicht verstanden, sagt er. „Möglicherweise brauchen
die da ein bisschen Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat.“
Die Historikerin Verena Meier forscht zu Antiziganismus in der
evangelischen Kirche. Die habe sich erst spät mit Antiziganismus in den
eigenen Reihen auseinandergesetzt. Erst seit Kurzem fördere die Kirche
Forschung zu ihrer Geschichte und arbeite mit Selbstorganisationen von
[2][Rom*nja und Sinti*zze] zusammen.
Ein Einzelfall wie der in Hamburg könne da zu einem Gradmesser einer
fragilen Zusammenarbeit werden, die gerade erst begonnen hat. „Es reicht
nicht“, sagt Meier, „historisch aufzuarbeiten, was damals passiert ist und
dann Scheuklappen davor zu haben, was heute in den eigenen Gemeinden
passiert.“
5 Feb 2025
## LINKS
[1] /Rassismus-in-der-evangelischen-Kirche/!5933402
[2] /Antiziganismus/!6000386
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Evangelische Kirche
Antiziganismus
Sinti und Roma
Social-Auswahl
Schwerpunkt Rassismus
Antiziganismus
Lesestück Recherche und Reportage
Joseph Goebbels
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