| # taz.de -- Umstrittenes Heim in Schleswig-Holstein: Land muss Friesenhof-Chefi… | |
| > Nachdem die umstrittenen Mädchenheime formal zu Unrecht geschlossen | |
| > wurden, wollte die Inhaberin 1,95 Millionen Euro Schadenersatz – und | |
| > klagte. | |
| Bild: Auch wenn die Gerichte die Schließung für falsch erklärten, der Kinder… | |
| Die Inhaberin der früheren Friesenhof-Mädchenheime bekommt keine | |
| [1][Entschädigung durch das Land] Schleswig-Holstein. Eine entsprechende | |
| Klage wies das Landgericht Kiel am Dienstag ab. „Der Schaden lag schon | |
| vorher vor“, fasste Richter Carl-Sebastian Zoellner die Begründung | |
| zusammen. Zwar gilt die Schließung der Heime seit einem Urteil des | |
| Verwaltungsgerichts als rechtswidrig. Doch damit allein seien die | |
| Bedingungen für eine Amtshaftung nicht erfüllt. Zentral dabei: Die Firma | |
| war laut einem Gutachten schon vorher finanziell am Boden. | |
| Die Mädchenheime mit rund 60 Plätzen in Dithmarschen [2][waren 2015 | |
| geschlossen worden]. Die Hamburger Linksfraktion hatte Vorwürfe gegen das | |
| Heim in einer schriftlichen Anfrage thematisiert. Die Heimaufsicht in Kiel | |
| nahm dies zum Anlass, das aus mehreren Häusern bestehende Heim erneut zu | |
| besuchen und mit den Bewohnerinnen zu sprechen. Als „maßgeblichen Grund“ | |
| für die kurz darauf erfolgte Schließung nannte das Sozialministerium | |
| seinerzeit das Fehlen von qualifiziertem Personal und einen Umgang mit den | |
| Jugendlichen, der nicht den vereinbarten pädagogischen Maßstäben | |
| entspreche. | |
| Bei den kritisierten Methoden ging es zum Beispiel um nächtlichen Sport als | |
| Strafe und um stundenlanges „Aussitzen“, ebenso wurde über Zwangsmaßnahmen | |
| wie das Festgehaltenwerden am Boden berichtet und über [3][Einschränkung | |
| der Bewegungsfreiheit]. Nach einem einjährigen [4][Untersuchungsausschuss | |
| im Kieler Landtag] kam die damalige Opposition aus CDU und FDP zu dem | |
| Schluss, es sei gesichert, dass im Friesenhof „Strafsport“ systematisch als | |
| erniedrigende und demütigende Reaktion auf Fehlverhalten eingesetzt wurden. | |
| SPD, Grüne und SSW, die die Mehrheit bildeten, erklärten hingegen, das Bild | |
| sei diffus, eine zu missbilligende Pädagogik stelle noch keine | |
| Kindeswohlgefährdung dar. Sie zitierten einen umstrittenen Gutachter, | |
| wonach die Aussagen der Mädchen, etwa dass sie 36 Stunden lang „aussitzen“ | |
| mussten, zu relativieren seien. Dabei sagten die Mädchen, sie hätten dabei | |
| auf die Wanduhr geguckt. | |
| ## „Strafsport“ könnte kindeswohlgefährdend sein | |
| Danach konnte die Friesenhof-Inhaberin sich Chancen ausrechnen, als sie vor | |
| Gericht zog und gegen die Entziehung der Betriebserlaubnis klagte. Das | |
| Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht gab ihr 2019 recht. Die | |
| Schließung sei unnötig gewesen, denn etwaige Missstände hätten mit der | |
| Betreiberin „aufgearbeitet und beseitigt“ werden können. Es spreche zwar | |
| viel dafür, dass über Stunden dauernde und mit Bloßstellung verbundene | |
| Gruppensitzungen und „Strafsport“ kindeswohlgefährdend sein könnten, zur | |
| Zeit der Schließung hätten die aber nicht stattgefunden. Das Land versuchte | |
| eine Berufung. Doch die lehnte das Oberverwaltungsgericht ab. | |
| Seither stritten nun Janssen-Ruff, wie die Frau heute heißt, und ihr Anwalt | |
| Trutz Graf Kerssenbrook vor dem Landgericht um Entschädigung. Im Januar kam | |
| es zur Verhandlung. Laut einem Bericht der [5][Dithmarscher Landeszeitung] | |
| erklärte die Ex-Heimchefin, sie habe damals Kaufinteressenten gehabt, die | |
| daraufhin abgesprungen seien, und nannte einen Wert von 1,95 Millionen Euro | |
| plus Zinsen. Sie ergänzte, eigentlich gehe es ihr nicht nur um Geld, | |
| sondern auch um die Wiederherstellung ihres Rufs und die Anerkennung, dass | |
| der Friesenhof gut geführt wurde. | |
| Ihr Anwalt ergänzte der Zeitung zufolge, die Heimaufsicht habe den | |
| Friesenhof seit 2013 mit Auflagen überhäuft. Zusammen mit negativer Presse | |
| sei er in einen vom Land Schleswig-Holstein verschuldeten Strudel geraten. | |
| Die Erziehungsformen wären als „schwarze Pädagogik“ politisch nicht | |
| opportun gewesen. Deswegen habe das Sozialministerium daran gearbeitet, | |
| seine Mandantin zur Aufgabe zu zwingen. | |
| ## Friesenhof schon vorher überschuldet | |
| Richter Zoellner erklärte zum Urteil, es sei unstrittig, dass die | |
| Schließung rechtswidrig war. Damit eine Amtshaftung greife, müsse aber auch | |
| ein zweiter Schaden entstanden sein. Doch laut jenem Gutachten war der | |
| Friesenhof schon vorher überschuldet und zahlungsunfähig. Er zog das | |
| Beispiel eines Autounfalls heran, bei dem man sich nicht ältere Schäden | |
| bezahlen lassen kann. Zudem hätte die Inhaberin sich damals gleich im | |
| Eilverfahren gegen die Schließung wehren müssen. | |
| Bei der Verkündung des Urteils war nur der Anwalt dabei. Der sagte: „Ich | |
| bin entsetzt.“ Ob seine Mandantin in die nächste Instanz geht, müsse er mit | |
| ihr beraten. Die sei fast 80 und arm. | |
| Der Kinderschutzbund erklärte, auch wenn die Schließung „rechtlich | |
| möglicherweise nicht einwandfrei“ gewesen sei, bliebe die Bewertung im | |
| Bezug auf Kinderrechte eindeutig. „Die Berichte über das grenzverletzende | |
| Verhalten gegenüber jungen Menschen werfen ein dunkles Licht auf die | |
| Heimerziehung jener Zeit.“ Die Angst vor Amtshaftung ist übrigens häufig | |
| [6][Grund, warum Heimaufsichten] nicht handeln. | |
| 18 Feb 2025 | |
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| [5] https://www.boyens-medien.de/artikel/lokales/friesenhof-prozess-barbara-jan… | |
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| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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