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# taz.de -- Unzureichende Fortbildungen der Justiz: Kampfbegriff der Väterrech…
> An vielen Familiengerichten finden Gewaltopfer unzureichend Gehör. Kann
> das auch an Missständen bei der Ausbildung von Richtern liegen?
Bild: Fortbildungen von Richtern: Wenn es nach Justitia geht, ist da noch Luft …
Seit längerem werden die Zustände an vielen Familiengerichten in
Deutschland kritisiert. [1][Im November berichtete die taz über eine
Studie], laut der Kinder und Mütter kein oder nur unzureichend Gehör bei
Jugendämtern und Familiengerichten finden, wenn sie Opfer von Gewalt
werden. Auch die Essener Rechtsanwältin Jennifer Nadolny schreibt in ihrem
vor wenigen Tagen erschienenen Buch „Tatort Familiengericht“ über
Verfahren, „die oftmals mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun haben
und die am Kindeswohl vorbeigehen“. Es gebe einen „unglaublichen Missstand�…
an den Familiengerichten, in manch einem Fall sogar „staatliche
Kindeswohlgefährdung“.
Umso erstaunlicher ist es, dass seit Jahren bei den staatlichen
Fortbildungen der Justiz eine Akteurin mitwirkt, die in ihren
Veröffentlichungen immer wieder mit Argumenten der Väterrechtsbewegung
operiert.
Sachsen, zuständig für die Organisation der jährlichen Tagung „Praktische
Fragen des Familienrechts“ an der Deutschen Richterakademie, hat erstmals
2015 Katharina Behrend aus Lemgo als Vortragende verpflichtet. Und nun
entschieden, Behrend auch für die nächste Tagung im April im
brandenburgischen Wustrau zu buchen.
Behrend spricht bei diesen Tagungen beispielsweise zum Thema
„Missbrauchsverdacht als Trumpfkarte?!“ Und es fallen bei den Vorträgen
Stichworte wie „Kind als Waffe im Trennungskrieg“ und „Entfremdung“.
Behrend entspreche den Anforderungen des Weiterbildungszentrums, heißt es
aus Dresden. „Eine hervorragende Referentin“, schwärmt der Tagungsleiter,
der Grimmaer Familienrichter Mathias Zschiebsch.
## Zweifel angebracht
Fragen sind angebracht: Denn die Lektüre der Aufsätze von Behrend fördert
die Auseinandersetzung mit dem sogenannten Parental Alienation Syndrom
(PAS) zutage – zu Deutsch: Eltern-Kind-Entfremdung. Es ist ein Kampfbegriff
der Väterrechtsbewegung. Er geht auf die These des US-Kinderpsychologen
Richard Gardner zurück, der meinte, Elternteile – meist die Mutter – würd…
ihr Kind bewusst oder unbewusst beeinflussen, um sich Vorteile in Sorge-
bzw. Umgangsrechtsverfahren zu erstreiten.
Behrend will laut eigener Aussage ein „Erklärungsmodell“ zu den
Voraussetzungen erarbeiten, „unter denen dieses Syndrom entsteht“. Sie
befürchtet, dass der Anteil von PAS-Kindern „zukünftig kräftig anwachsen
wird“. 2000 schrieb sie gemeinsam mit ihrem früheren Professor Uwe Jopt,
Gardners Wunsch nach Aufnahme in den US-amerikanischen Leitfaden
psychischer Störungen, kurz DSM, möge rasch in Erfüllung gehen, das Syndrom
würde damit weltweit anerkannt als behandlungsbedürftige
Persönlichkeitsstörung.
Jopt war früher Behrends Professor in Bielefeld, mit ihm gemeinsam hat sie
in Lemgo ein Beratungsinstitut aufgebaut. Er wird in der
Correctiv-Recherche „Väterrechtler auf dem Vormarsch“ aus dem Jahr 2023 zu
den wichtigen Akteuren der Szene gerechnet.
Behrend nimmt auf ihre alten Veröffentlichungen nach wie vor Bezug. Sie
behauptet allerdings neuerdings, sie kritisiere das PAS-Konzept „seit jeher
als unpsychologisch“. Sie behauptet auch, der Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2023, laut dem PAS „keine
hinreichend tragfähige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte
Entscheidung“ biete, entspreche ihrer Auffassung „exakt“. Diesen
Widerspruch zwischen ihren eigenen Aussagen löst sie nicht auf.
Der Direktor der Deutschen Richterakademie, Oliver Servas, verteidigt die
Fortbildungen in Wustrau als „geschützten Raum zum kollegialen
länderübergreifenden Austausch“. Für die Auswahl der Tagungsleitung und der
Referenten im konkreten Fall zeichne das sächsische Justizministerium
verantwortlich, sagte Servas auf Anfrage der taz: „Die Akademie stellt
insoweit lediglich die Tagungsstätte zur Verfügung.“
Als das Deutsche Institut für Menschenrechte im Dezember in seinem Monitor
„Gewalt gegen Frauen“ die systematische und verpflichtende Fortbildung der
Justiz zum Thema anmahnte, dürfte es sich das nicht so vorgestellt haben,
wie es bei den Vorträgen an der Deutschen Richterakademie mit Behrend
abläuft.
Der Familienrechtler Ludwig Salgo aus Frankfurt am Main sagte der taz, eine
lautstark agierende Lobby „erfindet ständig neue Namen, um das Konzept
‚PAS‘ zu retten“. Bei Behrend fehle jede Selbstkritik dazu. Verantwortlic…
für die Richterfortbildungen „dürfen bei der Auswahl von Referenten solche
Umstände nicht unbeachtet lassen“.
6 Feb 2025
## LINKS
[1] /Frauenfeindlichkeit/!6047112
## AUTOREN
Matthias Meisner
## TAGS
Richter
Männerrechtler
Sorgerecht
Social-Auswahl
Toxische Männlichkeit
Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
häusliche Gewalt
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