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# taz.de -- Westbalkan und Deutschland: Die Rückkehr der echten Helgas
> Für Serbien ist Deutschland Feindesland. In den anderen Staaten des
> ehemaligen Jugoslawien ist der Ruf der Deutschen besser – noch.
Bild: Die falsche „Helga“: AfD-Vorsitzdende Alice Weidel
„Das gibt’s doch gar nicht“, die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sehe aus wie
„Helga“, ruft die fast 60-jährige Lejla aus Sarajevo. Sie hatte gerade in
einer Zeitung einen Bericht über die Neuwahlen in Deutschland und die AfD
gelesen.
Die Lehrerin kann sich noch gut erinnern, wie sie während ihrer Schulzeit
selbst als Blondine gehänselt wurde. „Helga“ war im ehemaligen Jugoslawien
nämlich das Sinnbild für die eiskalte, deutsche Nazifrau und KZ-Wächterin.
„Wenn man Frauen beleidigen wollte, sagte man einfach Helga zu ihr“, lacht
sie beim Wein in der linken Traditionskneipe, wo immer noch ein Porträt des
ehemaligen Staatschefs Tito über dem Tresen hängt.
Die Blutspur [1][während der Besetzung Jugoslawiens] durch deutsche
Truppen 1941 bis 1945 hat jahrzehntelang das Deutschlandbild im ehemaligen
Jugoslawien geprägt. Die Deutschen waren noch lange Zeit für viele „die
Faschisten“ schlechthin. Punkt. Aufgeweicht allerdings wurde diese Position
nach dem Besuch von Willy Brandt 1973 und die Freundschaft mit Tito, waren
doch beide antifaschistische Kämpfer während des Spanischen Bürgerkriegs
1936. Die Grenzen wurden für Gastarbeiter geöffnet und das hatte positive
Rückwirkungen auf die Gesellschaft von Slowenien bis Kosovo.
## Modell Deutschland
Auch unter Helmut Schmidt wandelte sich das Deutschlandbild weiter. Das
„Modell Deutschland“ wurde Vorbild in Jugoslawien, die soziale
Marktwirtschaft war dem Sozialismus in den Ostblockstaaten überlegen, die
Verbindung soziale Sicherheit und Fortschritt galt als attraktiv.
Doch scheiterte der jugoslawische Vielvölkerstaat nach Titos Tod 1980 an
seiner Reformunfähigkeit und dem Aufkommen des Nationalismus. Die
Staatspartei, der Bund der Kommunisten, brach 1990 auseinander.
Serbien sah sich als Hegemonialmacht bedroht. Slowenien, Kroatien,
Bosnien-Herzegowina und Mazedonien wollten die serbische Dominanz
abschütteln. Indem Deutschland die reformorientierten Republiken
unterstützte, stellte es sich gegen Serbien. Im Januar 1992 erkannten alle
in der EG außer Griechenland die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens
an. Vor allem die Kroaten dankten Deutschland für diese Unterstützung,
[2][Serbien jedoch sah in Deutschland nun eine feindliche Macht].
Das blieb bis heute so – trotz der [3][Kriege von 1991 bis 2001]. Für junge
Künstler und Intellektuelle, vor allem aber für Arbeitskräfte vom Busfahrer
bis zum Arzt wurden Deutschland und die EU noch attraktiver. Religiöse
Katholiken, Orthodoxe, Muslime und Rechtsradikale störten sich indes mehr
und mehr daran, dass in Deutschland sexuelle Minderheiten gleichgestellt
wurden. Aber Deutschland blieb für die meisten attraktiv.
Doch es zeichnet sich eine Trendwende ab. Arbeitskräfte kommen zurück. Die
Mieten seien für Familien viel zu hoch und die Atmosphäre Ausländern
gegenüber wandele sich, klagen sie. „Die echten Helgas sind wieder da“,
sagt Lejla nachdenklich und nippt am Wein.
12 Feb 2025
## LINKS
[1] /Ueberfall-auf-Jugoslawien-vor-80-Jahren/!5758935
[2] /Zehnter-Westbalkangipfel/!6039838
[3] /Nato-Einsatz-im-Bosnienkrieg/!6022422
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Kolumne typisch deutsch
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Westbalkan-Staaten
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Westbalkan-Staaten
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