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# taz.de -- Deutschlandbild in Südkorea: Vorbild? Das war einmal
> Viele ältere SüdkoreanerInnen verspüren eine Verbundenheit gegenüber
> Deutschland. Die Millennials blicken ziemlich ambivalent auf die
> Bundesrepublik.
Bild: Fachwerkidylle im deutschen Dorf in Südkorea
Um ein Stück Deutschland in [1][Südkorea] zu finden, muss man keineswegs
ins Flugzeug steigen. Ganz am südlichen Zipfel der koreanischen Halbinsel,
die vier Autostunden südlich von Seoul in einer malerischen Hügellandschaft
ins Ostmeer ausfranst, befindet sich das „dogil maeul“. Ein „deutsches
Dorf“ also, das sämtliche längst überholte Klischees auf die Spitze treibt:
Fachwerkhäuser mit Ziegeldächern säumen die fein gesäuberten Bürgersteige,
Gartenzwerge wachen hinter Lattenzäunen, und in den Wirtshäusern wird
Currywurst und Weißbier serviert.
Was heute wie ein skurriler Freizeitpark anmutet, hat einen historischen
Hintergrund: Einige der koreanischen Gastarbeiter:Innen, die in den 1960ern
als Krankenschwestern und Bergarbeiter nach Deutschland zogen, haben sich
hier zum Ruhestand niedergelassen. Doch ihre Wahlheimat wollten sie
offensichtlich nicht in Gänze hinter sich lassen.
Auch wer in der Hauptstadt Seoul durchs Stadtzentrum spaziert, findet
etliche deutsche Nachhilfeinstitute, Berlin-inspirierte Techno-Clubs, ja
sogar einen Originalabschnitt der Berliner Mauer. Nur die Kulinarik kann
sich nicht so recht durchsetzen: In der 10-Millionen-Metropole gibt es nur
eine Handvoll deutscher Restaurants. Wer mit älteren Koreaner:Innen
ins Gespräch kommt, dem wird als Deutscher ein Vertrauensvorschuss
geschenkt. Man fühlt sich in der historischen Erfahrung geeint, ebenfalls
eine Landesteilung durchlebt zu haben. Und dann ist da eine aufrichtige
Wertschätzung gegenüber der deutschen Hochkultur, Philosophie,
Rechtsstaatlichkeit und Arbeitsethik.
## Projektionsfläche Deutschland
Doch die Millennials wissen, dass es sich bei diesem Deutschland-Bild um
eine idealisierte Vorstellung handelt. Koreaner:Innen, die in den letzten
Jahren in Deutschland gelebt haben, haben eine ambivalentere Wahrnehmung:
Da wird von erlebtem Alltagsrassismus gegenüber Asiat:Innen gesprochen,
über den rauen Umgangston lamentiert und über das brutal langsame Internet
gestaunt. Doch ein bisschen Sehnsuchtsort ist Deutschland nach wie vor;
insbesondere für junge Koreaner:Innen mit alternativen Ansichten. Sie
schätzen, dass in den meisten Büros flache Hierarchien und humane
Arbeitszeiten herrschen. Und dass man sich als Feministin bezeichnen kann,
ohne dafür stigmatisiert zu werden.
Die anstehende [2][Bundestagswahl] ist kein großes Thema. Südkorea steckt
selbst in einer Staatskrise, der suspendierte Präsident Yoon Suk Yeol ist
seit Wochen in Haft, schon bald könnten Neuwahlen ausgerufen werden. Der
innenpolitische Ausnahmezustand erfordert so viel Aufmerksamkeit, dass der
Blick über den Tellerrand oftmals zu kurz kommt. In den südkoreanischen
Medien dient Deutschland in der Berichterstattung oftmals als
Projektionsfläche.
Die linken Tageszeitungen, etwa die genossenschaftlich organisierte
Hankyoreh, berichtet prominent über die Klimaaktivisten oder die
Demonstranten gegen rechts. Die konservative Chosun Ilbo hingegen
beschäftigt sich lieber mit der Frage, warum die einstige Industrienation
Deutschland nun in der Krise steckt.
7 Feb 2025
## LINKS
[1] /Staatskrise-in-Suedkorea/!6064780
[2] /Deutschlandbild-in-Argentinien/!6064918
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Kolumne typisch deutsch
Südkorea
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Rechtsextremismus
Kolumne typisch deutsch
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Südkorea
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