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# taz.de -- Personalmangel im Amt: Ein Viertel arbeitet woanders
> Die Behörde, die das Lieferkettengesetz kontrolliert, gibt zeitweise
> viele der Prüfer*innen an andere Bereiche ab. Dabei gäbe es viel zu
> tun.
Bild: Kobalt ist wichtiger Rohstoff für Batterien und damit die Energiewende. …
Berlin taz | Nach dem [1][Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz] müssen
große Unternehmen ihre Lieferketten analysieren, Beschwerdesysteme
einrichten und auf Menschenrechtsverletzungen reagieren. Ob sie das auch
machen, kontrolliert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
(Bafa). Dafür wurde 2022 ein neuer Standort geschaffen: die Abteilung 7 in
Borna, Sachsen. Nach Informationen der taz beschäftigt diese jedoch immer
wieder eine große Anzahl ihres Personals in anderen Abteilungen.
Von den anfangs 100 Prüfer*innen des Lieferkettengesetzes wurden 2024
zeitweise 24 Personen in andere Bereiche abgeordnet. Zwei Mitarbeitende
verließen die Behörde und ihre Stellen wurden nicht nachbesetzt. Das Bafa
teilt mit, die Praxis sei „insgesamt nicht unüblich“, bis Februar sollen 20
der 24 Prüfer*innen wieder in der Kontrolle des Lieferkettengesetzes
eingesetzt werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), dem das Bafa unterstellt ist,
verteidigt die Praxis ebenfalls und weist auf den „sehr kurzen Zeitraum“
hin, der „sich überwiegend auf das vierte Quartal 2024“ erstreckte. Eine
Aufschlüsselung zeigt, im September wurden 5 Prüfer*innen abgezogen, im
Oktober weitere 5 und im November 14.
Jemand, der mit den Abläufen des Bafa vertraut ist, sagte der taz, die
Personallage sei ohnehin angespannt und die Kontrollfunktion durch die
Abordnungen weiter eingeschränkt. Dies gefährde die Umsetzung des
Lieferkettengesetzes.
## Nur noch die Hälfte der Abteilung arbeitet an der Kontrolle
Auch im Jahr davor kam es zu Abordnungen in großem Umfang. Das Bafa selbst
hatte Ende 2022 einen Bedarf von 143 Stellen zur Bewältigung der Aufgaben
in der Kontrolle des Lieferkettengesetzes ermittelt. Bewilligt wurden zu
Beginn 57, später 101. Die Abteilung 7 startete im Januar 2023 mit 25
Mitarbeitenden und einigen Stellenausschreibungen. Bereits im März wurden 7
Beschäftigte in andere Bereiche abgeordnet.
Im Dezember arbeitet nur noch die Hälfte der Abteilung 7 an der Umsetzung
des Lieferkettengesetzes. Das geht aus einer [2][Antwort des
Bundeswirtschaftsministeriums vom Februar 2024] auf eine schriftliche
Anfrage der Linken hervor. Das BMWK versicherte auch damals, dass noch im
selben Monat alle Prüfer*innen bis auf zwei wieder im Bereich
Lieferkettengesetz eingesetzt würden.
Nun hat das Bafa generell ein Personalproblem, wie der Bundesrechnungshof
feststellt. „In den letzten Jahren waren zwischen 20 und 30 Prozent der
Personalstellen des Bafa unbesetzt“, [3][heißt es in einem Bericht vom
April 2024]. Der Bundesrechnungshof rügte, bei Förderprogrammen zur
Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudesektor habe das Bafa über 10
Milliarden Euro Fördermittel verspätet an die Antragstellenden ausgezahlt.
„Zwar haben sich das BMWK und das Bafa um Verbesserungen bemüht, diese
Bemühungen dürften aber nicht ausreichen“, so der Bundesrechnungshof.
Teil dieser Bemühungen sind die Abordnungen der Prüfer*innen des
Lieferkettengesetzes. „Dringende Gründe, zum Beispiel der Abbau von
Antragsspitzen in Förderaufgaben, rechtfertigen nach hiesiger Einschätzung
das Vorgehen des Bafa“, bestätigt eine Sprecherin des
Wirtschaftsministeriums.
## Kapazitäten nutzen, um mehr Kontrollen durchzuführen
Doch auch in der Kontrolle des Lieferkettengesetzes gäbe es viel zu tun,
kritisiert Heike Drillisch. Sie koordiniert das CorA-Netzwerk, ein Bündnis
aus 60 Organisationen, die sich für Unternehmensverantwortung einsetzen.
„Dass ein Viertel der Bafa-Beschäftigten, die die Einhaltung des
Lieferkettengesetzes überprüfen sollen, phasenweise für andere Tätigkeiten
eingesetzt wurde, ist schwer nachvollziehbar.“ Stattdessen hätte die
Behörde „die Kapazitäten dringend nutzen sollen, um mehr risikobasierte
Kontrollen durchzuführen und dabei auch Fehlinterpretationen des Gesetzes
zu unterbinden“.
Ein Beispiel sei, dass Unternehmen Berichtspflichten und Risiken auf
kleinere und mittlere Zulieferbetriebe abwälzen. „Das ist gesetzwidrig und
hat zu der aktuellen, aufgeheizten Debatte über vermeintlich überbordende
Bürokratie beigetragen“, meint Drillisch.
Außerdem sollte das Bafa Rechteinhaber*innen besser informieren und
unterstützen, also etwa Arbeiter*innen in den Lieferketten. „Sie
brauchen Zugang zu Informationen, damit sie das Gesetz besser nutzen und so
aktiv zu seiner effektiven Umsetzung beitragen können“, sagt Drillisch.
Auch die eigene Bilanz des Bafa zeigt, dass es viel Arbeit gibt. Von 406
Kontrollen 2023 wurden weniger als die Hälfte, insgesamt 159, im selben
Jahr abgeschlossen. Dabei haben die Prüfer*innen entsprechende
Informationen bei Unternehmen abgefragt, also etwa, ob sie ein
Beschwerdesystem eingerichtet oder eine Mitarbeiterin für die
Sorgfaltspflichten beauftragt haben. Im ersten Jahr hat das Bafa keine
Geschäftsräume betreten, Personen vorgeladen oder Sanktionen verhängt.
Auch für 2024 teilt das Bafa mit, es habe keine Bußgelder verhängt, aber
erste Ermittlungsverfahren eingeleitet und Verwarnungen ausgesprochen. 2024
kamen über 800 weitere Kontrollen hinzu. Laut Bafa sind insgesamt 206
Beschwerden eingegangen. Viele Betroffene warten noch auf Ergebnisse zu
ihren Beschwerdeverfahren, [4][manche laufen nun seit beinahe zwei Jahren].
Und obwohl die Bundesregierung im Juli bekannt gab, dass Unternehmen 2024
nicht sanktioniert werden, wenn sie keine Berichte abgeben, [5][taten dies
viele Firmen]. Vergangenes Jahr gingen 671 Berichte ein, die geprüft werden
können.
22 Jan 2025
## LINKS
[1] /Zwei-Jahre-Lieferkettengesetz/!6060684
[2] https://dserver.bundestag.de/btd/20/103/2010338.pdf
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/20/110/2011000.pdf
[4] /Menschenrechte-in-der-Lieferkette/!6030266
[5] /Berichtspflichten-fuer-Unternehmen/!6045548
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
Lieferketten
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