# taz.de -- taz-Tagebücher zum Ukraine-Krieg: Fäden über die Ländergrenzen … | |
> In der taz-Kolumne „Krieg und Frieden“ erzählten Autor:innen aus dem | |
> postsowjetischen Raum einander vom Alltag. So bekamen ihre Weltbilder | |
> Risse. | |
Bild: Kyjiw, Ukraine, 13. Dezember: Menschen suchen in einem U-Bahnhof Schutz v… | |
Wladikawkas taz | Seit dem Ende der Kolumne [1][„Krieg und Frieden, ein | |
Tagebuch“] in der taz ist mehr als ein Jahr vergangen. Es fehlt | |
schmerzlich. Denn für uns Journalist*innen im postsowjetischen Raum | |
ist es schwer, zu erfahren, wie unsere Nachbarn leben. Dafür erwies sich | |
das Tagebuchformat dieser Kolumne als besonders gut. Als ich zum Beispiel | |
[2][über Alltäglichkeiten aus meiner Umgebung schrieb], hätte ich mir nicht | |
vorstellen können, dass das für meine Kolleg*innen aus anderen Ländern | |
fast wie eine Offenbarung war. Umgekehrt ging es mir übrigens genauso. | |
Das zeigt gut, dass die offizielle Medienberichterstattung eines jeden | |
Landes nicht einmal einen Bruchteil der dortigen Realität widerspiegelt. | |
Und so wurden unsere Texte zu Fäden über Ländergrenzen hinweg, die dazu | |
beitrugen, Hass und Falschbehauptungen zu überwinden, und das Wichtigste | |
hervorbrachten: Wir sind alle Menschen – und wir brauchen eigentlich nur | |
wenig. Einen friedlichen Himmel, die Möglichkeit zu ehrlicher Arbeit und | |
ein Leben ohne Angst vor der nächsten Bombe oder Drohne. Um dies zu | |
verstehen, muss man leider den ganzen Horror erleben, mit dem wir jetzt | |
leben müssen. | |
Ich selbst [3][konnte hier zum Beispiel auch einmal über Dinge schreiben], | |
über die man in meiner Heimat, die ich sehr liebe, nicht zu sprechen | |
pflegt. Weder über den Kriegshass noch den Wunsch nach Frieden. Nicht über | |
die Weigerung, das eigene Volk als das beste der Welt zu betrachten, und | |
auch nicht über die Forderung, in Harmonie mit den Nachbarn zu leben. Und | |
jetzt, wo alle über das mögliche Ende des Krieges sprechen, kommt man nicht | |
umhin, sich zu sorgen, wie es danach wohl weitergeht. | |
## Die Gesichter der anderen sehen | |
Ich weiß nicht, ob eine Fortsetzung dieses „Tagebuchs“ möglich wäre, den… | |
aber, es sollte so etwas in der Art wieder geben. Damit wir, ganz | |
gewöhnliche Menschen aus Ländern, deren Regierungen sich gegenseitig zu | |
Todfeinden erklärt haben, die Gesichter der jeweils anderen sehen können | |
und keine Minute lang vergessen, dass es irgendwo da draußen Menschen gibt | |
wie uns. Lassen wir es nicht zu, dass die Politik diesen Menschen das | |
Menschsein abspricht, sie zu einer gesichtslosen Masse macht. | |
Zu Beginn verstand ich die Idee dieses Projekts überhaupt nicht. Niemand | |
von uns könne doch irgendetwas Neues, Unbekanntes schreiben, dachte ich. | |
Wir hatten feste Weltbilder in den Köpfen – doch die bekamen nach den | |
ersten Texten Risse. Plötzlich konnte man Dinge neu sehen, besser | |
begreifen, mitfühlen, aber auch: selber Gehör finden. Das Konzept ging auf. | |
Natürlich war es in den zwei Jahren des Projekts nicht möglich, alle | |
Missverständnisse selbst unter den teilnehmenden Autor*innen | |
auszuräumen. Vor allem nicht zwischen Journalist*innen aus Russland und | |
der Ukraine. Aber schon allein, dass jede/r von uns die anderen lesen, | |
hören und spüren konnte, zeigt, wie sinnvoll und hilfreich dieses Projekt | |
war. Vielleicht, weil der Mensch dazu verdammt ist, Mensch zu bleiben, und | |
Hass kein normales Gefühl ist. Im Gegensatz zu Liebe und Verständnis | |
füreinander. Egal, wie man auch versucht, uns vom Gegenteil zu überzeugen. | |
Übersetzung aus dem Russischen: Gaby Coldewey | |
21 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Kolumne-Krieg-und-Frieden/!t5839531 | |
[2] /Russische-Gesellschaft-im-Krieg/!5915229 | |
[3] /Wagner-Soeldner-im-Nordkaukasus/!5951218 | |
## AUTOREN | |
Boris Epchiev | |
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