# taz.de -- Protest gegen AfD-Parteitag in Riesa: Am „Bunten Finger“ kommt … | |
> Tausende waren am Wochenende in Riesa, um den Parteitag der AfD zu | |
> verhindern. Auch aus Hamburg starten elf voll besetzte Busse. Ziel: eine | |
> Kreuzung. | |
Bild: Das letzte Stück zu Fuß: Aktivist*innen auf dem Weg ins sächsische Rie… | |
Als die Busse am Freitagabend in Hamburg losfahren, werden sie mit | |
Feuerwerk verabschiedet. Allein aus Hamburg machen sich rund 600 Leute in | |
elf Bussen auf den Weg ins sächsische Riesa, um dort [1][gegen den | |
Bundesparteitag der AfD zu protestieren] und die Zufahrtswege zum | |
Tagungsort zu blockieren. Alle Plätze in den Bussen sind ausgebucht. | |
Insgesamt reisen laut Protestbündnis „Widersetzen“, das progressive Kräfte | |
gegen die AfD bündelt und dazu aufgerufen hatte, den AfD-Bundesparteitag | |
mit zivilem Ungehorsam zu verhindern, etwa [2][15.000 Personen aus ganz | |
Deutschland] an: von Gewerkschaften über „Studis gegen rechts“ bis hin zu | |
klassischen Antifagruppen. Das Protestbündnis hat sich erst 2024 gegründet, | |
um gegen den AfD-Parteitag in Essen zu protestieren. In den Jahren zuvor | |
war es bei AfD-Parteitagen eher ruhig: 2023 etwa lief einer in Magdeburg | |
störungsfrei ab, begleitet nur von einer etwa 2.500 Personen starken | |
Gegendemo. Was hat sich seitdem verändert? | |
„Die Hetze, die Menschenfeindlichkeit“, erklärt Annette H. Sie ist Anfang | |
60 und sitzt hinten in einem der Busse aus Hamburg nach Riesa. Politisch | |
sei sie schon immer gewesen, aber so beunruhigt wie jetzt war sie noch nie: | |
Herbert Kickels FPÖ in Österreich, die Wiederwahl Donald Trumps in den USA | |
und die bevorstehenden Bundestagswahlen mit hohen Umfragewerten für die | |
AfD. „Wir erleben eine Faschisierung in Europa und der Welt“, sagt Annette. | |
„Und das muss verhindert werden.“ Nach einer nächtlichen Busfahrt und in | |
der Eiseskälte in Sachsen? Annette zuckt mit den Schultern. „Muss ja.“ | |
## Speerspitze einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung | |
Auch Max sieht die AfD bloß als Speerspitze einer gesamtgesellschaftlichen | |
Entwicklung. Der Anfang 30-Jährige sitzt weiter vorn im Bus. „Die | |
Reaktionären und Hardliner sind auf dem Vormarsch.“ Die AfD, meint er, | |
bündele und organisiere diese Kräfte. Nach Riesa fährt er auch, um mit | |
anderen Protestierenden die Sehnsucht nach einer solidarischen Gesellschaft | |
zum Ausdruck zu bringen. | |
Als die Hamburger Busse mitten in der Nacht auf einer Autobahnraststätte | |
ankommen, wuseln dort bereits Hunderte Aktivist*innen durcheinander. | |
Die Stimmung ist ausgelassen. Ein Bremer von den „Studis gegen rechts“ | |
raucht neben einem Bus aus Hannover, vor dem zu Musik getanzt wird. „Hat | |
der Busfahrer angemacht“, grinst er. Irgendwie müsse man sich ja | |
warmhalten. | |
## Am „Bunten Finger“ kommt keiner vorbei | |
Auf der Weiterfahrt versuchen die Aktivist*innen, noch etwas Schlaf zu | |
bekommen. Aber als der Bus gegen 6 Uhr früh mitten in einem Dorf bei Riesa | |
stoppt, sitzen alle in Jacke und mit geschultertem Rucksack bereit und | |
eilen nach draußen. Ein Streifenwagen wartet, der Aufzug – oder „Finger“, | |
wie die Demozüge hier heißen – eilt einfach an ihm vorbei. | |
Kalt und windig ist es, dunkel auch. In der ersten Stunde laufen sie zügig | |
auf Landstraßen in Richtung Riesa. Über ihnen wehen Regenbogenfahnen im | |
Wind, die sie als „Bunter Finger“ markieren. Immer schneller marschieren | |
sie, bis sie schließlich im Laufschritt an Riesas ehemaliger Nudelfabrik | |
vorbei auf die Kreuzung zweier zentraler Zufahrtsstraßen nach Riesa | |
gelangen. Hier kommt heute niemand an ihnen vorbei. Die Polizei versucht | |
nicht mal, die etwa 600 Menschen aufzuhalten. | |
## Tanzen gegen die Eisekälte | |
Viel optimaler habe es nicht laufen können, sagt Max. Er steht grinsend | |
außerhalb der Blockade, dick eingepackt in Jacke, Schal und Mütze. Kurz | |
zuvor ist unter Jubel und Beifall der zweite Teil des „Bunten Fingers“ | |
dazugestoßen, der auf der Fahrt versehentlich abgehängt worden war. Jetzt | |
stehen knapp tausend Menschen in Warnwesten auf der Kreuzung. Gegen die | |
Eiseskälte tanzen sie oder hüllen sich in golden glänzende Rettungsdecken | |
ein. | |
„Das Gefühl auf der Blockade ist schwer zu beschreiben“, sagt Max. | |
Ellbogengesellschaft und nach unten treten – das propagiere sonst nicht nur | |
die AfD, sondern auch die Ampelparteien und die Union stimmten da ein. Im | |
„Widersetzen“-Protest fühlt Max sich aufgehoben. „Diese Solidarität muss | |
man erleben. Das ist das Gegenteil von: alle gegen alle.“ | |
Während der „Bunte Finger“ auf der Kreuzung friert, werden andere Blockaden | |
der Zufahrtswege von der Polizei geräumt. Im Stadtinneren findet die | |
Hauptkundgebung statt. [3][Dort spielen Bands] vor Tausenden | |
Demonstrierenden mit Antifa- und Regenbogenfahnen, im Hintergrund | |
beschallen sie mit einer Störsirene das Tagungsgelände des Parteitags. | |
## AfD holte in Riesa zuletzt 38 Prozent der Stimmen | |
„Wir sind mehr“ ist das Motto des Protestes, und das kann man hier am | |
Wochenende leicht glauben. Aber die AfD hat in Riesa bei den Landtagswahlen | |
38 Prozent der Stimmen geholt. Am Rande der Proteste beschimpfen immer | |
wieder Personen mit Deutschland-Hüten und in Nazi-Marken-Klamotten die | |
Aktivist*innen. | |
Irgendwann löst der „Bunte Finger“ die erfolgreiche Blockade der Kreuzung | |
auf und gesellt sich zur Hauptkundgebung. Wegen der vielen Busse verzögert | |
sich die Rückreise, die Aktivist*innen steigen erst am frühen Abend | |
durchgefroren in die Busse zurück nach Hamburg. Die Aufregung von der | |
Hinfahrt weicht Erschöpfung. Aber trotz durchweichter Hosen und schlammiger | |
Schuhe sind alle zufrieden: Um zwei Stunden haben sie gemeinsam den Beginn | |
des Parteitags verzögert. Erschöpft und glücklich sei er, sagt Max. „Das | |
war ein voller Erfolg.“ | |
12 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Selma Hornbacher-Schönleber | |
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