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# taz.de -- Haushalt der Bundesregierung für 2025: Kahlschlag bei der Integrat…
> Aus Kostengründen streicht die Bundesregierung massiv bei Sprachkursen
> für Geflüchtete und Eingewanderte. Leidtragende sind vor allem Frauen.
Bild: Sollen die deutsche Sprache, Lesen und Schreiben gleichzeitig lernen: Tei…
Hamburg taz | Die Bundesregierung hat die [1][Integrationskurse drastisch
zusammengestrichen], in denen Neuankömmlingen die deutsche Sprache
vermittelt wird. Besonders betroffen sind geflüchtete Frauen. Künftig wird
es keine reinen Frauenkurse mehr geben.
Noch vor dem [2][Ampel-Aus] und der damit verbundenen vorläufigen
Haushaltsführung hatte die Bundesregierung den Etat-Ansatz dafür halbiert.
Die entsprechende Verordnung sieht [3][radikale Kürzungen im Kursangebot]
vor. Sie tritt Anfang Mai in Kraft und betrifft nur Kurse, die danach
beginnen.
Künftig soll es nur noch in Ausnahmefällen Kurse im Umfang von 900 Stunden
geben, der Regelumfang liegt bei 600 Stunden. Mehr bekommen in Zukunft nur
noch jene Einwanderer, die parallel zum Spracherwerb Lesen und Schreiben
lernen müssen, die die lateinische Schrift erlernen müssen oder die
sprachpädagogischen Förderbedarf haben.
Leidtragende der Kürzungen sind vor allem Frauen, Eltern und Jugendliche.
Die spezifischen Kurse für sie, bislang im Umfang von 900 Stunden, werden
ganz gestrichen, sie müssen künftig die allgemeinen Integrationskurse
besuchen. Für Jugendliche hatte es bislang Sprachkurse mit integrierter
Berufsorientierung gegeben. Elternkurse boten neben dem Unterricht eine
Kinderbetreuung.
Sie wurden vor allem von Müttern besucht. Und in den reinen Frauenkursen
hatten geflüchtete Frauen den Vorteil, unter sich zu sein – mit etwas mehr
Zeit, als für den reinen Spracherwerb notwendig ist.
## „Strukturelle Benachteiligung von Frauen“ ignoriert
„Zutiefst frauenfeindlich“, sagt Judith Geipel, Geschäftsführerin des
Bildungsträgers „BI Bildung und Integration Hamburg Süd“, zu den Kürzung…
Der Löwenanteil der [4][Care-Arbeit] liege nun mal bei den Frauen. „Da
bedeutet jeder Tag, an dem ein Kind krank ist, einen Fehltag.“ Deshalb
bräuchten die Frauen 900-Stunden-Kurse. Das neue Modell ignoriere die
„[5][strukturelle Benachteiligung von Frauen]“.
Das Problem sei nicht mehr, dass Frauen nicht an gemischten Kursen
teilnehmen wollten – oder von ihrer Familie aus „dürften“. Auch dass Fra…
mit geringerer Schulbildung starteten als Männer, sei „gar nicht mehr so
ein Thema“, sagt Geipel. Doch abgesehen von der höheren Stundenzahl liefen
die reinen Frauenkurse anders ab. „Da gibt es zum Beispiel auch mal
Unterrichtsformate, wo man sich bewegt und berührt – das kann man in
gemischten Kursen nicht machen.“
Eine Kursleiterin bei „Bildung und Integration“ hat sich ihren Frust in
einem Schreiben an ihre Chefin über die Kürzungen von der Seele
geschrieben: „Herzlich und gut kann die Stimmung auch in,gemischten' Kursen
sein, aber nicht in dieser Offenheit und Unbefangenheit.“ Viele der Frauen
empfänden die [6][Vormittage im Deutschkurs] als eine Zeit, in der sie
etwas für sich tun. „Es geht um sie (nicht um die Kinder, Familie, Termine
etc.): Sie lernen für sich.“
Insbesondere für Frauen, die aus stärker traditionell-patriarchal geprägten
Verhältnissen kommen, könne das eine sehr gute Erfahrung sein. „Ich würde
so weit gehen zu sagen, dass Deutschkurse für Frauen Räume des
[7][Empowerments] von eingewanderten Frauen sind – die jetzt wegfallen. Die
deutsche Sprache bedeutet ja auch ein Stück Autonomie im Alltag.“
Fast noch schwerer wiegt für Geipel, dass Wiederholungskurse künftig fast
nur noch nach Kursen mit Alphabetisierungs-Anteil möglich sein sollen.
Bislang konnten Teilnehmer:innen, die die B1-Deutschprüfung nicht geschafft
haben, sich für ein weiteres 300-Stunden-Modul anmelden. „Viele scheitern
in der Prüfung nur ganz knapp“, sagt Geipel, und hätten sie nach den
Wiederholerstunden geschafft. Das geht künftig nicht mehr. „Ganz viele
werden kein Zertifikat schaffen“, ist sie sich sicher.
Geipel sieht in der Neuregelung einen Rückschritt: „Wir dachten, es wäre
grundsätzlich verstanden worden, dass Sprache der Schlüssel zur Integration
ist. Das Gefühl haben wir gar nicht mehr.“
## Bund will sparen
Das Bundesinnenministerium (BMI) schreibt auf taz-Anfrage: „Je nach
Nachfrage und Bedarf vor Ort kann durch Träger beispielsweise ein
allgemeiner Integrationskurs ausschließlich oder überwiegend mit Frauen,
Elternteilen oder jungen Erwachsenen besetzt werden.“ Doch die Träger
können das in der Praxis kaum leisten. Sie müssen, um auf ihre Kosten zu
kommen, dafür sorgen, dass jeder Platz besetzt ist. Fallen Teilnehmerinnen
aus, muss in Zweifel nachrücken, wer gerade auf der Liste steht. Reine
Frauenkurse können sie so zumindest nicht garantieren.
Sparen will der Bund durch die Neuordnung 758 Millionen Euro in fünf
Jahren. Davon sollen allein 479 Millionen durch die Streichung der
Wiederholer-Kurse zusammenkommen, 126 Millionen soll das Ende der Kurse für
Frauen, Eltern und Jugendliche einsparen. Weitere 153 Millionen sollen
andere Posten bringen, wie die fast völlige Streichung von Fahrtkosten zu
den Kursen oder wegfallende Verwaltungskosten, weil Anträge – etwa für die
Wiederholerkurse – nicht mehr bearbeitet werden müssen.
Wegen des Starts im Mai sollen im kommenden Jahr nur 87 Millionen gespart
werden. Da der Etatansatz der Ampel-Koalition Kürzungen von gut einer
Milliarde auf 500 Millionen Euro vorsah, bleibt also eine erhebliche
Deckungslücke. Wenn die [8][kommende Bundesregierung] die Kürzungen nicht
zurücknimmt, drohen deswegen weitere Kurs-Streichungen. Es sei denn, es
kämen sehr viel weniger Menschen nach Deutschland.
18 Jan 2025
## LINKS
[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/11/kabinett-i…
[2] /Scheitern-der-Ampelkoalition/!6047493
[3] /Fehlender-Haushalt-fuer-2025/!6054496
[4] /Care-Arbeit/!t5692935
[5] /Diskriminierung-von-Frauen-in-Elternzeit/!6052067
[6] /Angebot-fuer-Gefluechtete-in-Berlin/!6011031
[7] /Empowerment/!t5453671
[8] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2025/!t5007549
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
Haushalt
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Das Milliardenloch
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