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# taz.de -- Reportage aus Syrien: Peinlicher Glaubwürdigkeitsverlust für CNN
> Vor laufender Kamera befreite der US-Sender CNN einen Gefangenen in
> Syrien. Doch der log über seine Identität, er soll Geheimdienstler sein.
Bild: Clarissa Ward und ein eben Befreiter, Screenshot aus einem Video, dass CN…
Hätte sie misstrauischer sein müssen? Hätte auch Clarissa Ward, 44, die
internationale Chefkorrespondentin beim [1][US-Kabelsender CNN], sofort
auffallen müssen, dass ein angeblich seit drei Monaten allein in einer
dunklen Zelle in Syrien eingekerkerter Mann womöglich weder so ordentlich
geschnittene Fingernägel haben könnte noch so einfach ins Tageslicht
blicken kann?
Ward, dieser Tage mit Kamerateam in Syrien unterwegs, veröffentlichte in
der vergangenen Woche einen Bericht aus einem der ehemaligen Gefängnisse
der [2][gestürzten Diktatur Baschar al-Assads]. Auf der Suche nach Spuren
des seit 2012 in Syrien verschwundenen US-amerikanischen Journalisten
Austin Tice war sie mit einem Kämpfer der siegreichen [3][HTS-Milizen]
unterwegs in dem schon vor Tagen befreiten Gefängnis, als das Team auf eine
letzte noch verschlossene Zelle traf.
Der Kämpfer schießt das Schloss auf, drinnen liegt eine Decke, unter der
ein Mann hervorkommt, der behauptet, er sei ein Zivilist aus Homs, sei seit
drei Monaten in verschiedenen Gefängnissen der Diktatur eingesperrt gewesen
und habe vom Sturz Assads nichts mitbekommen. Er klammert sich mit beiden
Händen an Ward, küsst den Kämpfer und gibt seinen Namen an. Das Team
übergibt ihn an den Roten Halbmond, der ihn kurz darauf zu seiner Familie
bringt.
So weit die Geschichte, wie sie CNN am 13. Dezember veröffentlichte. Aber
an der Identität des Mannes stimmt nichts. Der angegebene Name ist falsch,
wie alsbald die [4][syrische Menschenrechtsorganisation Verify-Sy
publizierte]. Statt wie behauptet Adel Gharbal heißt der Mann laut deren
Angaben in Wirklichkeit Salama Mohammad Salama, in Homs auch bekannt als
Abu Hamza, war Offizier des Geheimdienstes der Luftwaffe und in Homs
berüchtigt sowohl für Korruption als auch für Misshandlung und Tötung von
Zivilist*innen. Er sei tatsächlich rund einen Monat vor dem Zusammentreffen
mit dem CNN-Team inhaftiert worden aufgrund eines Streits mit einem
Vorgesetzten über die Aufteilung erpresster Gelder. Die Organisation
veröffentlicht auch ein Foto, das ihn in voller Militäruniform hinter einem
Schreibtisch zeigt. Tage später bestätigt CNN, Identifikationssoftware
ergebe eine 99-prozentige Übereinstimmung des Mannes auf dem Foto mit dem
aus dem Gefängnis.
## Einer Inszenierung aufgesessen
So richtig Sinn ergibt die Geschichte nicht. Warum ist Abu Hamza allein in
dem Gefängnis, Tage nach dessen Befreiung? Warum diese Show für CNN?
Für die vielfach preisgekrönte Clarissa Ward, die das Video auf ihren
Social-Media-Kanälen mit der Bemerkung verbreitete, der Befreiung dieses
Mannes beizuwohnen sei einer der bewegendsten Momente ihrer gesamten
journalistischen Laufbahn gewesen, ist das alles unglaublich peinlich. Sie
ist einer Inszenierung aufgesessen, deren Hintergründe noch immer unklar
sind. Hätte sie anders handeln können? Hätte sie die Chance gehabt, vor Ort
die wahre Identität des Mannes herauszufinden? Hätte die Redaktion von CNN
warten müssen, bis die Fakten sicher geklärt sind?
Solche Geschichten hatte es doch zuvor zuhauf [5][aus den befreiten
syrischen Gefängnissen] gegeben – da galt es jetzt wohl, das Reporterglück
beim Schopf zu packen und die menschlich so bewegende Geschichte schnell zu
veröffentlichen. Falschinformation? Ja. Bewusste Desinformation? Eher
nicht. Riesiger Glaubwürdigkeitsschaden? Auf jeden Fall.
19 Dec 2024
## LINKS
[1] /CNN/!t5026268
[2] /Syrischer-Journalist-ueber-Assads-Sturz/!6052183
[3] /Die-HTS-in-Syrien/!6049870
[4] https://verify-sy.com/en/details/10562/Did-CNN-Fabricate-the-Story-of--Free…
[5] /Foltergefaengnisse-in-Syrien/!6054374
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
Fake News
Schwerpunkt Syrien
Gefängnis
GNS
CNN
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Syrien
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