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# taz.de -- Rollenspiel „Dungeons and Dragons“: Mit Drachen gegen den Kapit…
> Im Kapitalismus ist Spielen ab 14 Jahren nicht mehr sinnvoll: Wer spielt,
> der arbeitet nicht. Unsere Kolumnistin hat das Spielen wieder gelernt.
Bild: In der Regel auch mit minimalistischem Equipment spielbar: Dungeons and D…
Stolz hält uns Marcel eine Legofigur in Rüstung hin: „Ich bin ein Halbling,
und zwar so ein richtiger Schrank“, sagt er, „und ich liebe Kochen. Statt
Schwert schleppe ich eine Bratpfanne auf meinem Rücken herum.“ Ani beißt
kichernd in einen Waffelkeks, Marie nickt begeistert. Über eine Box läuft
leise [1][„Herr der Ringe“]-Musik.
Es ist ein Nachmittag im Dezember und wir sitzen um Maries Esstisch herum.
Seit fünf Jahren spielen wir [2][Dungeons & Dragons (DnD)]. 2025 starten
wir mit einem neuen Abenteuer. Heute besprechen wir unsere Charaktere
dafür. DnD ist ein Pen-&-Paper-Spiel: Man braucht Stift, Papier, einen
Radiergummi und Würfel. Höchstens noch eine Legofigur zur
Veranschaulichung. Das meiste passiert aber im Kopf.
Marie ist unsere Dungeon Masterin. Sie denkt sich die Geschichten aus. Wir
anderen Fünf überlegen uns Charaktere, mit denen wir darin Monster
besiegen, Dörfer erkunden oder Schatztruhen aufknacken wollen.
Als Kind habe ich Rollenspiele geliebt. In der Grundschule sind meine beste
Freundin und ich auf imaginären Pferden oder Drachen geritten. Der Weg zur
Sporthalle war unser Wald, der rote Platz die Wüste, der Trampelpfad am
Haupteingang eine steile Klippe am Abgrund.
## Spielbedürfnis hat keinen Platz
Als arbeitsfähig gilt man in Deutschland ab 14 Jahren. Spielen ist bis
dahin aus kapitalistischer Sicht sinnvoll, weil man immerhin effizient
lernt. Danach nicht mehr, denn wer spielt, arbeitet nicht. Und wer weder
arbeitet noch zur Oberschicht gehört, ist im Kapitalismus wertlos. Kinder
und alles, was sie tun, werden in einer solchen Gesellschaft abgewertet.
Als Teenager war es plötzlich überhaupt nicht mehr cool, über den Schulhof
zu galoppieren. Und das blieb so. Wenn ich heute wiehernd durch die
taz-Redaktion traben würde, käme das bei den Kolleg:innen nicht so gut
an.
Erst mit Anfang 20 ermöglichte mir meine DnD-Guppe wieder, in eine Rolle zu
schlüpfen. Bei DnD kann man mit Tieren sprechen, zottelige Riesenmäuse
herbeizaubern oder nachts schreiend um ein Lagerfeuer tanzen. DnD setzt der
Fantasie keine Grenzen, sondern gibt ihr durch Spielregeln einen Rahmen. So
wird sie als Spiel gemeinsam erlebbar.
Anfangs fiel es mir schwer, mich auf das Rollenspiel einzulassen. Ich hatte
verinnerlicht, dass mein [3][Spielbedürfnis keinen Platz in der
„erwachsenen“ Gesellschaft] hat und ich mich dafür schämen muss. Das zu
überwinden dauerte Jahre.
An diesem Nachmittag lässt Marie unsere brandneuen Charaktere nacheinander
in einer Höhle aufwachen, ohne Erinnerung, wie wir dorthin gekommen sind.
Während wir am Esstisch sitzend Kekse naschen, beschreibe ich den anderen,
wie mein Charakter aufwacht. Mein schneidiger Barde flext gerade seine
Armmuskeln, als uns ein fliegender Teppich angreift. Mit Schwertern und
Fäusten dreschen wir auf ihn ein, bis Marcels Halbling-Schrank ihn
schließlich entzwei reißt. Nach dem Kampf sind alle Kekse aufgegessen. Wir
verlassen Maries Zuhause am Abend aufgeregt und vorfreudig auf die
kommenden Abenteuer.
29 Dec 2024
## LINKS
[1] /Neue-Herr-der-Ringe-Serie-auf-Amazon/!5875241
[2] https://www.nytimes.com/2024/05/17/theater/dungeons-dragons-review.html
[3] /Erwachsene-auf-Hobbysuche/!5933416
## AUTOREN
Alexandra Hilpert
## TAGS
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Kapitalismuskritik
Fantasy
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Rollenspiele
Schwerpunkt Rassismus
Rollenspiele
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