# taz.de -- Autonome und Ditib-Moschee in Wuppertal: „Nachbarn kannste dir eh… | |
> Auf dem Gelände eines autonomen Zentrums soll eine neue Moschee | |
> entstehen. Unklar ist, ob die Autonomen bleiben können – oder was die | |
> Alternative wäre. | |
Bild: Will sich vergrößern – auf der gegenüberliegenden Straßenseite: Die… | |
Wuppertal taz | Vom Balkon des Autonomen Zentrums (AZ) in | |
Wuppertal-Elberfeld ist der Ort, um den sie in der Stadt im Bergischen seit | |
inzwischen mehr als zehn Jahren streiten, gut zu überblicken. Da sind die | |
blinkenden Werbelichter einer TÜV-Prüfstelle, schotterne Parkplätze und | |
darauf Autos in mehr oder weniger tüchtigem Zustand. „Nachbarn kannste dir | |
eh nicht aussuchen“, sagt Melissa vom AZ, die eigentlich anders heißt. „Ob | |
hier nun dieser Schrottplatz ist oder eine Moschee, ist uns ziemlich egal.“ | |
Auf dem Gelände, auf das Melissa schaut, soll eine Moschee gebaut werden. | |
Das zumindest wollen der Rat der Stadt Wuppertal und die Ditib-Gemeinde des | |
Stadtteils Elberfeld. 2009 entstand die Idee eines Neubaus, weil die | |
Gemeinde, die gegenüber dem Gelände bereits in einer kleineren Moschee | |
sitzt, sich vergrößern wollte. Politisch kam 2013 Bewegung in die Sache, | |
als der Rat einen Bebauungsplan beschloss. | |
Das ist inzwischen knapp zwölf Jahre her. Und noch immer ist kein Bagger | |
gerollt. Die Diskussion aber, die wird seitdem immer wieder hitzig geführt. | |
[1][Denn noch immer ist nicht klar, ob Moschee und Autonomes Zentrum | |
Nachbarn werden, oder ob das AZ weichen muss – und wenn ja, wohin.] | |
Die Pläne für den Neubau liegen bereit. Eine 3D-Animation der Gemeinde | |
zeigt, wie es einmal aussehen könnte auf dem Gelände an der Gathe, einer | |
Einfallstraße im Stadtzentrum. Das runde Moscheedach, das in die Luft | |
ragende Minarett und drumherum Treppen, Bäume, Bänke. In zwei weiteren noch | |
zu bauenden Gebäuden auf dem 6.000 Quadratmeter großen Gelände will die | |
Ditib-Gemeinde Wohnungen für Senioren und Studierende sowie einen | |
Kindergarten und ein paar Geschäfte unterbringen. | |
## Das Autonome Zentrum will bleiben | |
Ein Gebäude ist nicht auf den Plänen zu sehen: Das Autonome Zentrum ganz am | |
Rande des Geländes. Das fast 150 Jahre alte Haus gehört der Stadt, die | |
Autonomen sind dort seit rund 25 Jahren als Mieter zu Hause. | |
Das AZ will bleiben, das steht fest. Die Autonomen sehen sich als sozialen | |
und kulturellen Treffpunkt in der Gegend. In dem dreistöckigen Haus, dessen | |
Wände von innen statt Tapete Aufkleber abdecken, finden Konzerte statt, | |
können Bands proben, Menschen ihre Zeit ver- und Sport betreiben. | |
„Scheiße wütend“ seien sie, sagt Tim vom AZ, der wie Melissa anders heiß… | |
Wütend darauf, dass eine Ditib-Gemeinde aus ihrer Sicht eine stärkere Lobby | |
in der Stadt habe als sie. Moscheefeinde seien sie aber nicht, heißt es vom | |
AZ immer wieder. Das ist ihnen wichtig, dass sie Ditib lediglich | |
strukturell kritisieren, nicht ihre Religion. Auch für die Menschen, die | |
die Moschee besuchen, haben sie Verständnis. | |
Auch andere Kritiker des Projekts fragen immer wieder nach, wie nah der | |
Ditib-Verein in Elberfeld den [2][nationalistischen Gedanken des türkischen | |
Präsidenten Recep Tayyip Erdoğans und seiner Religionsbehörde Diyanet ist]. | |
Gleichzeitig spielt immer die Frage mit, wie man sich gegen eine Moschee | |
aussprechen könne, ohne dabei den Rechten Räume zu eröffnen. Auch die Idee, | |
ob sich Krachmusik und Hansapils mit Mittagsgebet und Çay in direkter | |
Nachbarschaft nicht doch miteinander vereinbaren lassen, steht bis heute im | |
Raum. | |
## Handzeichen der Grauen Wölfe | |
Die Ditib lehnt diese Idee seit Beginn ab: Eine Moschee sei immerhin ein | |
„Ort der Ruhe“. Melissa vom AZ zeigt zur Antwort auf diesen indirekten | |
Krawall-Vorwurf in Richtung der Fenster am Zentrum: Alle noch intakt. Auch | |
die Polizei sei schon eine ganze Weile nicht mehr wegen Ruhestörung | |
vorbeigekommen. Und sowieso: Die Autonomen und die Ditib-Gemeinde lebten | |
doch schon seit Jahren als Nachbarn, bloß durch die fünfspurige Gathe | |
voneinander getrennt. | |
Ob und wann eine Entscheidung kommt, steht dabei nach über zehn Jahren | |
immer noch nicht fest. Im März 2023 verabschiedete der Stadtrat einen | |
Zielbeschluss, dass der Neubau der Moschee nun wirklich durchgezogen werden | |
solle. Rechtlich bindend war der aber nicht. Und einen abschließenden | |
Satzungsbeschluss gibt es bis heute nicht. | |
Ende November dann sorgte die Ditib-Gemeinde selbst wieder durch ein | |
Facebook-Posting für neue Diskussionen. Ein Foto zeigte Kinder der | |
Gemeinde, von denen einige den Wolfsgruß zeigen – das Handzeichen der | |
nationalistischen und extremistischen Grauen Wölfe. | |
Die FDP forderte darauf, das Projekt zu stoppen. „Man stelle sich vor, in | |
der katholischen Kirche würde der Hitlergruß gezeigt“, sagte ein Sprecher | |
der Partei. Im Rat hat sie allerdings nur sechs der 80 Sitze. Die | |
Moscheegemeinde selbst schrieb in einer Mitteilung zu dem Vorfall bloß, | |
dass sie jede Form von Extremismus und Intoleranz ablehne, ganz egal ob | |
rechtsextrem oder religiös. Auf weiterführende Fragen der taz, zu diesem | |
Fall und dem Neubau insgesamt, antwortete die Gemeinde nicht. | |
## Argumente für und wider | |
Auch andere sehen den Facebook-Beitrag kritisch. Die SPD hält auf Anfrage | |
fest, dass in Folge der Veröffentlichung der Bilder „die Diskussion an | |
Intensität zugenommen“ habe. Die Grünen, die auch den Oberbürgermeister | |
stellen, schreiben: „Das darf nicht vorkommen.“ Die CDU, mit zwanzig Sitzen | |
die zweitgrößte Ratsfraktion, ließ eine entsprechende Anfrage der taz | |
unbeantwortet. | |
Auf die Kritik lassen sowohl SPD wie auch Grüne aber auch eine Reihe von | |
Argumenten für den Bau folgen. Erstens habe die Gemeinde ein Recht darauf, | |
[3][ihren Glauben in funktionalen Räumen auszuüben]. Und diese Räume | |
sollten in einem Neubau sein, das habe der Stadtrat nun einmal mehrheitlich | |
beschlossen. Allein die Linke und die AfD sowie ein paar vereinzelte | |
Ratsmitglieder anderer Fraktionen sind dagegen. | |
Zweitens stehe die Finanzierung des Projekts, zumindest ein Plan dafür. Die | |
rund 30 Millionen Euro teilen sich auf die Moschee auf, die die Gemeinde | |
unter anderem mit Spenden stemmen will, und den Kindergarten sowie die | |
Wohnungen, die mit Geld von Investoren bezahlt werden sollen. | |
Außerdem gebe es einen Dialogbeirat, der eingesetzt wurde, um den Prozess | |
rund um den Neubau kritisch und transparent zu begleiten. In dem Beirat | |
sitzen Ratsmitglieder, die Ditib-Gemeinde, der Moscheeverband, die | |
evangelische und katholische Kirche sowie stadtgesellschaftlich engagierte | |
Institutionen. Eine Machbarkeitsstudie für das Bauprojekt aus 2021 kam | |
außerdem zu dem Ergebnis „machbar“. | |
## Suche nach einem neuen Ort | |
Das AZ muss derweil seinen Unterstützern seit Jahren erklären, dass es | |
dieses Mal wirklich ernst wird mit dem Kampf um sein Fortbestehen. Sie | |
würden es in Kauf nehmen, dass ihr Haus am Rande des Geländes stehen bliebe | |
und die Moschee direkt daneben gebaut würde, sagt Melissa. „Kritisieren | |
würden wir Ditib aber natürlich weiterhin.“ | |
Dass für die Autonomen ein neues Zuhause gefunden werden soll, hatten | |
einige Parteien zur Bedingung für den Moschee-Bau gemacht. Es steht sogar | |
in dem Zielpapier aus 2023. Die SPD stellt nüchtern fest, dass „die Inhalte | |
dieses Beschlusses nicht umgesetzt“ sind. Einige Versuche, ein passendes | |
Gebäude zu finden, hat es schon gegeben. Doch machen Themen wie Lärmschutz | |
und die Ablehnung von Eigentümern Probleme. Auch deswegen hängen die | |
Autonomen so sehr an dem jetzigen Gebäude. | |
In der entsprechenden Drucksache VO/1685/23 steht außerdem auf Seite fünf, | |
dass für einen bindenden Zielbeschluss zum Bau der Moschee der Zeitraum | |
2024/25 vorgesehen ist. Ist das also die Antwort auf die Frage, wann es | |
eine Entscheidung für das Grundstück zwischen Markomannen- und Ludwigstraße | |
gibt? | |
Nein. Die SPD-Fraktion schreibt dazu, die Einhaltung des Zeitplans | |
erscheine „zweifelhaft“. Und auch die Stadt selbst gibt zu, dass es noch | |
keinen Termin gibt, an dem der Rat einen endgültigen Beschluss fasst. | |
Es wird also noch eine Weile dauern, noch eine Menge diskutiert werden, bis | |
sich entscheidet, was an der Gathe in Wuppertal Elberfeld passiert. Beim AZ | |
zumindest schauen sie nach vorne. Einige Konzerte für das neue Jahr haben | |
sie schon gebucht. | |
30 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Adrian Breitling | |
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