| # taz.de -- Kulturpolitik der neuen Rechten: Braucht es einen Gegenkanon? | |
| > Über neurechte Kulturpolitik und die Rolle der Literatur diskutierte man | |
| > in Berlin. Die Frage war, was Bücher angesichts der Lage leisten können. | |
| Bild: „Protestiert, protestiert, protestiert!“, fordert die Autorin Iwona N… | |
| Die Rechten zitieren Klassiker, damit fängt es vielleicht an. Sie erhalten | |
| Verlagsrechte und Intendanzen, Parlamentssitze und schließlich | |
| Regierungsmandate. Die Kulturförderung wurde schon davor auf einen | |
| bürgerlichen Anstandsrest zusammengekürzt und die Hürden für freischaffende | |
| Künstler*innen erhöht, sodass der blanken Macht, die zensiert und | |
| verfolgt, nur noch ein fragiles Überbleibsel dessen im Wege steht, was | |
| einmal eine freie Kulturszene war. | |
| So könnten sie vielleicht lauten, die Landmarken des Weges, auf dem die | |
| kulturelle Infrastruktur eines Landes durch rechte Politik zerstört wird. | |
| Wie sich der Kulturbetrieb davor schützen kann, darüber diskutierten am | |
| Freitag im Literarischen Colloquium Berlin sechs Autor*innen zum | |
| Abschluss eines Projekttages zu neurechter Kulturpolitik und der Rolle der | |
| Literatur darin. | |
| Dass autoritäre Politiker*innen auch im Kulturbereich bestimmte | |
| Strategien der schrittweisen inneren Zersetzung verfolgen, das zeigen die | |
| Erfahrungsberichte des ersten von zwei Podien des Abends. Was der Dramaturg | |
| Mário Drgoňa [1][in der Slowakei erlebt,] seien Anfänge dessen, was in | |
| Ungarn den Autor Mátyás Dunajcsik bereits dazu bewogen habe, das Land zu | |
| verlassen. | |
| Und auch in Polen waren es ähnliche Einschnitte, mit denen die | |
| PiS-Regierung die Kulturszene unterdrückt habe und die die Autorin Iwona | |
| Nowacka und ihre Kolleg*innen nun mühsam zu überwinden versuchen. Die | |
| drei Künstler*innen erzählen etwa von Auflagen für den Verkauf von | |
| queerer Literatur, von politisch motivierten Programm- und | |
| Personalentscheidungen an Theatern bis hin zu direkten Eingriffen in die | |
| Texte vor ihrer Veröffentlichung. | |
| Als wichtigstes Instrument rechter Politik heben die drei Gäste jedoch die | |
| Einsparungen im Kulturbetrieb hervor. „Es reicht, keine Gelder mehr zu | |
| vergeben oder auch nur die Sorge vor Kürzungen zu verbreiten. Man wird sich | |
| schon selbst zensieren“, sagt Nowacka. Und Dunajcsik ergänzt: „Kapitalismus | |
| gibt dem Faschismus die Hand.“ | |
| ## Angesichts aktueller Bedrohungen | |
| Er betont, wie wichtig staatliche Förderprogramme seien, auch deshalb, weil | |
| Politiker*innen mit Expertise so darüber entscheiden könnten, was | |
| gefördert werden soll. Eine Aussage, die von einem Punk mit Anarcho-Patch | |
| auf der Jacke überrascht. | |
| Von den konkreten Szenarien aus geht der zweite Teil des Abends in eine | |
| Selbstbefragung über. Was kann Literatur angesichts der Bedrohung überhaupt | |
| leisten? Der Autor und Historiker Per Leo argumentiert, dass es gar nicht | |
| möglich sei, Literatur so zu schreiben, dass sie nicht von rechten | |
| Akteur*innen vereinnahmt oder umgedeutet werden kann. Schriftsteller | |
| [2][Necati Öziri] kontert mit dem Auftrag eines Gegenkanons, also „so zu | |
| schreiben, dass die Nazis es verboten hätten“. Es gehe darum, | |
| Zeug*innenschaft abzulegen über das, was passiert. | |
| An Utopien, wie sie Moderatorin Linn Penelope Rieger zu schreiben | |
| vorschlägt, glaubt die dritte Panelistin, [3][Autorin Paula Fürstenberg,] | |
| weniger. Sie sehe die Literatur nicht so sehr als den Ort eines | |
| Gegenentwurfs, sondern als ein Medium, um Menschen zu erreichen, die sich | |
| dann außerhalb der Kunst engagieren könnten. Wogegen genau, wo und wie | |
| rechte Kulturpolitik schon jetzt zu erkennen ist, das fällt jedoch hinter | |
| dem Abstraktionsniveau des Gesprächs zurück. | |
| Dass das Kulturpublikum eine Bedrohung grundsätzlich erkannt hat, ist | |
| dennoch deutlich zu spüren. So erntete ein Aufruf von Iwona Nowacka | |
| kräftigen Applaus: „Protestiert, protestiert, protestiert! Besonders dann, | |
| wenn es alles schon entschieden scheint.“ Er ist auch als Mahnung zu | |
| verstehen, sich mit dem Gewand des Autoritarismus in der Gegenwart | |
| auseinanderzusetzen. Dass man darüber überhaupt im Futur II sprechen kann – | |
| was man einmal getan haben wollen wird -, ist schließlich das Privileg | |
| einer Zeit, in der doch noch nicht alles entschieden ist. | |
| 10 Dec 2024 | |
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| Jette Wiese | |
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