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# taz.de -- Welt-Biodiversitätsrat: „Mit dem Rücken zur Wand, aber es gibt …
> Klimawandel oder Wasserknappheit werden oft getrennt voneinander
> betrachtet. Der Nexus-Report untersucht erstmals die Verbindungen der
> einzelnen Krisen – und zeigt, welche Maßnahmen helfen.
Bild: Robbins, Kalifornien, Februar 2022: der Wissenschaftler Jordan Colby unte…
Berlin taz | Rund 58 Billionen US-Dollar, rund die Hälfte des globalen
Sozialprodukts pro Jahr, sind mäßig bis stark von Leistungen der Natur
abhängig. Das stellen die Wissenschaftler des Welt-Biodiversitätsrates
(IPBES) in ihrem „Nexus-Bericht“ fest, den sie am Montagabend in Namibias
Hauptstadt Windhoek gemeinsam mit den Regierungsdelegationen von 150
Ländern beschlossen haben.
Der Name Nexus – aus dem Lateinischen für Verknüpfung oder Zusammenhang –
verweist auf einen neuen Ansatz des wissenschaftlichen Gremiums. In seinem
Bericht schaut es nicht isoliert auf sein Kerngebiet, den Verlust der
Biodiversität, sondern verknüpft ihn mit den Elementen Wasserverfügbarkeit
und -qualität, Ernährungssicherheit, Gesundheit und Klimawandel.
In den 59 Seiten stecken drei Jahre Arbeit von 165 Experten aus 57 Ländern.
„Diesen Bericht können sich Entscheidungsträger nun zu eigen machen“, sagt
Ralf Seppelt, Leiter des Departments Landschaftsökologie am Leipziger
Umweltforschungszentrum UFZ und Co-Autor des neuen Berichts.
Die Elemente des Nexus-Berichts seien auf vielschichtige Weise miteinander
verbunden und müssten gemeinsam gedacht und angegangen werden, fordert der
Bericht.
## Positivbeispiel: das Schulessen in Paris
Als Beispiel für eine sinnvolle Maßnahme, die diesem Vorgehen entspricht,
führt er den Beschluss des Pariser Stadtrats von 2022 an, innerhalb von
fünf Jahren in städtischen Kantinen und Mensen nur noch nachhaltiges Essen
anzubieten. Die Stadt Paris und der Wasserversorger „Eau de Paris“ haben
dazu laut Bericht 47 Millionen Euro bereitgestellt, um Landwirte der Region
dabei zu unterstützen, auf biologische Landwirtschaft umzustellen.
Dieser gesamtheitliche Ansatz spreche alle Elemente an, so Seppel. Die
Idee: Wird in Kantinen, Schulen und Kindergärten vor allem
pflanzenbasierte, frische Kost angeboten, steigert das die Gesundheit der
Bevölkerung. Kurze Transportwege vermindern Treibhausgas-Emissionen;
biologisch wirtschaftende Landwirte fördern die Artenvielfalt und schützen
den Wasserhaushalt vor Ort, weil weniger Düngemittel und Spritzmittel in
Böden und Gewässer gelangen.
Ein anderes Beispiel: In Kalifornien – einem großen Reisanbaugebiet –
brennen die Reisfarmer abgeerntete Felder nicht mehr ab, wie es lange
üblich war. Stattdessen setzen sie die Flächen im Winter unter Wasser und
beseitigen damit die übrig gebliebene Biomasse. Es entstehen nicht nur
Lebensräume für Wasserorganismen und Insekten, sondern auch für Lachse, ein
wichtiges Lebensmittel für indigene Gemeinschaften vor Ort. Zudem
verringert die Flutungsmethode den Ausstoß von klimaschädlichem Methan.
## 70 Maßnahmen als Empfehlung
Insgesamt nennt der Bericht 70 unterschiedliche Maßnahmen, die gut für die
Nexus-Elemente seien. „Wir stehen zwar mit dem Rücken zur Wand“, sagt
Seppelt, „aber wir haben Möglichkeiten, die Probleme zu lösen.“
Wichtig ist den Wissenschaftlern, [1][dass es nicht nur abstrakt um den
Erhalt von Lebensgrundlagen geht, sondern um den von Wertschöpfung]. Der
Wert von Bestäuberleistungen von Insekten, von Bodenfruchtbarkeit, von
natürlicher Schädlingskontrolle, funktionierenden Waldsystemen, die
resilient gegen Stürme sind und Klima sowie Wasserhaushalt regulieren
können, sind in dem Bericht beziffert worden.
Ganz neu sind die Zusammenhänge, die der Bericht darlegt, der
Öffentlichkeit nicht – bislang haben sie aber nicht zu einer politischen
Umkehr geführt. Mut macht den Wissenschaftlern, dass ihr Bericht in
Windhoek von den Regierungsvertretern mit beschlossen wurde.
Anders als auf den großen UN-Konferenzen zur Biodiversität im
kolumbianischen Cali und zum Klima in Baku in Aserbaidschan dieses Jahr sei
das Plenum in Namibia mit einem konkreten Ergebnis zu Ende gegangen, sagt
UFZ-Forscher Yves Zinngrebe, Co-Autor eines zweiten Berichts des
IPBES-Treffens, in dem es um transformativen Wandel geht. Er fordert
tiefgreifende Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, um den
weltweiten Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und umzukehren.
Dies sei notwendig, um eine nachhaltige und gerechte Zukunft zu
ermöglichen. „Der Bericht fordert explizit einen sozial-ökologischen Fokus
auf Transformation“, sagt Marion Mehring, Leiterin der Forschungsfelds
Biodiversität und Gesellschaft am Institut für sozial-ökologische Forschung
(ISOE).
Das sei wichtig für Entscheidungsträger:innen, denn es heiße, Naturschutz
anders zu denken. „Vorgeschlagen wird ein Naturschutz, der nicht nur in
Schutzräumen stattfindet“, so Mehring, „das macht schon deshalb Sinn, weil
wir aus der Vergangenheit gelernt haben, dass Naturschutzgebiete nicht
immer ein Garant für Biodiversität sind.“ Nicht ausreichend beleuchte der
Bericht des IPBES die Bedeutung von transformativem Wissen, also dem
Wissen, das es letztlich braucht, damit Transformationen gelingen.
„Da geht es um Metafragen, aber diese sind wichtig: Wie gehen wir zum
Beispiel mit Unsicherheiten, Nicht-Wissen und umstrittenem Wissen um“,
fragt Mehring. Zinngrebe fordert, aus der Sackgasse des
UN-Biodiversitätsabkommen herauszukommen – es enthalte sinnvolle, große
Ziele, nähere aber sich nicht der Umsetzung. „Unseren neuen Bericht haben
wir nicht gemacht, um eine weitere wissenschaftliche Publikation
herauszugeben, sondern wollen das in politisches Handeln übersetzen“, so
Zinngrebe.
19 Dec 2024
## LINKS
[1] /Bericht-des-Biodiversitaetsrats/!5864109
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Artensterben
Weltbiodiversitätsrat
Biodiversität
Natur
Wirtschaft
Naturschutz
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