Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Ein großer Segen für die Menschheit
> Fifa-Fantasie vom Feinsten: Jetzt spricht der Weltenlenker und
> Fußballherrscher Gianni Infantino endlich über sich, sich und sich.
Gianni Infantino hatte gewiss schon einmal besser geschlafen. Er hatte so
viele Hände geschüttelt, dass er einen leichten Muskelkater im Unterarm zu
spüren glaubte. Über die Welt zu herrschen, kann eben auch anstrengend
sein. Aber der virile Schweizer, der sich im Jahr 2016 den Fußball zum
Untertan gemacht hatte, versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Er
konnte sich auch nicht wirklich beschweren. Schlecht hatte er es ja nicht
getroffen in seinem Leben.
Überall auf der Welt kannte und liebte man ihn. Andere Staatenlenker
blickten zu ihm auf, suchten seine Nähe. Selbstverständlich war er der
Mittelpunkt des Abends bei der feierlichen Wiedereröffnung der Kathedrale
Notre-Dame in Paris. Alle wollten sie ein Selfie mit dem Präsidenten des
Internationalen Fußballverbands schießen.
Sein lieber Freund, his brother Donald Trump genauso wie Giorgia Meloni, la
sua cara fidanzata, seine liebe Freundin. Alle suchten sie seine Nähe. Kein
Wunder, denn er, Gianni Infantino, war im Besitz des wertvollsten Guts, das
es auf dieser Welt gab, der Fußballweltmeisterschaft.
Gemütlich hatte er es da oben in seinem Penthouse in Zug. Nach dem
Aufstehen setzte er sich in seinen Salon und machte sich Gedanken über die
abgelaufene Woche, während ein Fifa-Mitarbeiter eine neue Politur auf
seinen haarlosen Schädel auftrug, auf dass er weiter strahle, so wie es die
Welt von ihm gewohnt war. Und einmal mehr wunderte er sich über all die
Neider und Kritiker, die immer noch nicht verstehen wollten, welches
Geschenk er, Gianni Infantino, für den Fußball auf diesem Planeten war. Er
hatte dafür gesorgt, dass die Saudis die WM 2034 austragen dürfen.
Die zahlen wenigstens ordentlich dafür, sagte er sich, als er sich nach
vollendeter Schädelpflege an seinen Schreibtisch setzte und an seiner
Unterschrift feilte. War sie nicht schön? Begeistert von der Kraft seiner
stilsicheren Federführung zauberte er seinen Namen hundertfach auf das von
Fifa-Mitarbeitern für ihren Präsidenten exklusiv fußgeschöpfte Papier.
## Es war wie so oft, er war begeistert von sich
Gianni Infantino, welch schöner Name! Es war einfach eine fantastische Idee
von ihm, sein Signum auch auf dem neu geschaffenen Pokal der Klub-WM, der
im kommenden Sommer das erste Mal mit 32 Mannschaften und zu seinen Ehren
stattfinden würde, eingravieren zu lassen. Es war wie so oft, er war
begeistert von sich.
Schnell hatte er die Kritik an ihm verdaut, die ihm gestern beinahe ein
Sorgenfältchen auf sein sonst immer freundliches Gesicht gezeichnet hatte.
Auch er wusste, dass es nicht in Ordnung ist, einen missliebigen
Journalisten bei lebendigem Leib zu zerstückeln, um ihn besser in einem
Koffer unterbringen zu können. Aber was hatte das mit Fußball, mit der
Fifa, mit ihm zu tun?
Er, Gianni Infantino, hatte weiß Gott viele Kritiker. Aber nie würde er auf
die Idee kommen, etwa den Journalisten zerteilen zu lassen, der enthüllt
hatte, dass die Fifa die Kosten für die Privatschule bezahlt, die seine
Tochter in Miami besuchte. Und auch wenn es dieser Schmierfink sehr wohl
verdient hätte, nach dem Häckseln dem Dünger beigemischt zu werden, mit dem
die besten Fußballrasen der Welt gepflegt wurden, nie würde er einen seiner
treuen Mitarbeiter anweisen, solches zu tun. Sein saudischer Freund
Mohammed bin-Salman mochte da anders denken. Aber so ist eben die Welt. Der
eine ist so, der andere anders und nur einer so wie er: Gianni Infantino
selbst.
Er verstand die Kritik ohnehin nicht. Wer sollte denn sonst das Schulgeld
für seine Tochter bezahlen? Er selbst etwa? Er musste lachen. Ein anderer
Vertreter der Journaille wollte einen Skandal darin sehen, dass die Fifa so
freundlich ist, die gut 8.000 Franken Miete, die jeden Monat für sein
Penthouse in Zug fällig wurden, zu übernehmen. Welch lächerlicher Betrag –
gerade für einen der in der Welt des Fußballs zu Hause ist!
Sein Freund Lionel Messi, jener hochbegabte Fußballer, dem er im Jahr 2022
den Weltmeistertitel zugeschanzt hatte, verdiente bei Inter Miami 32.000
Dollar am Tag – etwa viermal so viel, wie seine bescheidene Bude im Monat
kostete. Hätte nicht ein abgehalfterter Ampel-Politiker in Deutschland
diesen naheliegenden Ausdruck, dadurch dass er ihn verwendet hat, für die
Nachwelt unbrauchbar gemacht, er würde glatt fragen: Wo ist die Nachricht?
So blieb ihm nichts, als sich die Frage zu stellen, wie es sein konnte,
dass die Presse bisweilen jedes Maß verlor.
Manches hatte durchaus Narben bei ihm hinterlassen. Gelacht hatten sie über
ihn, als er vor der Eröffnung der Weltmeisterschaft in Katar gesagt hatte,
heute fühle er sich katarisch, arabisch, afrikanisch, schwul, behindert und
als Gastarbeiter. Dabei hatte er es doch nur gut gemeint.
Nur die Deutschen hatten ihn seinerzeit verstanden. Die deutsche
Innenministerin stellte sich sogar mit einer bunten Armbinde mit der
Aufschrift „One Love“ neben ihn auf die Tribüne. Sie mochte ihn. So wie ihn
die meisten mögen. Warum sollten sie auch nicht. Er, Gianni Infantino, war
das Geschenk des Fußballs an die Welt.
„Futbolli bashkon botën.“ Wenn Google sich nicht täuschte, war das die
Übersetzung von „Fußball vereint die Welt“ ins Albanische, jener Weisheit,
die zum Motto der Fifa geworden war. Nachdem er seine Schreibübungen
beendet hatte, machte Gianni Infantino sich an sein Tagwerk. Morgen für
Morgen prägte er sich jenen wunderbaren Satz in einer neuen Sprache ein.
Bald würde er sich damit wie einst Papst Johannes Paul II. beim
traditionellen Weihnachts- und Ostersegen in allen Sprachen des Planeten an
die weltumspannende Fußballgemeinde wenden, um sie zu segnen.
Und mit diesem einzigartigen Segen würde er dann eine Elf von Fifa-Legenden
mit einem Raumtransporter ins Weltall schicken, auf dass sie den
Fußballsport auch auf dem Mars populär machen. So hatte er es mit seinem
lieben Freund Elon Musk neulich in dieser Kathedrale in Paris besprochen.
Bald würde er das Erbe seines Amtsvorgängers Joseph „Sepp“ Blatter zur
Vollendung bringen, der einst die Vision von „interplanetarischen
Wettbewerben“ verfolgt hatte.
Für derartige Pläne aber war die Welt noch nicht reif. Gianni Infantino
würde es langsam angehen müssen, nicht dass man ihn am Ende noch für
größenwahnsinnig hielt. Der Fifa-Chef erhob sich von seinem Schreibtisch,
besah sich im Spiegel, sah, dass gut war, was er sah, formte mit den Händen
einen Kreis und sprach: „Fußball vereint die Welt.“ So von sich selbst
gesegnet konnte der neue Tag beginnen.
14 Dec 2024
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Fußball-WM
Die Wahrheit
Uefa
Gianni Infantino
Schwerpunkt Korruption
Gianni Infantino
Kolumne Die Wahrheit
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fifa-Chef Infantino und Donald Trump: Der Fanboy
Fifa-Chef Gianni Infantino sucht immer wieder die Nähe zu US-Präsident
Donald Trump. Wegen der vielen Termine mit ihm müssen andere warten.
Die Wahrheit: Aufgetankte Legende
Lebenslänglich Bayer: Was macht eigentlich der unvergessene Otto Wiesheu?
Der ehemalige Generalsekretär der CSU feierte jetzt seinen 80. Geburtstag.
Die Wahrheit: Lebenslänglich Bayer: Monaco di Baviera
Italienische Woche der Wahrheit: Weswegen gleich mehrere deutsche Städte
behaupten, die nördlichste Stadt Italiens zu sein. Ciao bella!
Die Wahrheit: Markus allein unterwegs
Der bayerische Ministerpräsident findet und findet keinen Ersatz für seinen
afghanischen Doppelgänger. Söder ist seitdem im Roadshow-Stress.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.