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# taz.de -- 100 Jahre Verkehrsampeln: Wider das gängelnde Rot
> Am 15. Dezember 1924 ging in Berlin die erste Ampel Deutschlands an. Für
> Fußgänger sind sie Ärgernis und Gefahr. Lobbyisten fordern daher ein
> Ampel-Aus.
Bild: Die erste Verkehrsampel vorbildhaft am Potsdamer Platz
Am 15. Dezember 1924, also vor hundert Jahren, ging am Potsdamer Platz die
erste Verkehrsampel Deutschlands in Betrieb. [1][Der Turm mit seinen fünf
Beinen] und der stattlichen Größe von acht Metern, dezent grün lackiert,
avancierte schnell zum neuen Wahrzeichen des modernen Berlins.
Heute stehen die rund 2.200 Lichtsignalanlagen der Hauptstadt vor allem
für die autozentrierte Verkehrspolitik der Vergangenheit.
Mobilitätswendeaktivist:innen haben der Ampel deshalb den Kampf
angesagt.
Wie kaum ein anderes Symbol steht sie eigentlich für Sicherheit im
Straßenverkehr. Wo einer der rot-gelb-grün leuchtenden Kästen aufgestellt
ist, bändigt er Autofahrer:innen und lässt Fußgänger:innen
gefahrenlos die Straße passieren. Natürlich nur, wenn alle sich an die
Regeln halten. Wer bei Rot geht, ist halt selber Schuld an seinem
verfrühten Ableben.
Dass die Verkehrslichter für Sicherheit sorgen, sei aber ein Mythos, sagt
Roland Stimpel vom Lobbyverband Fuss e. V.: „Die Aufgabe von Ampeln ist es,
den Verkehr von großen, schweren Fahrzeugen zu ermöglichen.“ Denn damit
Autos sich in höheren Geschwindigkeiten durch die Stadt bewegen können,
brauchen sie die Gewissheit, dass nicht unerwartet Fußgänger:innen oder
andere Fahrzeuge auf der Fahrbahn auftauchen.
Für Stadtbewohner:innen zu Fuß ist diese zwangsweise Unterbrechung
alltäglicher Wege höchst lästig. Im Gegensatz zu Autos benötigen sie keine
besondere Infrastruktur, um voranzukommen. Egal ob matschig, steinig oder
steil, wenn Menschen irgendwo zu Fuß hinlaufen wollen, gibt es wenig, was
sie davon abhält, auch keine Ampel.
## Ein Dilemma
„Ampeln erzeugen ein Dilemma“, sagt Stimpel. „Entweder man wartet lange
oder man riskiert einen Unfall.“ Besonders groß ist die Versuchung,
letztere Option zu wählen, wenn die Überquerung einer Kreuzung gleich zwei
oder gar vier Rotphasen benötigt. Bei vielen doppelspurigen Straßen in
Berlin müssen Fußgänger:innen nach wie vor einen Zwischenstopp auf der
Mittelinsel einlegen.
Dabei sieht das 2018 verabschiedete [2][Berliner Mobilitätsgesetz]
eigentlich vor, dass Berlins Ampeln fußgängerfreundlicher geschaltet
werden. Doch passiert ist bislang wenig, da jede Kreuzung aufwändig
umgebaut, umprogammiert und wiederum mit anderen Lichtsignalanlagen
abgestimmt werden muss.
Bei Ampel-Schaltungen gäbe es „Zielkonflikte“, erklärt eine Sprecherin der
Verkehrssenatsverwaltung der taz. Je länger die Grünphase, desto länger
auch die Rotphase und desto höher die Wahrscheinlichkeit, die Ampel nicht
zu beachten. Über jede Schaltung müsse einzeln entschieden und ein
Kompromiss gefunden werden.
Doch selbst wenn sich Fußgänger:innen an das Gebot der Ampeln halten und
vorbildhaft nur bei Grün gehen, droht Gefahr durch die blechernen
Maschinen. „[3][Das Hauptproblem sind die Abbieger]“, sagt Stimpel.
[4][Häufig würden Autofahrer:innen Passant:innen einfach
übersehen], wenn beide grün haben. „Ampeln bringen oft mehr Gefahr als
Sicherheit, sind verwirrend, ungerecht und stehlen vor allem Fußgängern
viel Zeit“, schlussfolgert Stimpel und plädiert dafür, so viele
Verkehrslichter wie möglich überflüssig zu machen.
Ein einfacher Schritt Richtung einer ampelfreien Innenstadt wäre
flächendeckende Tempo 30 einzuführen. Dann wäre das altbewährte
Rechts-vor-links zuverlässiger, flüssiger und sicherer. Doch der
[5][CDU-geführte Senat] hat dem schon im Koalitionsvertrag eine Abfuhr
erteilt. Er hält an Tempo 50 fest.
Das Ampel-Aus ist damit nicht zu machen.
15 Dec 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrsturm_am_Potsdamer_Platz
[2] https://www.berlin.de/sen/uvk/mobilitaet-und-verkehr/verkehrspolitik/mobili…
[3] /!5884442/
[4] /Radpolitik-in-Berlin/!5704141
[5] /Bundestagswahl-am-23-Februar/!6056240
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Wochenkommentar
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Fußgänger
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