Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ampelrepublik Deutschland: Das große Ampel-ABC
> Von Dauerrot und Peitschenampeln: Deutschland ist ein beampeltes Land.
> Die wichtigsten Begriffe der politischen Gegenwart – ein Glossar.
Bild: Verkehrsampel
Die Ampel prägt seit Dezember die Berliner Republik, also politisch. Auf
Bundesebene ist das neu. Im Straßenverkehr hingegen regieren Ampeln schon
lange. Die Menschen haben sich an die Wechselfarben gewöhnt und nehmen
Ampeln als Alltagsbegleitgerätschaft hin.
Dabei gibt es erhebliche Wissenslücken: Seit wann wollen Ampeln das
Verkehrs-Tohuwabohu bändigen? Warum explodierte das weltweit erste dieser
bunten Leuchtdinger und wo? Welche einfarbige Flutampel brachte es 2021 zu
Berühmtheit? Wo haben Fußgänger exklusives Balkengelb? In welchen Ländern
gibt es keine Ampel und wo gibt es eine Bompel? Und warum ist das Wort
Ampel ausgerechnet bei den zuständigen Straßenverkehrsbehörden unüblich?
Zudem: Was bedeuten all diese Ampelfakten für die junge Koalition?
Im nachfolgenden Glossar ist zu diesem Zweck bei besonders wichtigen
Ampelbegriffen der Politisch induzierte Analogiefaktor (kurz: PIAF)
angegeben. Er kann hoch, niedrig, offensichtlich oder auch gegensätzlich
sein.
## A
… wie Ampel an sich: Ungebräuchlich im Amtsdeutsch. Man spricht von
Lichtzeichenanlage, so auch die Straßenverkehrsordnung StVO, von
Lichtsignalanlage oder sogar von Wechsellichtzeichenanlage und
Verkehrslichtsignalanlage. Politisch induzierter Analogiefaktor (PIAF):
Durchaus! Die Ampel sendet immer neue Signale.
… wie Ampulla: Lateinischer Ursprung des Begriffs Ampel. Bedeutung: kleine
Flasche oder Ölfläschchen, später laut Brüder Grimm (Deutsches Wörterbuch,
1854): Leuchte oder „das Licht selbst“.
## B
… wie Beampeln: Gebräuchliches Bürokratieverb für: eine Ampel aufstellen,
etwa: eine Kreuzung beampeln. In diesem kreativen Verkehrsdeutsch gibt es
auch das Straßenbegleitgrün (für Büsche, Hecken) und Großgrün (für Bäum…
zudem den Außerortsbereich, den Straßenkörper oder für den Umbau: die
grundhafte Erneuerung. Nicht üblich sind Verben wie bekreuzungen für: eine
Kreuzung bauen oder entwegen für: Sperrung anlegen oder Straße aufreißen.
Auch entampeln und belichtzeichenveranlagen sind unbekannt.
… wie Befestigung: Ampeln sind mal an Metallpfählen, mal als
Peitschenampeln (beliebt in Deutschland), mal als straßenüberspannende
Konstruktion (beliebt in Holland) angebracht, im ländlichen Nordamerika
auch gern als Baumelampel an einer flexiblen Hängekonstruktion über der
Straße.
… wie Blumen- oder Gemüseampel: Hängevorrichtung zur vertikalen
Unterbringung mehrerer Zimmerpflanzen oder Gemüse- bzw. Obstsorten, meist
ebenfalls drei, allerdings ohne Farbgebung. Die B. oder G. ist ein Beispiel
für das Abfärben von Autoverkehrsbegriffen in die Alltagssprache, wie etwa
„Gib Gummi“ für „Beeil dich“, ersatzweise geht auch „Du musst mal ei…
Gang höher schalten“. Einem „geht das Benzin aus“, ein Fußballspieler, …
auf nassem Rasen wegrutscht, bekommt launig zu hören, er hätte besser auf
„die richtige Bereifung“ achten sollen. Gegenteil: „Der hat noch einiges …
Tank.“ Das Abfärben wird zur Seuche, wenn Autobegriffe vermenschlicht
werden: Schrottpressen heißen „Autofriedhof“, Ersatzteile werden nach einer
„Organtransplantation“ angeboten. Moderne Autos haben keine Lampen, sondern
„LED-Augen“. Die Werkstatt heißt „Autodoktor“ oder „Lackdoktor“. K…
war zu lesen, ein Oldtimer wurde „artgerecht ausgeführt“.
## C
… wie Corona-Ampel: Um pandemiebedingte Öffnungen, Schließungen,
Wiedereröffnungen und Kontaktregeln halbwegs transparent zu gestalten,
operieren die deutschen Landes- und Kommunalregierenden seit nunmehr fast
zwei Jahren mit mehr oder weniger komplexen „Wenn dies, dann
das“-Szenarios, die fast sämtlichst an die Metapher der Ampel angelehnt
sind. Wenn Inzidenz und/oder Intensivbettenbelegung und/oder
Hospitalisierungsquote und/oder R-Wert soundso hoch sind, ist die Ampel
rot/gelb/grün und dürfen wir also Glühwein trinken/ins Stadion/2G+ ins
Kino/an roten Verkehrsampeln Körperflüssigkeiten austauschen (siehe
Knutschen). PIAF: Die Sozen wären demnach die Bösen („Rote Gefahr“), die
Liberalen Sinnbild für so lala und also Freiheit des Wankelmuts in alle
Richtungen, die grüne „Verbotspartei“ stünde für Go. Interessant.
## D
… wie Dauerrot (gewollt): In Dresden existierte von 1987 bis 2016 (also
über die Wende hinaus) eine Ampel, die permanent Rot zeigte, daneben ein
grüner Rechtsabbiege-Pfeil, um zu verdeutlichen: Hier darf man nur rechts
abbiegen. Die einfachere Lösung – ein Stoppschild mit weißem Pfeil auf
blauem Grund –, war nicht möglich, weil sich an einer ampelgeregelten
Kreuzung wie hier an jeder Zufahrt eine Ampel befinden muss. PIAF:
Offensichtlich. Ampeln gibt es nur in Koalition mit sich selbst.
… wie Dauerrot (ungewollt): Tritt etwa bei Defekten auf. Folge 1: Hupen,
schimpfen. Folge 2: Man darf nach mehreren Minuten vorsichtig queren, sogar
in Deutschland (siehe auch Nachts um halb 3).
… wie Düsseldorf: Hat als einzige Stadt Deutschlands bei Fußgängerampeln
auch einen gelben horizontalen Balken in der Mitte. Der bedeutet: Beeilen,
bald wird es rot; auf Amtsdeutsch heißt das „Noch-Grün“ oder „Gelbzeit�…
Das Ganze basiert auf einem Versuch von 1953 – der bis heute anhält. Alle
600 Fußgängeranlagen der Stadt sind so ausgerüstet. Die Rheinische Post
schrieb kürzlich von „dreiflammigen Fußgängerampeln“. Flammen? Vorsicht …
siehe Historie. PIAF: Fraglich. Der gelbe Balken als gelbe Bremse?
## E
… wie Eindösen (an roter Ampel): Kann an Ampeln und im Straßenverkehr
grundsätzlich nicht empfohlen werden. PIAF: Ständig (Scholz).
## F
… wie Farbenspiele: Rot ist gemeinhin immer oben, Grün unten, mit oder ohne
Richtungspfeil. Das Leuchten und Blinken von Rot-Gelb-Grün ist
international vielschichtig bunt. Viele Länder wie Frankreich, Belgien oder
Spanien verzichten auf Gelb beim Wechsel von Rot auf Grün. PIAF: So
vielschichtig wie die Erwartungen an die Berliner Ampel. Gelb abgeschaltet:
Geht!
… wie Flutampel: Nach dem verheerenden Juli-Hochwasser an der Erft im Jahr
2021 guckte an der meterhoch gefluteten Luxemburger Straße/B265 bei Blessem
über Tage nur noch das Rotlicht eines Masts aus den Wassermassen. Darunter
und daneben waren Dutzende Pkws und Lkws tief abgesoffen. PIAF: Nur die SPD
bleibt, zudem ganz oben, der Rest geht unter? Unwahrscheinlich.
… wie Fußgängerampeln: Sind oft in den Umlauftakt eingebettet: parallel zu
den Farben des Straßenverkehrs (gefährlich) oder mit leichtem Zeitvorlauf
bei Grün (etwas weniger gefährlich). Alternativ haben sie eigenes Grün,
auch zum Diagonalgehen (sehr gefährlich für den Straßenverkehrsfluss –
siehe auch Grüne Welle). Oder sie reagieren auf Knopfdruck. Dabei gibt es
diverse Varianten: a) Reaktion erst, wenn sie in das Verkehrsschema passen
(fußgängerunfreundlich) oder nach einer fixen Zeit (etwas besser) oder
unmittelbar: Damit lassen sich dann heranfahrende Lieblingsmarken wie
Mercedes, Porsche oder SUV aller Hersteller kunstvoll einbremsen. Der
freundliche Gruß beim Queren der Straße sollte eine angemessene
Kompensation sein. Manchmal piept es auch, wenn die Ampel auf Grün
wechselt: Solche akustischen Zusatzsignale helfen Blinden und
Sehbehinderten. Für alle anderen ist das Piepsen von zweifelhafter
Pädagogik: Nun aber los, macht euch rüber, dass ihr nicht im Weg seid, wenn
der querende Autoverkehr wieder fahren darf und ohne Verzögerung will.
PIAF: Fraglich. Funktioniert so auch Politik?
## G
… wie Grüner Pfeil: Erlaubt an einer sonst roten Ampel a) allen das
Rechtsabbiegen, in der DDR sehr üblich, ab 1990 eine der wenigen
sozialistischen Verkehrserrungenschaften, die von den Besserwessis
vereinzelt übernommen wurden. Seit 2020 auch b) nur für Radfahrer
einrichtbar. Wird hierzulande aber kaum gemacht, anders als in der Schweiz.
PIAF: Überall hoch, sowohl verkehrspolitisch bei Autofahrern als auch im
Politkosmos allgemein: Sonderrechte für diese Radfahrerpartei?
… wie Grüne Welle: Immer wieder gefordert von Autofahrern. Psychologisch
erklärt sich der immer wieder erhobene Wunsch nach Grüner Welle als
technische Kompensation für die allgegenwärtige Enttäuschung, weil „Freie
Fahrt für freie Bürger“ (und Bürgerinnen) in der Autorepublik Deutschland
zu selten klappt.
## H
… wie Historie: Die weltweit erste Lichtsignalanlage wurde am 10. Dezember
1868, also lange vor Erfindung des Autos, in London auf dem Parliament
Square aufgestellt. Grund: Es herrschte Chaos aus Kutschen, Fuhrwerken und
Fußgängern. Der sechs Meter hohe Mast hatte Winkelemente an den Seiten und
eine abwechselnd rot oder grün leuchtende Scheibe ganz oben, die ein Bobby
Ihrer Majestät immer von unten umschaltete. Sie wurde mit Gaslicht
betrieben – und explodierte unglücklicherweise nach drei Wochen (der
diensthabende Ampelpolizist wurde schwer verletzt). Mit der
Elektrifizierung begann der Siegeszug der Ampel: Cleveland 1914 (nur rot
und grün), erstmals dreifarbig 1920 New York. Es folgten 1922 Paris, 1924
Berlin (Potsdamer Platz), 1925 Hamburg (Mönckebergstraße). Bis 1953 war
Gelsenkirchen ampelfrei, Heilbronn bis 1954 und Bremerhaven sogar bis 1957.
Am Potsdamer Platz musste anfangs ein Polizist in den Signalturm, um
Farbtafeln vor dem Licht von Hand zu wechseln. Heute gibt es in Deutschland
gut 50.000 Ampelanlagen mit 1,5 Millionen Einzelampeln, die meisten pro
tausend EinwohnerInnen hat mit Abstand Stuttgart. Weltweit leuchten
wahrscheinlich mehr als 50 Millionen. Bhutan hat keine einzige Ampel, auch
Tonga nicht, trotz über 100.000 Einwohnern und vielen tausend Automobilen.
PIAF: Tonga kennt auch keine Ampelkoalition, nur einen König.
## I
… wie Intelligente Ampeln: Schalten automatisch und sehr plötzlich auf Rot,
wenn jemand, gemessen über Induktionsschleifen, zu schnell auf einen
Kreuzungsbereich zufährt. Fährt man langsamer, springt die Ampel umgehend
auf Grün. Effekt: Zufließen statt Drauflosbrettern. Hohes erzieherisches
Potenzial, wie in den (mal wieder) verkehrsvorbildlichen Niederlanden
vielfach beobachtet werden kann. Deutlich sinnvoller als Tempo-Anzeigen,
durch die man eine Grüne Welle erreicht. Denn diese stimmen bisweilen
nicht, zumal lassen sie manche mathematisch wenig versierte AutolenkerInnen
glauben, wenn sie doppelt so schnell führen, kämen sie eine Grünphase
früher an.
K
… wie Kavalierstart: 50er-Jahre-Euphemismus für rücksichtsloses Anfahren an
Ampeln, unbedingt mit quietschenden Reifen. PIAF: Umgekehrt, mehr
stotternder Zeitlupenstart.
… wie Knutschen: An Ampel geduldet (bei Rot), beim Fahren nicht, sofern es
zu einem Unfall kommt. Zählt wie Trunkenheitsfahrt, so 2012 das Landgericht
Saarbrücken nach einem Frontalunfall mit Todesfolge. Das Unfallopfer trug
keinen Gurt, trotzdem haftete der Knutschfahrer zu 100 Prozent. Auch seine
geknutschte Freundin trug keine Mitschuld. In Coburg wurde ebenfalls 2012
(das Jahr der Ampelküsse?) geknutscht, bis es krachte: Die Liebkosungen
seiner Beifahrerin hatten einen Autofahrer so abgelenkt, dass er den Fuß
vom Bremspedal ließ und sein Wagen auf das Auto hinter ihm rollte und es
crashte. PIAF: Geringe Gefahren. Die sollen sich nicht liebend küssen,
sondern endlich mal zukunftsfähige Politik machen.
… wie Kreisverkehr: Gilt als größter Feind der Ampelanlage und der
Ampelanlagenbauer (in Deutschland vor allem Siemens). Er regelt
Kreuzungsverkehr autonom, drosselt das Tempo, verhindert hektisches Bremsen
und Wiederanfahren (siehe auch Kavalierstart), spart elektrische Energie,
ist weniger störanfällig, bietet Raum für Straßenbegleitkunst in der Mitte
und, falls klug, also niederländisch, gebaut, höhere Sicherheit vor allem
für den Radverkehr. PIAF: Statt Ampelknirschen könnte die
Kreisverkehrskoalition eine dauerhaft funktionierende Alternative sein.
## L
… wie Lampe: Lampe und Ampel sind ein Anagramm. Im Radsport wäre es anfangs
sogar eine „Belgische Reihe“ der Buchstaben: Da lässt sich der Erste eines
Teams immer nach hinten fallen, hier das L. PIAF: Eher keiner. Von einer
Lampenkoalition war noch nicht die Rede.
… wie Lebensmittelampel: Kennzeichnung von Lebensmitteln mit hohen
Umweltfolgeschäden (rot) über mittelmäßig (gelb) bis zu grün (geringer
Ökokosten-Rucksack). PIAF: SPD besonders skeptisch, FDP ähnlich.
… wie Lichtverschmutzung: Nächtens sind Ampelanlagen bisweilen in einer
Richtung auf gelbes Blinken umgestellt. Wer gleich daneben sein
Schlafzimmer hat, wird die Dauerdisko hassen.PIAF: Gelb deutlich
aufgewertet, Blinken sorgt für Aufmerksamkeit.
## M
… wie Mittelinsel: Rettungsbereich für langsame FußgängerInnen bei langen
Wegen über eine Kreuzung. Längere Grünphasen würden Autoverkehr unzumutbar
ausbremsen. Also Offenbarungseid einer menschenfreundlichen
Verkehrspolitik.
… wie Musk-Murks: Kürzlich hat ein autonom fahrender Tesla den aufgehenden
Mond mit einer gelben Ampel verwechselt und ist stehen geblieben. PIAF:
Nicht automatisch vor den Liberalen erstarren!
## N
… wie Nachts um halb 3: warten Deutsche an der roten Fußgängerampel.
… wie Nachts um halb 4 auch: Vielleicht sind es sogar noch die gleichen.
Standfestigkeit zählt zu den wichtigsten Charaktereigenschaften in diesem
Land. Dazu gehört das eiserne Stehenbleiben vor jedweder roten Ampel, auch
auf weit einsehbarer, einsamer Straße, selbstverständlich auch zu Fuß. Im
Bahnverkehr hat das seine farblose Analogie: „Bevor der Deutsche eine
Revolution anzettelt“, so Lenin einst (möglicherweise war es in Wahrheit
Trotzki), „kauft er sich erst mal eine Bahnsteigkarte.“ PIAF: Fraglich –
vor Rot stehen alle stramm? Sicher: Revolutionär ist an der Berliner Ampel
nichts, bislang scheint sie eher bahnsteigkartengewöhnlich.
## P
… wie Pförtnerschaltung: Schaltung von Ampelanlagen zur gezielten Steuerung
des Verkehrs. Dadurch soll ein maximaler Zufluss von Fahrzeugen einen
Engpassabschnitt (also mittlerweile fast überall) entlasten. Folgen:
Genervte FahrzeugführerInnen suchen sich andere Wege. Kann auch helfen,
Hubraumverkehre von Wohn- in Industriegebiete zu verlagern. Gern von
Freifahrtbürgern als Rote Welle beschimpft. PIAF: Rote Welle. Wahlergebnis
SPD.
## R
… wie Rekorde: Das bayerische Eichstätt ist deutscher Rekordhalter: 37
Ampeln an einer völlig verbauten Kreuzung, um alle Abbiegevarianten und die
Querung einer Bahnlinie vermeintlich zu perfektionieren. Anlass für viel
Ärger und Herumsteherei. Zudem wurde eine Fußgängerampel vergessen. Die
englische Kleinstadt Beverley ist stolz auf einen Ampelwald von 42
Exemplaren. Vorher war dort ein schnöder Kreisverkehr. PIAF: Böswillige
könnten auf die Idee kommen, in Rathäusern wird von Ampelherstellern noch
ein privater Bonus für Aufträge abgeliefert.
… wie Rotlichtverstoß: Kostet. Manchmal auch den FührerInschein.
## S
… wie Sprichwort: „Eine Ampel ist ein kleines grünes Licht, das beim
Näherkommen rot wird“, glauben bisweilen enttäuschte WagenlenkerInnen.
PIAF: Bislang galt, je größer das grüne Licht zu werden scheint, desto mehr
Gelb dringt durch.
… wie Symbole: Rot-Gelb-Grün an Ampelanlagen ist vielfach ergänzbar. Mit
Rad- und Fußgängersymbolen, westlich nüchtern oder östlich charmant
(„Ampelmännchen“). Je nach Land kommen Rentiere (Finnland), Pferde
(Mongolei), Hunde oder Engel dazu und viele abenteuerliche Kuriositäten.
Längst sind auch Ampelfrau (offizielle Premiere: Zwickau 2004) und Paare
dazugekommen, in Holland seit 2000 die Symbol-Sophie, Mainzelmenschchen in
Mainz, der Bergmann in Duisburg, Wikinger in Dänemark, das aufgeklebte
Hanfblatt, ein AKW-nee-Hinweis und vieles mehr. In Augsburg gibt es an
einer Fußgängerquerung mit einer Straßenbahnstrecke die Bodenampel
(„Bompel“), eine Reihe roter Lichter im Asphalt. Die Bompel will die vom
Smartphone ablenkte „Generation Kopf unten“ vor Unfällen schützen.
## T
… wie Tut-tut!: Vordermann oder -frau träumt, Hintermann oder -frau hupt.
Oder noch anders. (siehe auch Dauerrot (ungewollt); Knutschen).
## U
… wie Urlaub: Zwei Wochen des Lebens steht jeder Autofahrer hierzulande
wartend vor einer roten Ampel. Viel? Das ist gerade mal ein Urlaub.
## V
… wie Verkehrspolizisten: Waren bis weit bin die 60er Jahre als lebendige
Beamtenampeln im Einsatz. Farblos, dafür mit Armzeichen und Drehungen.
Regel: „Siehst du Brust oder den Rücken, musst du auf die Bremse drücken.“
/ „Siehst du die Hosennaht, dann hast du freie Fahrt.“
## W
… wie Wartezeit: Ein Countdown bis zum Umspringen auf Grün wird, anders als
manchmal in Frankreich, Irland, Japan oder den USA, sehr selten angezeigt.
Grund: zu teuer. Ausnahmen sind Sekundenzähler etwa an der Fußgängerampel
am Hamburger Hauptbahnhof. Beliebter sind vage Hinweise wie „Signal kommt“
– irgendwann. PIAF: Hoch. Da werden Vorhaben manchmal auch umgesetzt,
irgendwann.
… wie Wechselfarben: An der Verkehrsampel leuchten immer nur maximal zwei
Farben gleichzeitig. PIAF: Gegensätzlich. Hier wollen alle immer
gleichzeitig leuchten.
## Z
… wie Zukunft (Gedankenspiel): Gäbe es im Straßenverkehr ein geschmeidig
funktionierendes Netz aus schnell getakteten E-Bussen und Tramlinien, viel
Platz für Rad- und Fußverkehr, alles temporeduziert, aber keine Autos,
wären Kreuzungen vermutlich ausreichend durch „rechts vor links“ geregelt.
Und für FußgängerInnen gäbe es gut einsehbare, abgedrempelte Zebrastreifen
als Querungshilfe. Jetzt erfindet plötzlich jemand eine stinkende, massiv
platzraubende, rasende Blechdose zum Individualtransport mit einem absurden
Kosten-Nutzen-Verhältnis, er würde es Automobil, also Selbstbeweger, nennen
– dann a) wären Verwunderung und Skepsis vermutlich groß und b) müsste
wegen plötzlich massiver Gefahren ganz schnell noch jemand Ampeln erfinden.
16 Jan 2022
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Ampel-Koalition
Verkehr
Alphabet
Führerschein
Schwerpunkt Stadtland
Landwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
Verkehrswende
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
100 Jahre Verkehrsampeln: Wider das gängelnde Rot
Am 15. Dezember 1924 ging in Berlin die erste Ampel Deutschlands an. Für
Fußgänger sind sie Ärgernis und Gefahr. Lobbyisten fordern daher ein
Ampel-Aus.
Zwei Jahre Nutri-Score: Manchmal ist sie zu Unrecht grün
Seit zwei Jahren soll die Lebensmittelampel Nutri-Score
Verbraucher:innen vor Zucker- und Fettbomben warnen. Das klappt aber
nur bedingt.
Umweltaktivist über Verkehr in Madrid: „Autofreie Städte sind die Zukunft“
Madrid gehörte zu den ersten Städten, die Individualverkehr aus der City
verbannten. Doch das Verbot hielt nicht. Was ging schief?
Vorabdruck eines Fahrradromans: Geschichten aus der Verkehrswende
In „Die Zahl 38.185“ ist Aachen Kriegsschauplatz. Radler und Autofahrer
befehden sich so obsessiv, dass einige sogar in Therapie müssen. Nur
Satire?
Braunkohleprotest bei Garzweiler: Warten auf die neue Abrisskante
Im Dorf Lützerath bereiten sich AktivistInnen darauf vor, dass Fahrzeuge
zum Abholzen und Abreißen anrücken. Am Horizont stehen Windräder – still.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.