# taz.de -- HAU 2 in Berlin: Die Füße machen den Sound | |
> Performerin Kat Válasturs zeigt ihre Soloperformance „Dive into you“ im | |
> HAU 2 in Berlin. Dabei knüpft der Tanz Verbindungen zu magischen | |
> Ritualen. | |
Bild: Kat Valástur scheint über die gesamte Performance hinweg wie in Trance … | |
Ein Dröhnen und Schwingen füllt den Raum, sodass die Sitzreihen vibrieren. | |
Alles wird von diesen Klängen eingenommen. Wie besessen wiegt und zuckt der | |
Körper von Kat Válastur dazu im flackernden Licht, auf einem Stuhl sitzend, | |
Haare verdecken das Gesicht. Sie ist das Orakel – das Tor zum Göttlichen | |
und Unbekannten. | |
Die [1][Performerin] bringt in ihrer neuen Arbeit „Dive Into You“ im HAU 2 | |
anhand der Figur des weiblichen Orakels das Archaische und Mystische auf | |
die Bühne und setzt beides in Verbindung mit dem Natürlichen, dem Wachstum | |
von Bäumen und photosynthetischen Prozessen. Sie schafft einen Raum, der | |
zwischen heilig und dystopisch schwankt, zwischen natürlich und | |
Science-Fiction. | |
Das gelingt vor allem durch die Sounds von Aho Ssan, die den gesamten Abend | |
tragen und in perfekter Symbiose mit den Bewegungen der Tänzerin | |
funktionieren. Sie sind inspiriert von den Klängen des Semantrons, eines | |
Holzschlaginstruments, das vor allem in Kirchen verwendet wird und tiefe, | |
resonante Klänge erzeugt. | |
## Der Boden ist bedeckt mit Erde | |
Von Beginn an und beinahe über die gesamte Vorstellung hinweg sitzt – oder | |
thront – [2][Kat Válastur] auf einem Stuhl, der wiederum auf einer ovalen | |
Holzplatte positioniert ist. Diese erinnert an eine Baumplatte, aber könnte | |
auch als Floß oder Raumschiff interpretiert werden. Oder eben als | |
Semantron, das Válastur mit ihren Füßen spielt. Der Boden ist bedeckt mit | |
Erde und unter der Platte schlängeln sich Kabel – oder sind es Wurzeln? – | |
hervor. Auf so simple Weise, durch Materialien und Formen, gelingt diese | |
Mischung aus Natürlichem und düsteren Sci-Fi-Visionen. | |
Die [3][Tänzerin] selbst scheint über die gesamte Performance hinweg wie in | |
Trance zu sein. Die Bewegungen steigern sich von einem Zucken zu immer | |
größer werdenden, ekstatischen kreisenden und schwingenden Bewegungen. | |
Jedes Stampfen mit den Füßen löst ein durchdringendes Wummern aus. Manchmal | |
ist unklar, was hier wen beeinflusst – die Musik die Bewegung oder | |
umgekehrt. Es folgen wieder sanftere Momente, in denen sich der Körper | |
wiegt, ein wenig zur Ruhe kommt, bevor er wieder von etwas besessen scheint | |
und voll Spannung zuckt. | |
Obwohl Válastur sitzend performt, ist die gesamte Performance unglaublich | |
dynamisch und energetisch und wird zu keinem Zeitpunkt langweilig. Es ist | |
viel eher beeindruckend, wie viel Bewegung auf einem einzigen Stuhl | |
stattfinden kann. | |
## Alles vibriert und hallt | |
Zusammen mit dem Sound- und Lichtdesign saugt die Performance das Publikum | |
wie in eine Zwischenwelt, irgendwo zwischen menschlichem Leben und düsterer | |
Unterwelt. Auch die Zuschauer*innen werden durch all die Schwingungen in | |
den Bewegungen und in der Musik in eine Art Trance versetzt, die im Körper | |
spürbar ist. Alles vibriert und hallt, manchmal knistert die Luft und jedes | |
Stampfen fährt durch Mark und Bein. Man scheint einem Ritual beizuwohnen. | |
Die [4][Performance] beschwört unzählige Bilder und Assoziationen herauf, | |
die sich aber auf wunderbare Weise zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk | |
vereinen. Alles passt hier zusammen und ergibt in der Kombination Sinn: das | |
Natürliche mit den technischen und damit futuristischen Elementen, das | |
Mystische, die Figur des Orakels, Düsternis und Dystopie. Das funktioniert | |
durch das perfekte Zusammenspiel von Tanz, Ton und Licht und der starken | |
Präsenz von Kat Válastur. | |
Es ist ein absolut atmosphärischer Abend, der sein Ziel erreicht. Es ist | |
nicht konkret greifbar, was auf der Bühne passiert, aber das ist die | |
Befragung eines Orakels ja auch nicht. Am Ende braucht es eine Weile, um | |
wieder im Hier und Jetzt anzukommen. | |
19 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Greta Haberer | |
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