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# taz.de -- Bremen-Tatort „Stille Nacht“: Die Grinchs sind da
> Ein Mord an Heiligabend bei einem scheinbar friedlichen Familienfest.
> Leider möchte in diesem Krimi weder Spannung noch Weihnachtsstimmung
> aufkommen.
Bild: Kommisarin Selb und Matrose Jay an Weihnachten in der Seemannsmission
Als Weihnachtsliebhaberin hat man es nicht leicht in diesem Land. [1][Die
Straßen riechen angenehm nach Glühwein und Bratwurst], geschmückte
Weihnachtsbäume auf den Straßen und Kerzen in den Fenstern trotzen dem
winterlichen Grau. Es könnte alles so schön sein, wären da nicht die
Menschen. Griesgrämig schlurfen sie durch die Gegend und jede Erwähnung des
frohen Festes scheint ihre Gesichter noch mehr zu verdunkeln und sie
beginnen sich zu beschweren: der Stress, die Familienbesuche, die Kalorien.
Und auch in Deutschlands beliebtestem Fernsehkrimi scheinen die Grinchs
übernommen zu haben, [2][wie der aktuelle „Tatort“ aus Bremen] zeigt.
Es ist Heiligabend, das Ermittlerinnenduo Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer)
und Linda Selb (Luise Wolfram) hat Feiertagsdienst und überbietet sich im
Aufzählen aller furchtbaren Dinge, die für sie für Weihnachten stehen.
„Einbrüche“, sagt die eine, „Häusliche Gewalt“, entgegnet die andere,
[3][nur um mit „Last Christmas“] übertrumpft zu werden.
Ganz anders sieht es bei der Familie Wilken aus. Dort feiert der Kapitän
Hendrik mit seinem Ehemann, Kindern und Enkeln gemütlich mit
Weihnachtsmannmützen auf den Köpfen und Geschenken unter dem
Weihnachtsbaum. Auch ein philippinischer Matrose ist zu Gast, mit dem sie
bis tief in die Nacht Karaoke singen. „Last Christmas“ natürlich, was
sonst.
## Es fehlen: Figuren mit Tiefe
Ein friedliches Fest könnte man meinen. Doch so etwas gibt es im deutschen
Fernsehen nicht, weswegen natürlich alles deutlich weniger friedlich ist,
als es auf den ersten Blick erscheint. Denn am nächsten Morgen liegt
Großvater Henrik erschossen in seinem Zimmer.
Moormann und Selb vermuten einen Raubmord – wie wir wissen, nehmen
Einbrüche in der Weihnachtszeit zu –, doch dank der neuen Hightechkamera
der Polizei lässt sich der schnell ausschließen. Der oder die Mörder_in
muss sich also unter der kleinen Heiligabendgesellschaft befinden. Und so
beginnt eine Art Kammerspiel, in der plötzlich jeder und jede verdächtig
erscheint: Der Großvater, der aus Eifersucht handelt. Der Sohn, der sich
immer ausgeschlossen fühlt. Die Tochter, die so große Probleme zu haben
scheint, dass sie selbst mit Tabletten nicht in den Griff zu bekommen sind.
So albern und kitschig, wie die alljährlichen Weihnachts-„Tatort“-Folgen
ist dieser zwar nicht, doch Spannung will in diesem Krimi auch nicht
aufkommen. Das liegt einerseits an der geradeaus erzählten Geschichten, die
auf doppelte Ebenen und unerwartete Wendungen verzichtet, andererseits an
der schauspielerischen Leistung. Ängstliche Blicke und melodramatisches
Hände-über-dem-Kopf-Zusammenschlagen gibt es hier zumindest reichlich.
Figuren mit Tiefe dagegen weniger.
Und auch wenn Selb sich nach einer ausschweifenden Party doch für kurze
Zeit dem „Last Christmas“-Ohrwurm hingibt, so richtige Weihnachtsstimmung
möchte in diesem „Tatort“ nicht aufkommen. Wer den Grinchs entkommen
möchte, muss eben doch auf die Hollywood-Klassiker („Home Alone“, „The
Holiday“ [4][oder „The Holdovers“]) zurückgreifen. In diesen
Märchengeschichten gibt es das nämlich noch: das schöne friedliche Fest mit
geschmückten Weihnachtsbäumen, Glühwein und einem Happy End. Das hat für
viele vielleicht wenig mit der Realität zu tun, aber wieso sollte man sich
schon im Vorhinein die Stimmung vermiesen lassen.
8 Dec 2024
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## AUTOREN
Carolina Schwarz
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