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# taz.de -- Vor den Wahlen in Ghana: Aus alt mach neu
> Ghana wählt unter dem Eindruck einer schweren Wirtschaftskrise. Kann das
> dem Oppositionskandidaten helfen, der selbst bereits Präsident war?
Bild: Trotz Wirtschaftskrise: Unterstützer der Regierungspartei NPP in Ghanas …
Accra taz | Zielstrebig läuft Yayra Agbofah durch die unzähligen Gänge des
Kantamanto Market. Der Markt in Ghanas Hauptstadt Accra ist einer der
größten Umschlagplätze für gebrauchte Kleidung. An einem Stand mit
Handtaschen stoppt der 36-Jährige abrupt. „Gebrauchte Kleidung lässt sich
gut in Taschen upcyceln“, erklärt er, während er die verschiedenen Formen
und Verarbeitungsweisen begutachtet. Eine kurze Unterhaltung und wenige
Cedi später läuft er bepackt mit seinen Second-Hand-Funden weiter. Ziel ist
das Studio seiner Organisation The Revival im Herzen des Markts, wo der
Designer weggeworfener Kleidung neues Leben einhaucht.
Geschätzt 15 Millionen gebrauchte Kleidungsstücke landen jede Woche in
großen Containern aus Europa, Nordamerika oder Asien in Ghana. Das meiste
davon geht zum Kantamanto Market im Herzen Accras. Zwei Mal die Woche
schlängeln sich Laster vom Hafen der Stadt durch die engen Straßen bis zum
Markt vor. „Von 2 Uhr bis 6 Uhr morgens wird abgeladen, damit die Lkws den
Verkehr nicht behindern“, erklärt Yayra Agbofah. Anschließend werden die in
Plastik verschweißten Kleiderballen in Lagerräume gebracht, von wo aus sie
an die Händler*innen verkauft werden.
„Die Mengen, die hier ankommen, werden immer größer, aber die Qualität
lässt nach. Vieles was hierher geschickt wird, ist von so schlechter
Qualität, dass sich eine Reparatur für die Händler*innen gar nicht mehr
lohnt“, sagt Yayra Agbofah. Von den Millionen Kleidungsstücken landen
schätzungsweise 40 Prozent auf dem Müll. Hier setzen dann Yayra Agbofah und
sein Team ein. Aus Jeansabfällen ist auf die Art Schutzkleidung für
Arbeiter*innen auf Ananasfarms entstanden. „Aber teilweise ist es
wirklich schwer, aus dem Müll noch etwas Brauchbares zu machen“, sagt er
offen.
Auf dem Markt habe sich das Gerücht verbreitet, dass internationale Medien
schreiben würden, man solle den Handel mit Altkleidern verbieten, erzählt
er. In der Folge wollen viele Händler*innen nicht mehr, dass Fotos
gemacht werden – aus Sorge, dass der Import irgendwann verboten werden
könnte. „Aber das sollte nicht das Ziel sein. Stattdessen muss besser
sortiert werden, sodass bessere Qualität hierher verschifft wird und der
Müll bereits in den Herkunftsländern aussortiert wird“, sagt Agbofah.
## Plötzlicher Absturz der Wirtschaft
Rund 30.000 Menschen arbeiten in den engen Gassen des Marktes,
schätzungsweise 85 Prozent der über fünf Millionen Einwohner*innen
Accras kaufen hier ein. Der Markt ist umso bedeutender, seit Ghana 2022 in
eine seiner schwersten Wirtschaftskrisen überhaupt schlitterte.
Steigende Lebenshaltungskosten und die angespannte Wirtschaft sind in dem
westafrikanischen Land allgegenwärtige Themen, bevor am 7. Dezember die
Bevölkerung einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament wählt. Nach
Einschätzung des ghanaischen Wirtschaftsanalysten Philip Cobbina läuft es
auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Mahamudu Bawumia von der regierenden
NPP (New Patriotic Party), und dem früheren Präsidenten John Mahama von der
größten Oppositionspartei NDC (National Democratic Congress) hinaus.
Während 2019 Ghana noch die am schnellsten wachsende Wirtschaft der Welt
war, erklärte sich der Staat 2022 notgedrungen zahlungsunfähig. Die
Kombination aus hoher Staatsverschuldung, Hyperinflation, der Covidpandemie
und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, mit dem starken Anstieg
an Preisen für Grundnahrungsmittel, brachten das Land an seine Grenzen.
[1][Präsident Nana Akufo-Addo] (NPP) blieb wenig anderes übrig, als beim
IWF ein Rettungspaket im Umfang von 3 Milliarden US-Dollar zu beantragen
und sich dafür zu tiefgreifenden Reformen zu verpflichten, um die
Staatsfinanzen wieder in den Griff zu bekommen.
„Zwei Jahre später lassen sich bereits deutliche Verbesserungen
feststellen. Wir sind noch lange nicht über den Berg, aber die Reformen
greifen“, sagt Cobbina. NPP-Kandidat Mahamudu Bawumia jedenfalls versucht,
sich mit diesem Reformkurs erneut das Vertrauen der rund 18,8 Millionen
registrierten Wähler*innen für eine dritte Amtszeit seiner Partei zu
sichern. Das hat bislang noch keine ghanaische Partei geschafft.
Sein Konkurrent John Mahama, der Ghana von 2012 bis 2017 für die NDC
regierte und [2][dann die Wahlen an den bis heute regierenden Akufo-Addo
von der NPP verlor,] setzt ebenfalls auf Wirtschaftsthemen. Sein Plan der
„24-Stunden-Wirtschaft“ sieht vor, in Schlüsselbranchen ein
Dreischichtensystem einzuführen, um Ressourcen effizienter zu nutzen und
Arbeitsplätze zu schaffen. In die Karten könnte ihm auch spielen, dass
viele Ghanaer*innen müde sind von den harten letzten Jahren.
Der Wahlkampf ist auch im Kantamanto Market nicht zu übersehen. Eine Frau
mit Megafon dreht ihre Runden und macht Werbung für die NPP. Kurz
beobachtet Yayra Agbofah die Dame. Seit Wochen komme sie bereits her,
berichtet er. Überzeugt habe sie ihn aber noch nicht. Er weiß noch nicht,
wen er wählen soll. Vermutlich entscheidet er dies spontan am Wahltag.
6 Dec 2024
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## AUTOREN
Helena Kreiensiek
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