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# taz.de -- Iran als Bedrohung Israels: „Iran könnte ein Arsenal an Atomwaff…
> Iran entwickle chemische Waffen und statte wohl die Hisbollah damit aus,
> sagt der israelische Diplomat Nadav Eshcar. Das Regime strebe nach der
> Atombombe.
Bild: Angriff des Iran im Oktober 2024: Iranische Raketen reichen bis nach Isra…
taz: Herr Eshcar, wie weit ist das Regime in Iran aus Ihrer Sicht mit dem
Bau einer Atombombe?
Nadav Eshcar: Wir wissen unter anderem aus den Berichten der
Internationalen Atomenergiebehörde, dass der Iran spaltbares Material auf
einen Reinheitsgrad von 60 Prozent angereichert hat. Um von dort auf das
waffenfähige Niveau von 90 Prozent zu kommen, ist es nur ein sehr kleiner
Schritt. Schon mit der Menge, die der Iran an 60-prozentigem Material hat,
können vier Atombomben gebaut werden und wenn der Iran sein ganzes Material
waffenfähig anreichert, reicht es gar für zehn Atombomben. Wir sprechen
also nicht einfach nur von nuklearen Fähigkeiten, sondern davon, dass der
Iran ein ganzes Arsenal an Atomwaffen bauen könnte.
taz: Das Regime hat den Vorwurf immer zurückgewiesen.
Eshcar: Es gibt keine Zweifel an dem, was sie vorhaben. Spaltbares Material
von geringer Reinheit, auf einer Stufe von beispielsweise 4 Prozent, wird
für eine ganze Reihe von Zwecken verwendet, zum Beispiel in der Medizin.
Hochangereichertes Uran mit einem Gehalt von 60 Prozent wird hingegen nur
für militärische Zwecke verwendet. Eine ausschließliche zivile Nutzung gibt
es hier nicht – das Material wäre dafür auch viel zu instabil und
gefährlich.
taz: Wie lange dauert es, 60-prozentiges Material auf waffenfähiges
90-prozentiges-Material anzureichern?
Eshcar: Wenn sich die iranische Führung dazu entscheidet, ist es höchstens
eine Frage von Wochen.
taz: Neben dem Material sind für eine funktionsfähige Atomwaffe auch
weitere Komponenten nötig, etwa Raketen, die die Bombe ans Ziel bringen
würden, und zudem ein Auslösemechanismus. Können Sie dazu etwas sagen?
Eshcar: Im April und Oktober wurde Israel direkt mit Raketen aus dem Iran
angegriffen – es waren die bisher größten Angriffe mit ballistischen
Raketen der Geschichte. In diesen Nächten haben wir gesehen, dass der Iran
diese Waffen hat und sie auch einsetzt. Die Entwicklung der einzelnen
Segmente zu verfolgen, ist indes herausfordernder. Wenn das Regime
beschließt, etwas im Verborgenen zu entwickeln, ist es schwierig, das zu
überwachen.
taz: Was ist Ihnen über den Stand bei der Entwicklung eines
Auslösemechanismus durch den Iran bekannt?
Eshcar: Dieser Komplex bereitet uns wirklich Sorgen. Wir können eins und
eins zusammenzählen.
taz: Gibt es Anzeichen dafür, dass die Atommächte Russland, China oder
Nordkorea dem Iran dabei helfen, eine Atombombe zu entwickeln?
Eshcar: Dazu kann ich mich nicht äußern.
taz: Ich frage das alles so genau, weil sich aus dem Zeitrahmen, bis der
Iran eine funktionsfähige Atomwaffe besitzt, auch ergibt, wie viel Raum
noch potentiell für eine diplomatische Lösung bleibt, das Regime davon
abzuhalten.
Eshcar: Das Hauptproblem für eine diplomatische Lösung ist die
Entschlossenheit des Iran, seine nuklear-militärischen Fantasien weiter in
die Tat umzusetzen. Man muss sie so stark unter Druck setzen, dass sie
verstehen, dass es für sie das Beste ist, ihren Plan aufzugeben. Wir
erklären der internationalen Gemeinschaft immer wieder, dass der Iran eine
Bedrohung für die globale Sicherheit ist und dieses Problem gelöst werden
muss. Wenn das nicht gelingt, kann das die ganze internationale
Gemeinschaft auf schreckliche Weise verändern.
taz: Sie führen darüber auch Gespräche mit der deutschen Regierung. Besteht
hier Einigkeit?
Eshcar: Die deutsche Regierung versteht, dass das Regime nicht nur ein
regionales Problem ist. Sie verstehen, dass es auch eine direkte Bedrohung
für Europa ist.
taz: In der vergangenen Woche hatte sich der Streit um Irans Atomprogramm
zugespitzt. Nach einer förmlichen Kritik der Internationalen
Atomenergiebehörde (IAEA) und einer Resolution des Gouverneursrats, drohte
das Regime mit der Inbetriebnahme Tausender neuer Zentrifugen zur
Urananreicherung. Am heutigen Freitag wollen sich in Genf Vertreter des
Iran mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien treffen. Wäre die
Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens (JCPOA) eine Lösung?
Eshcar: Teheran hatte nie die Absicht, das militärische Atomprogramm
einzustellen. Im Bezug auf das ballistische Raketenprogramm hat der Iran im
Grunde die ganze Zeit gegen die einschlägige UN-Resolution verstoßen. Was
die Uran-Anreicherung angeht, gab es vielleicht zu Beginn des Atomabkommens
im Jahr 2015 ein Fenster, in dem man sich erhoffte, die Schritte des Irans
zu verlangsamen. Israel hat das Abkommen von Anfang an als unzulänglich
kritisiert. Aber wenn es überhaupt einen Wert hatte, so ist dieser nun
endgültig passé.
taz: Wie meinen Sie das?
Eshcar: Teheran hat mittlerweile alle technischen Fähigkeiten, die es
braucht, um Material atomwaffenfähig anzureichern. Vor dem Beginn des
Atomabkommens 2015 war das noch nicht der Fall. Es ergibt also keinen Sinn
mehr, das Abkommen wiederzubeleben.
taz: Das Regime hat die Anreicherung erst beschleunigt, als die USA im Jahr
2018 einseitig aus dem Abkommen ausgestiegen sind.
Eshcar: Wir könnten lange über die Geschichte philosophieren. Aber eines
können wir mit Sicherheit sagen: Der Iran hat immer weiter Material
angehäuft.
taz: Laut einem aktuellen, nicht-öffentlichen IAEA-Bericht verfügte der
Iran Ende Oktober insgesamt über mehr als 6.600 Kilogramm angereichertes
Uran, 32 Mal so viel, wie in dem Atomabkommen festgelegt wurde. Im Bezug
auf Uran von einem Reinheitsgrad von 60 Prozent habe der Iran in den
vergangenen Monaten seinen Vorrat um etwa 18 Kilogramm auf rund 182
Kilogramm erhöht.
Eshcar: Es ist die größte Menge, die sie je hatten. Das Atomabkommen
besteht offiziell noch bis Oktober 2025 – Deutschland ist noch
Vertragspartner, ebenso das Vereinigte Königreich, Frankreich, Russland und
China. Ich nehme an, dass keiner der Vertragspartner glücklich darüber ist,
dass der Iran nukleare Fähigkeiten entwickelt. Im Falle von Verstößen gegen
das Abkommen sieht der Vertrag übrigens die Möglichkeit vor, dass die
Vertragsparteien das Abkommen rückgängig machen können.
taz: Ihr neuer Verteidigungsminister, Israel Katz, hat sich kurz nach
seiner Amtsübernahme Anfang November für einen Angriff auf die iranischen
Atomanlagen ausgesprochen. Gibt es aus Ihrer Sicht überhaupt einen Raum für
diplomatische Lösungen?
Eshcar: Wir wollen, dass es auf diplomatischem Wege gelöst wird. Ich hoffe,
dass man das noch schaffen kann. Aber: Das militärische Nuklearprogramm des
Iran muss vollständig auf ein Stadium zurückgeführt werden, in dem es nicht
gefährlich ist. Das ist die Lösung, die wir brauchen. Alles andere ist
sinnlos.
taz: Gehen Sie davon aus, dass das iranische Regime die Atombombe einsetzen
würden? Wäre sie nicht eher ein Mittel, um mehr Macht zu erlangen?
Eshcar: Wir können es uns nicht leisten, uns diese Frage wirklich zu
stellen.
taz: Israel würde dem Iran unter keinen Umständen erlauben, eine Atommacht
zu werden?
Eshcar: Nein. Diese existentielle Bedrohung können wir nicht zulassen. Es
könnte unser Ende sein.
taz: Was erwarten Sie von der deutschen Regierung?
Eshcar: Deutschland hat Israels Sicherheit zur Staatsräson erklärt. Jeder
Kompromiss, der eine iranische nukleare Bewaffnung auch nur im Ansatz
zulässt, gefährdet Israels Sicherheit. Ich kann Ihrer Regierung nicht
sagen, was Sie tun soll. Wenn sie einen Weg finden würde, das mit einem
Minimum an Blutvergießen zu verhindern, wäre das großartig. Wir verspüren
jedenfalls eine Frustration darüber, dass Teheran trotz all der Maßnahmen
der internationalen Gemeinschaft nicht aufhören will. Aber das müssen sie,
egal wie.
taz: Als Israels Zuständiger für die Proliferations-Bekämpfung waren Sie
bis vor kurzem nicht nur für Atomwaffen, sondern alle
Massenvernichtungswaffen zuständig. Können Sie [1][Berichte bestätigen,
dass der Iran auch chemische Waffen entwickelt]?
Eshcar: Leider ja. Der Iran betreibt seit einigen Jahren ein
Chemiewaffenprogramm. Dabei geht es nicht um bekannte chemische
Kampfstoffe, wie Senfgas oder Sarin, sondern um moderne Chemikalien wie
hochkonzentriertes Fentanyl.
taz: Woher wissen Sie, dass der Iran das Fentanyl als chemische Waffe und
nicht etwa für medizinische Zwecke verwenden will?
Eshcar: Der Iran baut es in Hand- und Mörsergranaten ein. Wir haben zudem
Grund zur Annahme, dass das Regime diese chemischen Waffen auch an seine
Proxies übergeben hat.
taz: An die Hisbollah?
Eshcar: Ja, das vermuten wir. Das ist sehr beunruhigend.
taz: Im Krieg mit der Hisbollah wurde [2][Anfang der Woche eine Waffenruhe
vereinbart]. Was ist der [3][Plan für den Gazastreifen]? Planen Sie eine
Militärregierung, die von Israel geführt wird?
Eshcar: Was morgen in Gaza sein wird, wissen wir nicht. Wir wissen aber,
was morgen in Israel die Realität sein muss: die Kibbuzim und Dörfer an der
Grenze zu Gaza müssen den Weg zurück in die Normalität finden. Die
israelische Regierung hat die Pflicht, sicherzustellen, dass so etwas wie
der 7. Oktober 2023 nie wieder passieren wird.
taz: Beinhaltet das auch, dass es neue jüdische Siedlungen im Norden des
Gazastreifens geben wird?
Eshcar: In den Medien wird derzeit viel diskutiert, aber darauf möchte ich
nicht eingehen. Unser Hauptziel besteht darin, die am 7. Oktober Entführten
sicher zurückzubringen. Unsere Aufgabe ist es, für sie eine Situation zu
schaffen, in der sie gesund heimkehren können. Gleichzeitig müssen wir den
Gemeinden, die so stark gelitten haben, ihre Sicherheit zurückgeben.
29 Nov 2024
## LINKS
[1] https://ctc.westpoint.edu/tehrans-tactical-knockout-weaponized-pharmaceutic…
[2] /Israel-und-Hisbollah/!6048489
[3] /Waffenruhe-im-Libanon/!6053396
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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