| # taz.de -- Flutkatastrophe in Valencia: Schuld sind die anderen | |
| > Nach dem Hochwasser Ende Oktober lehnt Valencias Regionalpräsident, | |
| > Carlos Mazón, einen Rücktritt ab. Eigene Versäumnisse sieht er nicht. | |
| Bild: Gestand beim Krisenmanagement „Fehler“ ein: Regionalpräsident der sp… | |
| Madrid taz | Der Regionalpräsident der spanischen Mittelmeerregion | |
| Valencia, Carlos Mazón, wegen seines Krisenmanagements der Flutkatastrophe | |
| vor mehr als zwei Wochen in der Kritik, tritt nicht zurück. Vielmehr | |
| versucht er die Flucht nach vorn. Bei einer Parlamentssitzung am Freitag – | |
| der ersten nachdem starke Regenfälle am 29. Oktober ganze Dörfer und | |
| Industriegebiete verwüsteten und mindestens 223 Menschen das Leben verloren | |
| – gestand Mazón beim Krisenmanagement „Fehler“ ein. | |
| Er werde sich „nicht aus der Verantwortung stehlen“, erklärte er. Und | |
| versprach, einen Untersuchungsausschuss im Parlament in Valencia zu | |
| beantragen und forderte einen weiteren im Parlament in Madrid. Es sei jetzt | |
| wichtig nach vorn zu schauen. „Nichts wird wieder so sein wie es war“, | |
| erklärte Mazón, nachdem er den Angehörigen der Opfer ihr Beileid | |
| ausgesprochen hatte. Dazu forderte er aus Madrid ein erstes Hilfspaket von | |
| 31 Milliarden Euro für die betroffene Region. Die spanische Regierung hat | |
| bisher 14 Milliarden zugesagt – Mazón selbst 250 Millionen aus der Kasse | |
| der Region. | |
| Der Opposition hingegen ist ein Untersuchungsausschuss nicht genug. Sie | |
| fordert weiterhin den Rücktritt Mazóns. Vor dem Parlament in Valencia | |
| protestierten Hunderte Menschen. Bereits vor einer Woche [1][waren 130.000 | |
| Menschen auf die Straße gegangen], um den Rücktritt des | |
| Regionalpräsidenten, der seit Sommer 2023 mit Unterstützung rechtsextremen | |
| VOX regiert, zu fordern. | |
| ## Totalversagen des Regionalpräsidenten | |
| Er wolle „keinen Streit um die Erzählungen zum Ablauf“, entgegnete Mazón | |
| der anhaltenden Kritik und zählte zunächst eine halbe Stunde lang die | |
| Schäden der „verheerenden Flut“ auf, bevor er minutiös darlegte, wie der | |
| Vortag und der Tag der Katastrophe aus seiner Sicht abgelaufen waren. | |
| Doch eines blieb der Regionalpräsident schuldig: Eine Erklärung für seinen | |
| eigenen Terminplan an jenem 29. Oktober. Mazón, dessen Regionalregierung | |
| für Katastrophenschutzmaßnahmen zuständig ist, versagte total. Obwohl das | |
| staatliche Wetteramt bereits in den frühen Morgenstunden wegen starker | |
| Regenfälle die höchste Alarmstufe verhängt hatte, nahm Mazón Termine wahr, | |
| die nichts mit dem zu tun hatten, was auf Valencia dann wirklich zukam. | |
| Selbst als es im Landesinneren innerhalb weniger Stunden so viel regnete | |
| wie sonst in einem Jahr, und die Flüsse über die Ufer traten, traf sich | |
| Mazón mit einer Fernsehmoderatorin zum Mittagessen in einem für | |
| verschwiegene geschäftliche, politische und private Treffen aller Art | |
| bekannten Restaurant. Während zeitgleich Dutzende Flutwarnungen des | |
| Wasseramtes bei der Regionalregierung eingingen. | |
| ## Warnungen viel zu spät weitergegeben | |
| Als Mazón um abends um halb acht endlich beim Krisenstab eintraf, waren am | |
| Unterlauf die Flüsse – allen voran der Barranco del Poyo – bereits über d… | |
| Ufer getreten und rissen alles mit. Als schließlich gegen eine halbe Stunde | |
| später die Regionalregierung eine Unwetterwarnung auf alle Handys schickte, | |
| [2][stand das gesamte Katastrophengebiet bereits bis zu vier Meter unter | |
| Wasser]. Alles hatte sich in einen großen reißenden Fluss verwandelt. | |
| [3][Menschen starben in den Fluten]. | |
| Die jetzt abgesetzte regionale Innenministerin gab zu, sie habe nicht | |
| einmal gewusst, dass es ein solches Handywarnsystem überhaupt gab. Auf | |
| Nachfrage der Zentralregierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez | |
| erklärte Valencia mehrere Stunden lang, alles sei unter Kontrolle. Erst | |
| fünf Stunden später forderte die valencianische Regierung Hilfe der | |
| staatlichen militärischen Notfalleinheit (UME) an. | |
| ## Auf der Suche nach Schuldigen | |
| Für Mazón haben an jenem Tag alle staatlichen Behörden versagt. Das | |
| Wetteramt Aemet und die Wasserbehörde hätten unzureichend und spät | |
| informiert. Seine Regierung sei nur „mit einfache emails“ gewarnt worden. | |
| Mazón kritisierte auch die Armee, die er und seine Regierung viel zu spät | |
| um Hilfe riefen. Seine Regionalregierung sei somit Opfer fehlender | |
| staatlicher Informationen. Bei der Liste der ergriffenen Maßnahmen, die | |
| nach und nach zur Wiederherstellung der Normalität führen, sprach er | |
| großzügig von „wir“, auch wenn es um staatliche Autobahnen und | |
| Schnellstraßen ging. | |
| Mazón erhält bei diesem Manöver, das die Verantwortung für das späte | |
| Handeln auf Madrid abschieben soll, Unterstützung von der Zentrale seiner | |
| konservativen Partido Popular (PP) in Madrid. Nach dem Auftritt Mazóns | |
| werde es „viele Menschen geben, die sich von der politischen Klasse | |
| teilweise getröstet fühlen“, erklärte Parteichef Alberto Nuñez Feijóo | |
| bereits vor der Parlamentssitzung. | |
| Die PP schießt sich auf die [4][bisherige sozialdemokratische, spanische | |
| Umweltministerin Teresa Ribera ein], die auf dem Weg nach Brüssel als | |
| Vizepräsidentin der Kommission im Kabinett der EU-Kommissionspräsidentin | |
| Ursula von der Leyen verantwortlich für Klimapolitik und Wettbewerb ist. | |
| Sie sei – obwohl die Kompetenzen klar bei Mazón liegen – für eine Reihe v… | |
| Fehlentwicklungen beim Krisenmanagement verantwortlich. | |
| Die spanische PP erreichte Anfang der Woche, dass die Europäische | |
| Volkspartei die Anhörung von Ribera stoppte. Sie solle sich bereit | |
| erklären, zurückzutreten, falls sie zu Hause wegen der Flutkatastrophe | |
| angeklagt werde. Der Parteienstreit in Spanien bedroht die schwierige | |
| Einigung für eine Kommissionsbildung unter von der Leyen. | |
| 15 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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