| # taz.de -- Neuer Antrag im Bundestag: Gegen Judenhass im Bildungssystem | |
| > Nach der Antisemitismusresolution legt der Bundestag mit einem Antrag zu | |
| > Judenhass an Unis nach. Neben Kritik gibt es dieses Mal auch deutliches | |
| > Lob dafür. | |
| Bild: Demonstrierende starten ihren Protest gegen Antisemitismus an der Humbold… | |
| Berlin taz | Der Bundestag beschäftigt sich erneut mit Antisemitismus. Die | |
| Fraktionen von SPD, Grünen, Union und FDP planen [1][einen Antrag], der | |
| sich gegen Judenhass im Bildungssystem richtet. Beschlossen werden soll er | |
| in zwei Wochen. Wie schon bei der kürzlichen Antisemitismusresolution gibt | |
| es auch diesmal [2][scharfe Kritik]. Allerdings sind jetzt auch | |
| [3][Befürworter des Vorhabens] deutlich zu vernehmen. | |
| Das Papier trägt den Titel „Antisemitismus und Israelfeindschaft an Schulen | |
| und Hochschulen entschieden entgegentreten sowie den freien Diskursraum | |
| sichern“. Es kommt teils etwas vorsichtiger daher als die | |
| Antisemitismusresolution vergangene Woche. | |
| So betont der Entwurf immer wieder: „Hochschulen sind offene Orte der | |
| Wissenschaft und des freien und kritischen Diskurses.“ Außerdem wird die | |
| positive Rolle herausgehoben, die Wissenschaft und Bildung im Kampf gegen | |
| Antisemitismus spielen können. Bund und Länder sollen demnach die Forschung | |
| zu Antisemitismus und jüdischer Gegenwart stärken. Alle Beamt*innen und | |
| insbesondere Lehrkräfte sollen sich zudem in ihrer Ausbildung mit diesen | |
| Themen auseinandersetzen. Und auch im Schulunterricht sollen die Themen | |
| öfter vorkommen. | |
| Bei der Frage der staatlichen Förderung appelliert der Antrag an die | |
| Selbstkontrolle der Entscheidungsträger*innen in der Wissenschaft, | |
| denen eine „Schlüsselrolle“ zukomme. Es sei „Konsens, dass | |
| wissenschaftliche Exzellenz und Antisemitismus einander ausschließen“. | |
| ## Mehr Härte gegen Antisemitismus an Unis | |
| Allerdings lobt der Entwurf an anderer Stelle explizit den „Einsatz“ der | |
| inzwischen zurückgetretenen Bundesbildungsministerin Bettina | |
| Stark-Watzinger (FDP) gegen Antisemitismus. Stark-Watzinger war im Frühjahr | |
| fast darüber gestürzt, dass in ihrem Ministerium Pläne geprüft wurden, | |
| Wissenschaftler*innen die staatliche Finanzierung abzudrehen, weil sie | |
| propalästinensische Proteste verteidigt hatten. | |
| Und der Antrag betont auch, Bund und Länder müssten dafür sorgen, dass die | |
| Unis gegen antisemitische Vorfälle hart vorgehen können. „Dazu gehören die | |
| konsequente Anwendung des Hausrechts, der temporäre Ausschluss vom | |
| Unterricht oder Studium bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren | |
| Fällen.“ Bund und Länder sollen zudem einen „strukturierten Dialog“ | |
| zwischen Unis und Sicherheitsbehörden anstoßen. Erst danach werden | |
| Informations- und Beratungsangebote für Betroffene gefordert. | |
| Schließlich findet sich im Entwurf auch erneut eine Bekräftigung der | |
| [4][IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus]. Die ist umstritten, weil | |
| sie Antisemitismus sehr weit fasst. Kritiker*innen bemängeln, so werde | |
| auch eigentlich legitime Kritik an Israels Politik zu Antisemitismus | |
| erklärt. | |
| ## „Problematische Eingriffe in Forschung“ | |
| Rund zwei Dutzend Professor*innen kritisieren den Antrag in einer | |
| Stellungnahme dann auch scharf. Sie begrüßen zwar das Ziel, antisemitische | |
| Diskriminierung und Gewalt an Unis und Schulen zu verhindern. Gleichzeitig | |
| warnen sie aber vor einer „Reihe von problematischen Eingriffen in | |
| Forschung, Lehre sowie universitäres und schulisches Leben.“ Kritisiert | |
| wird etwa, dass Antisemitismus im Antrag isoliert betrachtet werde und | |
| antimuslimischer Rassismus ignoriert werde. Dabei bestehe eine „komplexe | |
| Verschränkung“ zwischen beiden Entwicklungen. | |
| Der Antrag erkenne zudem nicht an, dass die Grenze zwischen Antisemitismus | |
| und legitimer Kritik an Israel umstritten sei. Der Ansatz, Judenhass vor | |
| allem durch Repression zu bekämpfen, sei falsch. Und der zunehmend verengte | |
| Diskursraum drohe, Lerneffekte im Unterricht und Lehrveranstaltungen | |
| unmöglich zu machen. Auch müsse die Vergabe von Fördermitteln weiter von | |
| politischer Einflussnahme frei bleiben. | |
| Auch Miriam Rürup, Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums für | |
| europäisch-jüdische Studien Potsdam, hat die Stellungnahme unterzeichnet. | |
| Sie sagte der taz: „Es wird die Chance verpasst, Minderheitenschutz | |
| integrativ anzugehen.“ Und beklagt: „Stattdessen stehen alle Signale auf | |
| Repression.“ | |
| Rürüp fürchtet, der Antrag könne wissenschaftlichen Ausstausch unmöglich zu | |
| machen, weil dann auch legitime Kritik an Israels Regierung zum | |
| Ausschlusskriterium würde. „Eventuell wäre es dann nicht einmal mehr | |
| möglich, Wissenschaftler wie meinen engen Kollegen Gadi Algazi von der Uni | |
| Tel Aviv einzuladen“, so Rürup, „nur weil er die besatzungskritische | |
| israelisch-palästinensische Gruppe Taayush gegründet hat und sich auch für | |
| andere von der Netanjahu-Regierung inkriminierte zivilgesellschaftliche | |
| Organisationen einsetzt.“ | |
| ## „Nachhaltige Strategie gegen Judenhass“ | |
| Hanna Veiler, Präsidentin der jüdischen Studierendenunion, nennt den Antrag | |
| im Gespräch mit der taz dagegen einen „wichtigen Schritt, um langfristig | |
| sachlichere Diskurse zu ermöglichen und antisemitischen Narrativen | |
| entgegenzutreten.“ Sie sagte weiter: „Gerade in Zeiten, in denen | |
| Desinformation immer einfacher zugänglich ist und weitläufig zirkuliert, | |
| ist die Beschäftigung mit der komplexen Geschichte Israels dringend | |
| notwendig.“ | |
| Auch die Grünen-Abgeordnete Marlene Schönberger betont im Gespräch mit der | |
| taz, dass der Antrag auf eine nachhaltige Strategie gegen Judenhass | |
| abziele. „Bildungsarbeit ist unabdingbar im Kampf gegen Antisemitismus“, | |
| sagt sie. Gesetze, die bei antisemitischen Vorfällen greifen könnten, | |
| würden oft nicht umgesetzt, deshalb müssten Polizist*innen und | |
| Jurist*innen besser über Antisemitismus informiert werden. | |
| Schönberger sei es wichtig, sich an „die Seite der jüdischen Lernenden und | |
| Lehrenden“ zu stellen. Sie grenzt den Antrag auch gegen restriktivere | |
| Vorschläge ab. „Wer immer nur schärfere Gesetze fordert und Asyl- und | |
| Migrationsrechte einschränken will, instrumentalisiert die Aufmerksamkeit | |
| für den Antisemitismus zu anderen Zwecken.“ | |
| Nikolas Lelle von der Amadeu-Antonio-Stiftung sagt: „Den Impuls finde ich | |
| richtig.“ Die Lage an den deutschen Schulen und Unis sei „desaströs“: | |
| Juden*Jüdinnen seien Angriffen und Diskriminierung ausgesetzt, genauso | |
| wie diejnigen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen. Allerdings: Die | |
| Forderung nach mehr Koordination zwischen Universitäten und | |
| Sicherheitsbehörden bereite ihm ebenfalls „Unbehagen“, so Lelle. „Aber i… | |
| versteh, woher die Forderung kommt.“ | |
| ## Anstieg von Antisemitismus | |
| Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist die Zahl | |
| antisemitischer Vorfälle auch in Deutschland dramatisch angestiegen. Auch | |
| an den Universitäten gab es immer wieder Angriffe. So verletzte etwa Anfang | |
| 2024 ein Student in Berlin einen jüdischen Kommilitonen schwer. Jüdische | |
| Studierende berichteten schon zuvor von einem Klima der Angst und | |
| Einschüchterung. | |
| Bei propalästinensischen Protesten, die es an vielen Unis gab, tauchten | |
| Hamas-Symbole auf, teils skandierten die Demonstrierenden antisemitische | |
| Parolen. An manchen Orten gingen die Unileitungen gegen die | |
| Protestveranstaltungen vor und ließen sie räumen, andernorts durften die | |
| Demonstrant*innen gewähren. | |
| 14 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://fragdenstaat.de/dokumente/250171-f-98-24-a_antisemitismus_an_schule… | |
| [2] /Antisemitismus-Resolution/!6047674 | |
| [3] /Antisemitismus-Resolution-des-Bundestags/!6044424 | |
| [4] /Soziologin-ueber-Antisemitismusresolution/!6046643 | |
| ## AUTOREN | |
| Frederik Eikmanns | |
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