# taz.de -- Haftbefehl gegen Netanjahu: Sollte die deutsche Polizei Netanjahu v… | |
> Heftig umstritten: Der Umgang mit dem Haftbefehl des Internationalen | |
> Strafgerichtshofs gegen Netanjahu, falls er nach Deutschland kommt. | |
Bild: Musste seinerzeit noch keine Handschellen fürchten: Benjamin Netanjahu b… | |
## Pro | |
Es gehörte über Jahrzehnte hinweg zu den Grundpfeilern der deutschen | |
Außenpolitik, die Weiterentwicklung des Völkerrechts und einer | |
internationalen Strafjustiz zu unterstützen. Dieser parteiübergreifende | |
Konsens ist jetzt bedroht, seit der [1][Strafgerichtshof in Den Haag] gegen | |
den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl | |
erließ. Plötzlich bestehen Zweifel. | |
„Niemand steht über dem Gesetz“, hat Außenministerin Baerbock jetzt | |
dankenswerterweise klargestellt. Damit rückt sie den fatalen Eindruck | |
zurecht, den Regierungssprecher Stefan Hebestreit am vergangenen Freitag in | |
einer Pressekonferenz erweckte. Hebestreit sagte dort, es falle ihm schwer, | |
sich vorzustellen, dass Netanjahu in Deutschland verhaftet werden würde. | |
Dafür braucht es aufgrund der deutschen Geschichte in der Tat viel | |
Fantasie. Doch es klang, als würde sich Deutschland nicht an | |
internationales Recht gebunden fühlen. | |
Manche in der Union tun das offenbar tatsächlich nicht. Hessens | |
Regierungschef Boris Rhein nannte den Haftbefehl „absurd“, CSU-Chef Markus | |
Söder „befremdlich“, und sein Parteifreund Alexander Dobrindt reiste sogar | |
nach Israel, um Netanjahu demonstrativ die Hand zu schütteln. Das zeigt | |
nicht nur, dass sie sich nicht ernsthaft mit den Vorwürfen | |
auseinandersetzen wollen. Damit legen sie auch die Axt an einen | |
Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik, ja einer regelbasierten | |
Weltordnung. | |
## In Gesellschaft von Orbán, Putin und Trump | |
Ungarns Premierminister Viktor Orbán lud Netanjahu sogar nach Budapest ein. | |
Das ist aus seiner Sicht nur konsequent: Als das gleiche Gericht im | |
vergangenen Jahr Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin | |
erließ, akzeptierte er diesen genauso wenig. Man muss es so klar sagen: Wer | |
den Haftbefehl gegen Netanjahu infrage stellt, der stellt sich in eine | |
Reihe mit Autokraten wie Orbán, [2][Putin] und Donald Trump. Ihnen allen | |
sind Regeln und Gesetze egal. Sie vertreten das Recht des Stärkeren. | |
Schon jetzt stehen die Richter in Den Haag unter enormen Druck. Wenn Trump | |
sein Amt antritt, könnte er einzelne Mitarbeiter des Gerichtshofs | |
persönlich bestrafen. Deutschland muss sich entscheiden: Will es auf der | |
Seite einer regelbasierten Weltordnung stehen? Oder auf der Seite eines | |
Verbündeten, dem schlimme Verbrechen vorgeworfen werden? Darauf gibt es nur | |
eine richtige Antwort. Eigentlich. Daniel Bax | |
## CONTRA | |
Die Frage stellt sich schon deshalb konkret nicht, weil sich der | |
israelische Ministerpräsident in nächster Zeit höchstwahrscheinlich nicht | |
auf Staatsbesuche begeben wird. Für den Fall, dass er doch kommt, | |
signalisierte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock allerdings bereits, | |
dass sie in die Falle der antiisraelischen Globalpropaganda getappt ist: | |
Niemand stehe über dem Gesetz, antwortete sie auf entsprechende Fragen zum | |
Haftbefehl gegen den israelischen Regierungschef. | |
Deutschland halte sich an [3][Recht und Gesetz, auch auf internationaler | |
Bühne]. US-Präsident Joe Biden indes wies schon die Fragestellung zurück. | |
Er wisse ja, dass Netanjahu und seine Regierung harte Kritik verdienen, | |
aber nicht wegen des Krieges gegen die Hamas und die Hisbollah an sich, | |
sondern weil Israels demokratisch gewählte Regierung in ihrer Kriegsführung | |
schwere Fehler begangen hat und weiter begeht. | |
Nicht der Krieg im Gazastreifen scheint für Biden problematisch zu sein, | |
sondern dass Israel keine Strategie anbieten kann für die Zeit nach dem | |
Krieg. Es fehlt seit Beginn der Militäroperation gegen die | |
palästinensische Terrororganisation Hamas, die es aus Sicht Netanjahus zu | |
zerstören gilt, jegliche politische Perspektive, außer im Gazastreifen | |
[4][eine dystopische Landschaft zu hinterlassen]. Ein Plan für die Zukunft | |
– unbekannt. | |
Wahr ist, dass es Netanjahu war, der die Hamas zumindest tolerierte und | |
deren mörderischen Wahn nicht erkennen konnte; wahr ist weiterhin, dass er | |
alles sabotierte, was für die palästinensischen Nachbarn nach einer | |
Perspektive auf einen eigenen Staat erschien. Netanjahu ist zugleich jener | |
Mann, der mit seinen faktisch rechtsradikalen Alliierten den israelischen | |
Rechtsstaat zu zerstören trachtet, der also die Pfade des demokratischen | |
Zionismus längst verlassen hat. | |
## Innenpolitisch ist Netanjahu gestärkt | |
Das alles sind Delikte, die die israelische Gesellschaft lösen muss. Der | |
internationale Haftbefehl indes lässt das Land zusammenwachsen und macht | |
Netanjahu in Israel noch populärer. Selbst aus der Opposition kam Kritik an | |
dem Haftbefehl. Der Internationale Strafgerichtshof nimmt es – so erscheint | |
es vielen – Israel übel, dass es überfallen wurde und sich militärisch zu | |
wehren hatte, allein schon der nach wie vor [5][in Gaza festgehaltenen | |
Geiseln] wegen. Der Haftbefehl nützt Netanjahu innenpolitisch – und das ist | |
das eigentliche Problem. Jan Feddersen | |
26 Nov 2024 | |
## LINKS | |
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[4] /Haftbefehl-gegen-Netanjahu/!6048843 | |
[5] /Krieg-im-Gazastreifen/!6034537 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
Jan Feddersen | |
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