# taz.de -- Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu: Er wird nicht mehr kommen | |
> Auch angegriffene Staaten dürfen nicht alles. Israels Regierungschef | |
> müsste jetzt festgenommen werden. Doch die Diskussion ist eher | |
> theoretisch. | |
Bild: Internationaler Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag: Haftbefehl gegen Neta… | |
Es gibt keinen Krieg, der gerechtfertigter ist als der, den Israel seit dem | |
7. Oktober 2023 in Gaza führt“, sagte Israels Premierminister Benjamin | |
Netanjahu, als er von dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs | |
(IStGH) erfuhr. | |
Das ist eine Nebelkerze. Natürlich erkennt der Gerichthshof das | |
Selbstverteidigungsrecht Israels an. Doch auch [1][ein angegriffener Staat] | |
darf bei seiner Verteidigung keine Kriegsverbrechen und keine Verbrechen | |
gegen die Menschlichkeit begehen. Nur darum geht es in den Haftbefehlen. Ob | |
das gesammelte Material am Ende eine Verurteilung trägt, kann erst in einer | |
mündlichen Verhandlung geklärt werden – wenn es je dazu kommt. | |
Der Gerichtshof hat auch nicht Israel und [2][die Hamas] gleichgestellt. | |
Zwar wurden am gleichen Tag sowohl Haftbefehle gegen Netanjahu und | |
Ex-Verteidigungsminister Yoav Gallant als auch gegen Hamas-Militärchef | |
Mohammed Deif erlassen. Damit wollte der IStGH aber offensichtlich deutlich | |
machen, dass er nicht einseitig gegen Israel vorgeht. Das war dem | |
Gerichtshof offensichtlich so wichtig, dass er sogar einen Haftbefehl gegen | |
Mohammed Deif beschloss, obwohl der wahrscheinlich seit Monaten nicht mehr | |
lebt. | |
## Unter vier Augen künftig in Israel | |
Natürlich wäre der Internationale Strafgerichtshof unzuständig, wenn Israel | |
selbst mögliche Kriegsverbrechen in Gaza verfolgen würde. Damit hatte die | |
Bundesregierung im Vorfeld der Haftbefehle argumentiert. Allerdings reicht | |
die bloße Möglichkeit nicht aus. Israel müsste wirklich ernsthafte | |
Ermittlungen gegen Netanjahu und Gallant einleiten. Diese Möglichkeit | |
besteht auch weiterhin. Doch solange Netanjahu Ministerpräsident ist, kann | |
damit wohl kaum gerechnet werden. | |
Die Bundesrepublik muss nun – wie alle 124 Vertragsstaaten, die den IStGH | |
tragen – Netanjahu und Gallant festnehmen, sobald sie deutschen Boden | |
betreten. Sie kann sich dieser Pflicht auch nicht durch den Hinweis auf | |
Netanjahus völkerrechtliche Immunität als Regierungschef entziehen. Zwar | |
ist Israel kein Vertragsstaat des IStGH. Doch das ist Russland auch nicht. | |
Und dennoch hat die Bundesregierung im Vorjahr erklärt, sie würde Wladimir | |
Putin verhaften, nachdem der IStGH gegen ihn im März 2023 einen Haftbefehl | |
erlassen hat. Putin und Netanjahu müssen (bei allen sonstigen | |
Unterschieden) im Hinblick auf die Immunität gleichbehandelt werden. | |
Ob Netanjahu verhaftet würde, ist aber eine eher theoretische Diskussion. | |
Denn Netanjahu wird nicht mehr nach Deutschland kommen, solange der | |
Haftbefehl besteht. Dafür wird schon die Bundesregierung sorgen, die sich | |
so die heikle Abwägung zwischen Unterstützung für Israel und Unterstützung | |
für den Internationalen Strafgerichtshof erspart. Wenn etwas unter vier | |
Augen besprochen werden muss, werden deutsche Kanzler eben nach Israel | |
reisen müssen. | |
## Einschätzungsspielraum in außenpolitischen Fragen | |
Auf die Frage, ob Deutschland Waffen nach Israel liefern kann, werden die | |
Haftbefehle nur mittelbare Auswirkungen haben. Die derzeitige Regierung von | |
Olaf Scholz hält Waffenlieferungen für vertretbar, weil Israel zugesagt | |
hat, die Waffen nur völkerrechtskonform einzusetzen. Dass der IStGH nun die | |
bisherige Kriegsführung für illegal und strafbar hält, dürfte den Wert | |
solcher Zusagen allerdings erschüttern, vor allem, solange Israel die | |
Einschätzung des IStGH in keiner Weise akzeptiert. | |
Die Bundesregierung hat in außenpolitischen Fragen aber einen weiten | |
Einschätzungsspielraum, den auch die von Palästinensern angerufenen | |
deutschen Verwaltungsgerichte bisher betonten. Die Frage der | |
Waffenlieferungen bleibt also eine politische Frage, bei der aber die | |
Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs nun die | |
Rahmenbedingungen verändert, sowohl national als auch international. | |
23 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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