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# taz.de -- Schwedens Energiepolitik: Blind für die Gefahren
> Schweden setzt neben Wasserkraft auf Atomenergie als wichtigste Säule der
> Energieversorgung. Die Offshore-Windkraft wird dabei vernachlässigt.
Bild: In Deutschland werden die Gefahren der Atomkraft viel kritischer gesehen …
Da sind uns leider die Hände gebunden, die [1][Sicherheit des Landes geht
vor]. Das versteht ihr doch?! So lautete sinngemäß die Botschaft der
schwedischen Regierung, als sie in diesem Monat die Genehmigung für 13
Offshore-Windkraftprojekte ablehnte.
Sie sollten vor Schwedens Ost- und Südküste künftig mehr Strom produzieren
können, als das Land derzeit insgesamt verbraucht – gut für die geplante
Elektrifizierung von Industrie und Transportwesen, spätestens 2045 will
Schweden klimaneutral sein. Wäre also schön gewesen, aber das Militär riet
ab. Die Windräder seien ein Risiko für Schwedens Sicherheit, sie könnten
Signale stören und dadurch wichtige militärische Aufklärungsarbeit
erschweren.
Natürlich ist nicht erst seit dem jüngsten Sabotageverdacht wegen zwei
beschädigter Untersee-Datenkabel klar, dass die Ostsee sicherheitspolitisch
eine sensible Region ist. Dennoch entstand der Eindruck, die Regierung
bedaure die Absage nur pro forma, denn es ist nicht einmal versucht worden,
eine Lösung zu finden, damit beide wichtigen Interessen des Landes zu ihrem
Recht kommen – die militärisch Sicherheit und der Ausbau der
Energieversorgung.
Die Kritik kam von den schwedischen Grünen ebenso wie von Militärexperten
und, natürlich, aus der Windindustrie. Der Rüstungskonzern Saab gab zudem
an, seine Überwachungssensoren hätten keine Probleme mit Windrädern. Und
die Sozialdemokraten forderten die Regierung auf, dann halt zu sagen,
welche Gebiete für Offshore-Projekte passen würden.
## Wahlkampf mit „Wäldern aus Stahl“
Auch in Schweden betonen Windkraftgegner, die Abneigung habe nichts mit
Ideologie, sondern mit Physik zu tun – zu wetterabhängig, zu schwer
speicherbar, zu teure Anschlusskosten. Wer glaube, man könne Kernkraft
komplett mit Windenergie ersetzen, glaube wohl auch an den Weihnachtsmann.
Auf dem Niveau bewegte sich eine Debatte im schwedischen Parlament. Die
christdemokratische Energieministerin Ebba Busch hatte im Wahlkampf über
„Wälder aus Stahl“ gelästert und Windenergie an Land damit in unangenehmen
Kontrast zum Nationalheiligtum Wald gestellt. Busch „liebt“ Kernenergie und
ihre liberal-konservativen Koalitionspartner von den Moderaten lieben sie
dafür.
Die Ministerin hebt gern stolz hervor, dass die Regierung das bisherige
Ziel, Schweden bis 2040 auf 100 Prozent erneuerbare Stromproduktion
umzustellen, umgeändert hat. „100 Prozent fossilfrei“ heißt es inzwischen.
Kernenergie als Klimaretter – sie ist ja nicht die Einzige, die so
argumentiert. Abgesehen davon ist die Stromproduktion in Schweden bereits
„fossilfrei“.
Die Neudefinition des Ziels bedeutete wohl vor allem, dass die
Anstrengungen für mehr Erneuerbare nachlassen konnten. Der Knackpunkt ist
die künftig benötigte Menge an Strom. Die jetzt abgesagten Windkraftanlagen
hätten schneller liefern können als jedes der [2][erträumten
Atomkraftwerke].
## Sicherheit als Totschlagargument
Zähneknirschend hatte auch Ebba Busch irgendwann einräumen müssen, dass
Schweden bis zur goldenen Kernkraftzukunft mehr Windenergie braucht.
Allein: Für sie bleibt es eine Zwischenlösung, die Basis der
Energieversorgung bleibe neben der Wasserkraft die Atomkraft.
Der schwedische Minister für Zivile Verteidigung, Carl-Oskar Bohlin, tat
die Kritik an der Offshore-Entscheidung in der Ostsee gegenüber der taz als
unqualifizierte Äußerungen üblicher Verdächtiger ab. Diese Leute hätten
eben nicht den vollen Überblick über die militärischen Sicherheitsaspekte.
Damit bemüht Bohlin ein Totschlagargument.
Mit ihrer Geschichte als Windkraftzauderer wirken die
Pro-Windkraft-Beteuerungen der Regierung – man habe doch einen
Offshore-Park an der Westküste genehmigt und der Windenergieausbau an Land
sei auch vorangegangen – gerade nur wie das nötigste PR-Mindestmaß.
Den Eindruck verstärken Einzelaktionen wie die abgesagte Finanzierung des
Netzanschlusses für einen Vattenfall-Windpark vor Trelleborg. Begründung:
Man könne Offshore-Projekte nicht stärker fördern als Windkraft an Land.
Das Projekt pausiert jetzt.
## Unkritische Einstellung zur Atomkraft
Warum leistet sich Schweden die Verlangsamung des Windkraftausbaus? Weil es
bislang, zumindest politisch, eine Alternative hat. Nicht alle lieben
Kernkraft so wie die Energieministerin. Aber Atomkraft existiert als ein
Teil der schwedischen Normalität, die aus deutscher Sicht seltsam wirkt.
Kernkraft ist in dieser Normalität vor allem verlässlich und
klimafreundlich. Über die hohen Kosten für die Allgemeinheit – der aktuelle
Plan sieht günstige staatliche Kredite sowie Strompreis-Mindestgarantien
für Erbauer vor – wurde aufgeregt diskutiert. Darüber, was ansonsten gegen
Atomkraftwerke sprechen könnte, eher nicht.
Schweden hat kürzlich sogar die erste Endlagerfrage geklärt, die
ausstehende Genehmigung durch ein Gericht für Umwelt- und Landfragen wurde
erteilt. 500 Meter tief in einem Berg wird der Atommüll in mit Kupfer
versiegelten Kapseln gelagert, eingebettet in Bentonit-Ton.
Wo ein Endlager beschlossene Sache ist, wird es bei künftigem Bedarf auch
noch mehr geben. [3][Kritiker wie die von Greenpeace weisen darauf hin,
dass die Haltbarkeit der Kupferversiegelungen unsicher ist], aber die
Regierung vertraut offenbar anderen Experten. Tatsache ist: Die Deutschen
müssen sich damit abfinden, dass ihr Atomausstieg in Schweden keine
Vorbildfunktion hat. Und die schwedische Regierung darf sich nicht wundern,
dass man ihnen ihre Windkraft-Positivity nicht abnimmt.
Wäre das schwedische Militär in einer früheren Phase der Offshore-Pläne
eingeschaltet worden, hätte man sich die öffentlichkeitswirksame
Interessenkollision zwischen Energieversorgung und Feindüberwachung in der
Ostsee vielleicht sparen können. Die Botschaft „Windkraft, jetzt nicht nur
hässlich, sondern auch gefährlich für die Sicherheit des ganzen Landes!“
war alles andere als gut für die Akzeptanz von Windkraft im skeptischen
Teil der Bevölkerung.
25 Nov 2024
## LINKS
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[3] /Atommuell-in-Schweden/!5832409
## AUTOREN
Anne Diekhoff
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