# taz.de -- Weil er Kita einen Christbaum schenkte: Gärtner wegen Hausfriedens… | |
> Das Amtsgericht Hamburg hat einen Gärtner zu 3.000 Euro Geldstrafe | |
> verurteilt. Er hatte einer Kita ungebeten einen Christbaum vor die Tür | |
> gestellt. | |
Bild: In Kitas nicht mehr selbstverständlich: der Weihnachtsbaum | |
Hamburg taz | Florian Schröder, 53, hat eine Holzeisenbahn in den | |
Gerichtssaal mitgebracht. Sie steht neben ihm auf der Anklagebank. Es sei | |
alles so traurig, sagt der Gärtner, als er das Urteil hört und schüttelt | |
den Kopf. Er habe nur Freude schenken wollen. | |
Das nahm die Richterin am Landgericht Hamburg ihm nicht ab. In einer | |
Verhandlung am Dienstag verurteilte sie Schröder zu einer Strafe von 30 | |
Tagessätzen à 100 Euro, wegen Hausfriedensbruchs. Die Rechtslage sei | |
relativ simpel, sagte sie. „Es gab ein Tor. Es ist nicht gewünscht, dass | |
einfach jeder dieses Gelände betritt. Und das ist zu akzeptieren.“ | |
Der Pinneberger Schröder ist Geschäftsführer eines Online-Shops für | |
Pflanzen. In einer Nacht im Dezember 2023 hatte er einen Weihnachtsbaum mit | |
Geschenken vor eine Kita in Hamburg-Lokstedt gestellt. Deren Leitung hatte | |
daraufhin Anzeige bei der Polizei erstattet. | |
Seine Tat bestritt der Angeklagte nicht. Wohl aber die Strafbarkeit, wie er | |
über seinen Anwalt verlauten ließ. Dieser argumentierte, dass das Tor zur | |
Kita nicht verschlossen gewesen sei. Die Aktion sei somit mit dem Einwerfen | |
von unerwünschter Werbung vergleichbar und wie diese nicht strafrechtlich | |
zu verfolgen. | |
## Gärtner gibt sich unwissend | |
Außerdem, so sein Anwalt, habe Schröder nicht wissen können, dass die Kita | |
keinen Weihnachtsbaum wünsche. Er habe gedacht, dass diese den Baum aus | |
anderen Gründen nicht habe anschaffen können. Mit der Aktion habe er | |
lösungsorientiert im Sinne der Kita handeln wollen. Zudem habe er im Sinne | |
der Integration für alle Kinder hochwertige Geschenke besorgt, wie die | |
Holzeisenbahn, die er hier in den Gerichtssaal mitgebracht habe. Die Aktion | |
habe „im Ergebnis eine gute Tat“ sein sollen. | |
Die Staatsanwältin wies diese Argumente als falsch zurück. Sie betonte, | |
dass Schröder den Baum aufgestellt hat, obwohl er gewusst habe, dass dies | |
dem Willen der Kitaleitung widersprach. Dieser sei hinreichend in | |
Medienberichten deutlich geworden. Zudem sei der Fall nur deshalb vor | |
Gericht gelandet, weil der Angeklagte die Einstellung gegen Bußgeld | |
abgelehnt hat. Dem Angeklagten attestierte sie daher „absolut fehlende | |
Einsichtsfähigkeit“. | |
Die Kita stand im Winter 2023 im Fokus eines medialen Shitstorms. Auslöser | |
war, dass ein Brief der Kita an die Eltern aus dem November 2023 an die | |
Lokalpresse weitergegeben worden war. In dem Schreiben stand, dass es im | |
betreffenden Jahr „im Sinne der Religionsfreiheit keinen Weihnachtsbaum in | |
der Kita geben soll“, und „keine christlichen Feste gefeiert werden | |
sollen“. Zugleich stand darin aber auch, dass Kekse gebacken, | |
Adventskalender gebastelt und die Gruppenräume geschmückt werden sollten. | |
Trotzdem war die Berichterstattung über den Elternbrief von Empörung | |
geprägt. Der Kita wurde unterstellt, christliche Traditionen abschaffen zu | |
wollen. Bundesweite Medien berichteten. Der bayerische Ministerpräsident | |
Markus Söder (CSU) kommentierte den Fall auf X mit den Worten: „Zu | |
[1][Weihnachten gehört ein Weihnachtsbaum].“ Die Hamburger Kita erhielt | |
Hass- und Drohnachrichten und wurde von Medienvertreter*innen | |
belagert. | |
Der Kita-Träger bezeichnete den Elternbrief der Zeit Online gegenüber | |
später als inhaltlich falsch, er sei im stressigen Kita-Alltag geschrieben | |
worden und missverständlich formuliert gewesen. Wie in diesem Jahr auch | |
habe es [2][in der Kita] immer weihnachtliche Aktivitäten gegeben. | |
Allerdings habe es während des zehnjährigen Bestehens der Kita erst circa | |
dreimal einen [3][Weihnachtsbaum] gegeben. Über die Dekoration würden die | |
Teams zusammen mit den Kindern entscheiden. | |
Die Weihnachtsbaumaktion des Gärtners bezeichnete Linda Köster, Vorstand | |
des Kita-Trägers, im Interview mit Zeit Online als sehr bedrohlich. „Das | |
ist keine nette Geste, sondern pure Provokation, die einschüchternd wirkt.“ | |
Auf dieses Interview verweist die Kita ein Jahr später auch auf Nachfrage | |
der taz. Man habe sich im Winter 2023 bereits ausführlich geäußert. „Wir | |
bitten Sie daher um Verständnis, dass wir von weiteren Anfragen zu diesem | |
Thema absehen möchten, da unsere zeitlichen Ressourcen insbesondere für die | |
Unterstützung von Kindern, Familien und unseren Teams erforderlich sind.“ | |
Auch im Amtsgericht Hamburg war die Kita nicht als Prozessbeteiligte in der | |
Verhandlung vertreten. Wohl aber waren im Publikum mehrere Zuschauende im | |
Saal, die den Angeklagten Schröder unterstützten. Mehrere Menschen trugen | |
T-Shirts mit der Aufschrift „Kein Baum ist illegal“. | |
Zwei Männer bezeichneten sich auf Nachfrage der taz als Unterstützer und | |
das Urteil als „unmöglich“. Einer der beiden kritisierte, dass „[4][aus | |
Weihnachtsmärkten Wintermärkte]“ würden und sich momentan alles verändere. | |
„Wir müssen auch die ganze Welt respektieren.“ | |
Als der Prozess vorbei ist, bietet Florian Schröder seine Holzeisenbahn der | |
Richterin und der Staatsanwältin an. Ohne Erfolg. Die will schon wieder | |
niemand geschenkt haben. | |
19 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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