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# taz.de -- Erledigungen im Alltag: Das Körbchen ist niemals leer
> Früher habe ich versucht, immer „alles“ zu schaffen, was anstand. Heute
> weiß ich, dass das nicht geht und lasse Etliches lieber liegen.
Bild: Handarbeit statt Hamsterrad: So ging das Körbe-Flechten im Mittelalter
Es ist schon einige Jahre her – meine Kinder waren noch klein und meine
Texte handelten eigentlich durchgängig von meinem Gefühl „alles“ nicht
schaffen zu können – da bekam ich einen sehr netten Leserbrief einer sehr
alten Dame. Es war ein richtiger Brief, mit Schreibschrift auf Papier und
Briefmarke. Ich habe ihre Worte nie vergessen. Sie riet mir, mit den
schönen Dingen des Lebens keinesfalls auf den Moment zu warten, an dem
„alles“ erledigt sei. Dieser Tag werde nie kommen.
Wörtlich schrieb sie: „Das Körbchen ist niemals leer“. Ein weiser Rat, den
ich natürlich – wie es mit weisen Ratschlägen eben so ist – nicht befolgen
konnte. Am Ende des Briefes stand, dass ich ihr nicht antworten, sondern
stattdessen mir etwas Gutes tun solle. Ich nahm mir trotzdem vor ihr zu
danken, hab’s aber nicht geschafft.
Bis heute würde ich gerne „alles“ schaffen, aber ich weiß wenigstens
mittlerweile, dass das nicht möglich ist – vor allem, weil ich neben dem,
was ganz objektiv erledigt werden muss, ununterbrochen neue Ideen habe, was
ich lieber tun würde und womit ich am besten schnell noch anfange. In
Kombination mit meinem beschissenen [1][Zeitmanagement], macht das das
effektive Abarbeiten von Aufgaben unmöglich.
Deswegen habe ich endgültig aufgehört ein leeres Körbchen anzustreben. Mein
E-Mail-Postfach mit 1.892 ungelesenen Nachrichten ist dafür der eindeutige
Beweis. Nur wenn mein Mann beim Anblick der langsam wachsenden großen,
roten Zahl gequält auflacht, nehme ich sie überhaupt wahr.
## Ich will richtige Sachen machen
Natürlich tut mir das für meinen Mann leid (den sogar Unerledigtes anderer
Menschen stresst) und viel mehr noch für diejenigen, die keine Antworten
von mir bekommen haben. Ich versuche wirklich so gut es geht, regelmäßig
drängende Mails abzuarbeiten.
Den Rest will ich später erledigen, wozu ich nie komme, weil dann schon
wieder neue Mails angefallen sind. Je mehr man schreibt, umso mehr kommt
wieder rein: Den Teufelskreis muss doch jemand durchbrechen. Ich will
einfach nicht mehr so viel Zeit am Computer und damit auch in der
werbebasierten Informationsmüllhalde Internet verbrennen. Ich will richtige
Sachen machen.
Gerade eben habe ich beispielsweise „Das Körbchen ist niemals leer“
gegoogelt, um zu sehen, ob es wohl ein bekanntes Sprichwort ist. Ich hatte
keinen direkten Treffer, aber trotzdem 656.000 Ergebnisse (wobei ich erst
mal eine weitere Suche starten musste, um herauszufinden, wie ich mir bei
Google die Anzahl der Suchergebnisse wieder anzeigen lassen kann und mich
dann verloren habe bei der erfolglosen Recherche darüber, warum [2][Google]
die Anzeige neuerdings überhaupt verbirgt). Egal.
## Körbseln macht glücklich
Auf einen Körbchen-Sinnspruch bin ich auf jeden Fall nicht gestoßen, nur
auf ein paar trauernde Hundemenschen. Alle restlichen 655.997 Einträge
bezogene sich auf ganz andere Körbchen. Ich könnte sie so zusammenfassen:
Die hundert häufigsten Fragen zum Thema BH, die ich mir noch nie gestellt
habe und deren Antworten mich gar nicht interessieren, die mich aber
trotzdem eine volle Stunde von der Arbeit abgelenkt haben. Und das, obwohl
in Sachen Büstenhalter meine Körbchen wirklich leer sind.
Ob es nun Weisheit ist, Erschöpfung oder Bocklosigkeit kann ich nicht
sagen, doch wenn ich mich nicht gerade um unsere Kinder kümmere, lasse ich
immer öfter alles andere liegen (auch das Drängende) und flechte Körbe. Aus
Ästen, Gräsern, Rinde, Wolle oder alten Socken – ich kann aus fast allem
einen Korb machen.
Ich weiß nicht warum, aber [3][mich macht das Körbseln (wie meine Tochter
diesen Zustand nennt) glücklich]. Noch weniger weiß ich zum Leidwesen
meines Mannes, was ich mit den ganzen Körben eigentlich will. Ich bin eben
einfach gerne mal glücklich und immerhin ist jedes neue Körbchen erst mal
ganz leer – das ist dann auch für meinen Mann schön – wenigstens solange,
bis ich ein paar Äpfel oder Steine reinlege und ihn auf den Tisch stelle.
20 Nov 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Birte Müller
## TAGS
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