Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Frühere Hamburger Esso-Häuser: Staatsbegräbnis für Wunschproduk…
> Mit einer Privatfirma kauft der städtische Hamburger Wohnungskonzern Saga
> das Esso-Areal an der Reeperbahn. Damit soll jahrelanger Stillstand
> enden.
Bild: Hätte mal das Ergebnis einer kollektiven „Wunschproduktion“ sein sol…
Hamburg taz | Dafür, dass das Gestrüpp ungestört seit zehneinhalb Jahren
auf der Brachfläche des [1][Hamburger Esso-Areals] an der Reeperbahn
wuchert, herrschte am Montagmorgen eine erstaunliche Hektik: Kurzfristig
luden Finanzsenator Andreas Dressel, Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein
und der Leiter des Bezirksamts Mitte, Ralf Neubauer (alle SPD), zu einer
Pressekonferenz in St. Pauli ein, um einen lange erwarteten „Durchbruch“ zu
verkünden.
Das städtische Wohnungsunternehmen Saga will zusammen mit dem privaten
Hamburger Immobilienunternehmen Quantum die 6.000 Quadratmeter große Fläche
kaufen – und endlich wieder bebauen. „Wir hoffen, im nächsten Jahr alle
Planungen abzuschließen, sodass wir die Bebauung 2028 fertigstellen“, sagte
Saga-Vorstand Thomas Krebs am Montag.
Die neuen Pläne für das „Palomaviertel“ getaufte Areal sehen eine gemisch…
Nutzung vor: Einerseits sollen 164 Sozialwohnungen in den sechs- und
achtstöckigen Wohngebäuden entstehen, teils für vergleichsweise geringe
7,10 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen ein Hotel mit 350 Zimmern und
weitere kleinere Gewerbeflächen, eine Kita sowie ein Gebäude „nur für die
Kreativwirtschaft mit Räumen für einen Musikclub und für viele weitere
Kreativnutzungen“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Pein.
In Teilen decken sich die Vorhaben mit den Planungen, um die viele Jahre
gerungen wurde: Seit dem Abriss der republikweit bekannten Esso-Tankstelle
und der benachbarten Wohnhäuser im Frühjahr 2014 machten
Stadtteilaktivist:innen Druck auf die Politik und den Eigentümer, die
Bayerische Hausbau AG. Entgegen der ursprünglichen Pläne einer Bebauung mit
maximaler Rendite gelang es, ein auch international beachtetes
Stadtplanungs- und Bürgerbeteiligungsprojekt auf die Beine zu stellen.
## Die Planbude und der Kompromiss
Die „Planbude“, in der sich Anwohner:innen zu einer kollektiven
„Wunschproduktion“ zusammengefunden hatten, verhandelte mit dem Eigentümer
und der Politik einen Kompromiss: Auf den Bau von Eigentumswohnungen etwa
sollte verzichtet werden, ein öffentlicher Platz auf dem Dach und eine
Stadtteilkantine sollten im Neubau berücksichtigt werden, auch sollten
Räume einem Musikclub vorbehalten werden.
Diese Verhandlungen waren schon 2016 abgeschlossen, [2][doch dann geschah
lange nichts.] Im Sommer vergangenen Jahres bestätigte die Bayerische
Hausbau eine länger schon kursierende Vermutung: Sie wolle das Areal nun
doch nicht mehr bebauen, sondern verkaufen. Seither habe es lange
Verhandlungen zwischen Stadt, dem alten und den künftigen Eigentümern
gegeben.
„Wir haben von diesen Ideen so viel es ging übernommen“, sagte
Bezirksamtschef Neubauer am Montag hinsichtlich des Planbuden-Kompromisses
– räumte aber auch ein, dass angesichts massiv gestiegener Baukosten auf
manche Vorhaben, die wenig bis keine Rendite bringen, verzichtet werde.
Damit sich Mieter:innen für die kulturellen Flächen finden, will die
Stadt 6,8 Millionen Euro bereitstellen, damit die Mieten unter der für
einen Neubau üblichen Höhe liegen. Rund 200 Millionen Euro veranschlagen
Saga und Quantum für den Bau. Aber weder Krebs noch Frank Gerhard Schmidt,
Vorstandsmitglied von Quantum, wollten sich am Montag zum Kaufpreis äußern.
Gordon Gorski, Geschäftsführer der Bayerischen Hausbau, sprach von einem
Verkauf „mit kleinem Verlust“.
Ob sich dieser Verlust auf die geschätzten 19 Millionen Euro bezieht, die
das Unternehmen 2009 für das Grundstück bezahlt haben soll, scheint
angesichts der Wertentwicklung innerstädtischer Flächen unwahrscheinlich.
Aus der Hamburger SPD war am Montag zu vernehmen, dass der bisherige
Eigentümer den Wert seines Grundstücks zuvor „deutlich reduziert“ habe.
Dass um die Zukunft des Areals so intensiv gerungen wurde, liegt nicht nur
an der exponierten Lage an der Reeperbahn, sondern auch an dem dramatischen
Ende der alten Esso-Häuser: Als die Bayerische Hausbau AG den
Gebäudekomplex 2009 kaufte, investierte sie kaum noch in den Erhalt.
Kurz vor Weihnachten 2013 hatten die verbliebenen rund 100
Bewohner:innen plötzlich wegen Einsturzgefahr ihre Wohnungen aufgeben
müssen. Auch der Musikclub Molotow, in dem an jenem Abend noch ein Konzert
stattfand, war auf einmal obdachlos.
Den seinerzeit evakuierten Bewohner:innen versprach Saga-Chef Krebs am
Montag ein Rückkehrrecht, sofern sie Anspruch auf eine Sozialwohnung haben.
Das [3][Molotow], das eigentlich auch an die alte Stätte zurückziehen
wollte, wird wohl nicht zurückkehren – es bezieht im kommenden Jahr ein
anderes Gebäude auf der Reeperbahn.
## Aktivisten wenig glücklich
Die Aktivist:innen der Planbude zeigten sich am Montag wenig glücklich
mit der Einigung. Zwar müsse man sich die Detailplanungen noch ansehen,
aber mit dem seinerzeit vereinbarten „St. Pauli Code“, der eine
kleinteilige Stadtentwicklung mit öffentlicher Beteiligung vorsieht, habe
das Projekt nichts mehr zu tun, sagt [4][Planbuden-Aktivist Christoph
Schäfer]. „Und architektonisch erreicht es nicht das Niveau der alten
Pläne“. In die nun abgeschlossenen Verhandlungen eingebunden wurde die
Planbude auch nicht.
Auch die Linksfraktion in der Bürgerschaft hat am Montag bereits einige
Kritikpunkte angemerkt: „Vor allem die Vereinbarungen zugunsten des
Stadtteils scheinen auf der Strecke zu bleiben“, sagt Heike Sudmann,
stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion.
So erklärte auch Saga-Vorstand Krebs am Montag, dass Räume etwa zur
kostenfreien Nutzung für den Stadtteil in den neuen Plänen bisher nicht
vorgesehen seien. Auch, dass das geplante Hotel nun 350 Zimmer haben soll,
statt zuvor angedachten 150, sieht Sudmann kritisch.
18 Nov 2024
## LINKS
[1] /Esso-Haeuser-an-der-Reeperbahn-in-Hamburg/!5952778
[2] /Geplatztes-Bauprojekt-in-Hamburg/!5950046
[3] /Hamburger-Musikclub/!6021810
[4] https://planbude.de/
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Hamburg
Esso-Häuser
Immobilien Hamburg
Kreativwirtschaft
Clubsterben
Hamburg
wochentaz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hamburger Musikclub: Rettung für das Molotow
Dem bekannten Hamburger Musikclub Molotow drohte wegen einer Kündigung das
Aus. Nun hat der Club mit Hilfe der Stadt eine neue Location gefunden.
Angst vor dem Clubsterben: Ganz Hamburg liebt das Molotow
Dem „Molotow“ in St. Pauli droht das Aus, weil es einem Hotel weichen soll.
Von den Punks bis zur CDU sind sich alle einig, den Club retten zu wollen.
Esso-Häuser an der Reeperbahn in Hamburg: Die Brache auf dem Kiez
Nach dem Abriss der Esso-Häuser an der Reeperbahn rangen Anwohner:innen
dem Investor Zugeständnisse ab. Nun steht alles auf der Kippe.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.