# taz.de -- Was Karl Marx und „Twilight“ verbindet: Bis(s) zum Ende des Kap… | |
> „Twilight“ ist eine Liebesgeschichte. Vor allem eine zwischen | |
> Kapitalisten und den lebendigen, arbeitenden Menschen, die sie ausbluten | |
> lassen. | |
Bild: Kristen Stewart als Bella Swan und Robert Pattinson als Edward Cullen in … | |
Herbstzeit ist [1][„Twilight“]-Zeit, so will es das Gesetz. Die | |
„Twilight“-Saga ist Nostalgie pur, wer früher dafür ausgelacht worden ist, | |
trägt seine Liebe zu den schlecht gespielten Filmen jetzt mit Stolz. Dazu | |
beigetragen haben auch die zahlreichen soziokulturellen Abhandlungen über | |
den Stoff. Mehrere wissenschaftliche Beiträge drehen sich um Edwards und | |
Bella drei Romane anhaltende Enthaltsamkeit und die scheinbar unvermeidbare | |
Geburt des Kindes (da freuen sich die Abtreibungsgegner*innen). | |
Doch die Liebe zwischen Edward und Bella beinhaltet so viel mehr! Das | |
wusste bereits [2][Karl Marx]. Mit Hilfe von Vampiren versuchte er seine | |
Kritik an Kapitalisten zu äußern. Denn es ist so: Karl war zwar ein toller | |
Denker, doch viel Spaß machte das Lesen seiner Werke nicht (im Gegensatz zu | |
dieser Kolumne). Daher nutzte er Bilder und Figuren aus Fabeln und | |
Theaterstücken, um seine Gedanken zu formulieren. | |
Eine seiner zentralen Thesen lautet: Wenn man aus seinem Geld mehr machen | |
will, dann will man Profit erwirtschaften und das ist im Kapitalismus das | |
treibende Motiv. Es geht darum, Geld zu investieren, um Waren herzustellen | |
und diese mit Gewinn zu verkaufen. | |
Dafür benötigt man Arbeitskraft. Arbeit ist eine Form des Kapitals, da der | |
Kapitalist nicht selbst arbeitet, sondern Maschinen und Material kauft und | |
arbeiten lässt. Das Problem: Es ist kein selbstbestimmtes Arbeiten möglich, | |
das Kapital bestimmt, wo und wie wir knechten müssen. Ziel ist nicht, | |
Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die Akkumulation von mehr. Um Wert zu | |
generieren, saugt das Kapital den Arbeiter*innen seit Jahrhunderten die | |
Lebenskraft aus. | |
Genauso tun es auch [3][Vampire], sie sind unersättlich. Obwohl die Vampire | |
in „Twilight“ wenig mit denen aus Marx’ Büchern zu tun haben, lassen sich | |
in der Saga Motive der Kapitalismuskritik finden. | |
Die Vampire in „Twilight“ sind keine in Särgen lebenden, verstaubten | |
Oldies, sondern jung, dynamisch und trendy. Sie passen sich der | |
schnelllebigen Gesellschaft an und leben den Traum jedes Kapitalisten: Sie | |
sind 24/7 wach und produktiv. | |
Für Marx ist die verlängerte Arbeitszeit nur ein Tropfen, der den Durst des | |
Vampirs nicht stillen kann. In einer Welt, in der das Geld nicht schläft, | |
können Menschen aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen nicht | |
mithalten. Schlaf ist die einzige Zeit, die nicht der Maschine der | |
Profitabilität verfallen kann und wird deshalb als etwas Störendes | |
empfunden. | |
Die Fetischisierung durch Bella von Edward Cullens marmorähnlichem Körper | |
(hart, kalt, weiß, funkelt in der Sonne) zeigt: die perfekte Verkörperung | |
von „old money made new“. | |
## Tote versus lebende Arbeit | |
Größter Höhepunkt für die Geschichte ist die brutale Geburt der gemeinsamen | |
Tochter. Edward reißt Bella den Bauch mit seinen Zähnen auf, um das Kind | |
aus ihr herauszuholen. Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive des | |
Werwolfs Jacob, der dagegen ist, weil Bella so in einen Vampir verwandelt | |
wird. Klar, denn Werwölfe, frei von Herren und Kapital, sind die | |
natürlichen Feinde von Vampiren. Man könnte meinen, Marx hätte sich die | |
Szene ausgedacht. Schon er wusste: Tote Arbeit (Edward) saugt wie ein | |
Vampir an lebendiger Arbeit (Bella), um zu überleben. | |
Am Ende gibt es jedoch ein Happy End: Bella verwandelt sich in einen | |
Blutsauger, lässt ihren menschlichen Körper mit all seinen Schwächen hinter | |
sich und löst sich von ihrem Dasein als bedeutungslose Konsumentin des | |
Kapitalismus. | |
18 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Anastasia Zejneli | |
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