# taz.de -- Zeitungskrise: Im Namen der Demokratie | |
> Nach dem Ampel-Desaster wird in Deutschland eine Pressehilfe immer | |
> unwahrscheinlicher. Es gibt aber neue Lösungen. | |
Bild: Ohne Förderung ist die Presse bedroht. Vom Verkauf und den Anzeigen lass… | |
Angesichts rückläufiger Auflagen und der teils missglückten Verlagerung ins | |
Onlinegeschäft wird die Luft für Presseerzeugnisse dünner. Die | |
journalistische Arbeit ist vor allem im Osten Deutschlands kein Vergnügen | |
mehr. Bundesweit lässt sich die Presse allein über Abonnements und Werbung | |
kaum noch finanzieren. Wie Medienschaffende in Zukunft unter würdevollen | |
finanziellen Bedingungen arbeiten sollen, beschäftigt daher seit Jahren | |
viele Akteure. | |
Von der „[1][staatlichen Zustellförderung]“ über die Idee einer | |
„Null-Prozent-Mehrwertsteuer“ über einen „Medienfonds“ bis zur | |
„strukturellen Innovationsförderung“ kursieren Ideen, die den Wert der | |
Presse als Grundpfeiler einer freiheitlichen Demokratie herausstellen. Die | |
Versprechen der Ampel waren sehr konkret. Das Ergebnis wird eine Beerdigung | |
dritter Klasse sein. Allerdings gilt die Förderung der Presse unter | |
Experten von jeher als vermintes Gelände, weil der Grundsatz der | |
Staatsferne eingehalten werden muss. | |
Dabei geht es vor allem um die Nachvollziehbarkeit und Verhältnismäßigkeit | |
der Vergabe von Steuergeldern. Die Gefahr besteht, dass Strukturförderungen | |
den freien Wettbewerb stören. So ist die Frage berechtigt, warum nicht | |
gleich alle Unternehmen Steuermillionen empfangen sollen, weil doch alle | |
Medienhäuser mit ökonomischen Zwängen zu kämpfen haben. Zu den weiteren | |
Sensibilitäten gehört, dass journalistisch-redaktionelle Inhalte von | |
Staatswegen bislang nicht förderfähig sind, auch solche Projekte nicht, die | |
im Kern kommerziellen Zwecken dienen. | |
Ob diese Grenze immer klar gezogen werden kann, darf bezweifelt werden. | |
Angesichts der [2][bevorstehenden Neuwahlen] können somit alle bisherigen | |
Fördermaßnahmen der Presse bis auf weiteres als gescheitert gelten. Mit | |
einer Neuauflage dieser journalistischen Innovationsförderung ist | |
allenfalls in der nächsten Legislatur zu rechnen. Das gilt offenkundig auch | |
für einen weiteren sinnvollen Vorstoß, den Journalismus im Sinne der | |
Gemeinnützigkeit zu fördern, sei es durch öffentliche Zuwendungen, | |
Stiftungsgelder oder private Spenden. | |
## Auf absehbare Zeit keine Fördermaßnahmen | |
Um zu verhindern, dass derlei Finanzquellen politischer Einflussnahme | |
ausgesetzt sind, gilt diese Rechtsform als von sich aus staatsfern. | |
Gemeinnütziger Journalismus ist steuerrechtlichen Transparenzregeln | |
unterworfen, die öffentliche Zuwendungen nach dem Gießkannenprinzip | |
verhindern helfen und somit eine verdeckte staatliche Presseförderung | |
ausschließen. Vorläufig sind indes alle Hoffnungen auf eine | |
Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus geplatzt. | |
Auch deshalb erscheint er keine umfassende Lösung für eine faire, | |
transparente und vor allem: möglichst flächendeckende Presseförderung zu | |
sein. Für den Perspektivwechsel lohnt – wie so oft – ein Blick über den | |
Tellerrand: Das putzige Luxemburg gilt vielen als großes Vorbild für eine | |
[3][nationale Presseförderung]. | |
Seit die EU-Medienkommission aus Brüssel 2021 grünes Licht für die Reform | |
des staatlichen Beihilfesystems gab, können sich Redaktionen, die ihren | |
Sitz in der parlamentarischen Monarchie mit den rund 670.000 Einwohnern | |
haben, über einen stattlichen Geldsegen freuen: Jede Redaktion erhält | |
pauschal eine jährliche „Innovationshilfe“ (226.275 Euro), dazu gibt es | |
einen variablen Förderanteil von 33.941 Euro pro vollzeitbeschäftigtem | |
Redakteur. Bei beiden Beträgen handelt sich – wohlgemerkt – um Zuschüsse. | |
Aus einem internen Papier ist zu erfahren, dass auch der DJV mit einer | |
solchen staatlichen Medienförderung liebäugelt, die „alle förderrelevanten | |
Bereiche – sowohl redaktionelle als auch operative – erfassen“ und „alle | |
Möglichkeiten der Fördermechanismen – sowohl auf Bundes- als auch auf | |
Landesebene – ausschöpfen“ könne. Die Förderung dürfe sich dabei nicht | |
ausschließlich auf Printprodukte und deren Zustellung konzentrieren. | |
## Das Luxemburger Modell | |
Mit Blick auf die seit der [4][Coronapandemie] äußerst angespannte | |
Haushaltslage hierzulande, muss das für die heimischen Medienhäuser wie ein | |
Schlaraffenland aussehen. In Luxemburg ist die unbürokratische Pressehilfe | |
in den Medienhäusern nicht zuletzt deshalb hochwillkommen, weil sie als | |
„technologieneutraler Fördermechanismus“ die Print- und Onlinepublikationen | |
gleichermaßen einschließt: Geförderte Medien müssen regelmäßig erscheinen | |
und dürfen keine Nischenpublikationen sein, sich also nicht nur an eine | |
bestimmte Gruppe von Lesern richten, wenn sie die Förderung beanspruchen | |
wollen. | |
Und sie müssen mindestens fünf Journalisten beschäftigen, die eine | |
„Pressekarte“ vorweisen können, den vom luxemburgischen Presserat | |
ausgestellten Berufsausweis. Herausgestellt hat sich inzwischen auch, dass | |
kleinere Medien in Luxemburg bessere Überlebenschancen haben, seit die | |
Pressehilfe erhöht wurde. Einen weiteren kongenialen Ansatz, wie eine | |
künftige Journalismusförderung aussehen könnte, von der möglichst viele | |
profitieren, verfolgt der im Sommer gestartete Media Forward Fonds (MFF), | |
eine private Stiftungsinitiative mit Sitz in Berlin zur Förderung des | |
Journalismus in Österreich, Deutschland und der Schweiz. | |
Mit dem MFF sollen gemeinwohlorientierte Medien gefördert werden, „die mit | |
neuen Geschäftsmodellen experimentieren“. Gemeint sind Medien, die ihre | |
Gewinne in Journalismus reinvestieren. Bisher verfügt der Fonds über neun | |
Millionen Euro von renommierten Stiftungen wie Schöpflin, Rudolf Augstein | |
und Mercator. Ziel ist die Summe von 25 Millionen Euro. | |
Mit dem Ampel-Aus und der [5][Trump-Wiederwahl] steht die Presse mehr unter | |
Druck als jemals zuvor. Eine gemeinsame Förderbasis für den Journalismus zu | |
schaffen, bleibt notwendig. Der Appell an die Politik kann nur lauten: | |
Schaut euch eine funktionierende Pressehilfe wie in Luxemburg an, | |
ermöglicht weitere Initiativen wie den Berliner Stiftungsfonds und gebt dem | |
gemeinnützigen Journalismus Rechtssicherheit. | |
17 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Keine-Zustellfoerderung-fuer-Zeitungen/!5972131 | |
[2] /Neuwahlen/!6046847 | |
[3] https://www.wort.lu/politik/staat-foerdert-medien-mit-fast-zehn-millionen-e… | |
[4] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746 | |
[5] /Donald-Trump-waehlt-seine-Mannschaft/!6046782 | |
## AUTOREN | |
Stephan Weichert | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Medienpolitik | |
Journalismus | |
Krise der Demokratie | |
Social-Auswahl | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Kolumne Flimmern und Rauschen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Das Ende der Hamburger Morgenpost: Metropole ohne Boulevard | |
Die „Hamburger Morgenpost“ erscheint seit vergangener Woche nicht mehr | |
täglich. Seither fehlt unserem Autor etwas im Tagesalltag. | |
Ende der Sonntagszeitungen: Nur noch am Tablet | |
An Ostern gibt es die Wochenendausgaben von gleich zwei Berliner Zeitungen | |
zum letzten Mal: Tagesspiegel und Morgenpost. Sonntagszeitungen sind out. | |
Presseförderung: Und täglich grüßt der Osterhasi | |
Den Verlagen geht es schlecht. Wie gut da doch eine überdachte | |
Presseförderung wäre. Aber leider kommt da die Ampel ins Spiel. |