# taz.de -- Megahafen in Peru: Chinas Drehscheibe für den Handel mit Lateiname… | |
> Ein Megahafen soll die peruanische Stadt Chancay zum Singapur | |
> Lateinamerikas machen. Eigentümer ist die chinesische Firma Cosco. Peru | |
> bleibt außen vor. | |
Bild: Infrastruktur für Chinas Zukunft: Arbeiter im neuen Hafen von Chancay | |
Hamburg taz | „Cosco Shipping Chancay Terminal“ steht an jeder der vier 60 | |
Meter hohen, himmelblau lackierten Containerbrücken. Die erste Bauphase des | |
knapp achtzig Kilometer nördlich von Lima gelegenen Hafens Chancay ist | |
praktisch abgeschlossen. Der Tiefwasserport, der bis 2032 insgesamt | |
fünfzehn Containerbrücken erhalten soll, ist nicht nur für Peru, sondern | |
auch für China ein Megaprojekt. Er gilt als wichtiges Teil der neuen | |
chinesischen Seidenstraße. | |
Und deshalb nutzt Chinas Präsident Xi Jining auch seine Visite beim Gipfel | |
der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in Lima, um die | |
extrem moderne Anlage an diesem Donnerstag gemeinsam mit der | |
[1][peruanischen Interims-Präsidentin Dina Boluarte] einzuweihen. Ob er | |
tatsächlich bei der offiziellen Zeremonie dabei sein konnte, blieb bis | |
zuletzt wegen Sicherheitsbedenken offen. | |
Hergerichtet ist in Chancay jedenfalls alles für die Einweihung des | |
Megaprojekts, dessen erste Bauphase 1,3 Milliarden US-Dollar verschlungen | |
hat und in das während der fünf weiteren Bauphasen bis 2032 noch einmal 2,3 | |
Milliarden US-Dollar investiert werden sollen. „11 weitere Containerbrücken | |
sollen hier entstehen, das Umland erschlossen, die Verkehrsanbindung | |
verbessert werden – die Pläne sind gigantisch“, so Alejandro Chirinos. Der | |
Soziologe ist Analyst der Entwicklungsorganisation CooperAcción und hat | |
sich auf die peruanische Pazifikküste spezialisiert, die mit dem Megahafen | |
zur Drehscheibe für die ganze Region werden soll. | |
Diesen Plan hat auch Raúl Pérez Reyes betont: „Unser Ziel ist es, das | |
Singapur Lateinamerikas zu werden“, wirbt der Verkehrsminister. Chancay | |
solle den gesamten Handel mit Asien abwickeln. Dabei geht es nicht nur um | |
die Verschiffung von peruanischen Waren, sondern auch um Produkte aus | |
Nachbarländern wie Brasilien, Bolivien, Paraguay oder Venezuela und | |
Argentinien. | |
## Flaschenhals Peru | |
In 25 Tagen sollen die Waren von Chancay nach Shanghai gelangen – 10 Tage | |
schneller als bisher. Schiffe der Post-Panamaklasse mit einer Kapazität von | |
bis zu 24.000 Containern sollen in dem Hafen an- und ablegen. Optimal für | |
die Strategen aus dem Reich der Mitte: Die Anlagen sind zu großen Teilen | |
automatisiert und der Hafen ist über einen mehrspurigen Tunnel direkt mit | |
der Panamericana verbunden, die in den Norden gen USA und in den Süden nach | |
Chile führt. Der Hafen ist als Hub für die langfristige Versorgung mit den | |
[2][wichtigen Ressourcen Lateinamerika gedacht: Kupfer, Lithium, Edel- und | |
sonstige Industriemetalle,] aber auch Lebensmittel. | |
Dafür muss die lokale Infrastruktur aber noch ausgebaut werden, denn die | |
Panamericana ist laut Chirinos in Peru längst zum „Bottleneck“ geworden. | |
„Deshalb ist der Bau neuer Autobahnen, von Hightech-Industrieparks und die | |
Ansiedlung von Dienstleistungsgewerbe geplant. Jobs sollen rund um Chancay | |
en Gros entstehen und damit werben nicht nur die peruanischen | |
Verantwortlichen, [3][sondern auch Cosco Shipping]“, fasst der Soziologe | |
das Gesamtvorhaben zusammen. Begeistert ist er davon nicht. | |
Kein Wunder, denn mit dem Arbeitsplatz-Argument wird gern von den | |
Versäumnissen abgelenkt: Im Hafen von Chancay haben peruanische Offizielle | |
nichts zu melden. Cosco Shipping, das chinesische Staatsunternehmen, hält | |
60 Prozent der Anteile und gibt bei allem den Ton an. | |
Das wird in Peru, aber auch in den USA nicht gern gesehen. Chancay sei ein | |
„Dual-Use-Port, der eben auch militärisch genutzt“ werden könne, ärgern | |
sich US-Militärs. Die USA verlieren seit rund zwei Jahrzehnten auf | |
ökonomischer, politischer und militärischer Ebene an Einfluss in Mittel- | |
wie Südamerika. Chancay ist ein Symbol dafür. Allerdings auch für das | |
Versagen der peruanischen Institutionen, denn nicht die Nationale | |
Hafenbehörde (APN) entscheidet, wer an den Terminals ablegen, arbeiten und | |
mit Waren handeln darf, sondern allein Cosco. | |
## Umwelt, Artenschutz? Egal | |
Dadurch kontrolliert das Staatsunternehmen die kostspieligen Schiffsrouten, | |
diktiert Preise, kann Güter billiger handeln. Als das bekannt wurde, sorgte | |
es in Peru für Proteste. Der Verdacht der Korruption machte die Runde. Doch | |
statt die Vorwürfe zu untersuchen, sorgten der Kongress, das Parlament, per | |
Gesetz dafür, dass alles nachträglich legalisiert wurde, kritisiert | |
Alejandro Chirinos. | |
Für die Stadt und das nahegelegene Schutzgebiet Santa Rosa, wo zahlreiche | |
Seevögel brüten und ihren Nachwuchs aufziehen, eine schlechte Nachricht. | |
Ein Umweltgutachten, das der deutsche Biologe Stefan Austermühle im Auftrag | |
von CooperAcción und der peruanischen Menschenrechtskoordination | |
durchgeführt hat, weist auf offene Fragen und Defizite in der offiziellen | |
Bewertung von Cosco hin. „Aber letztlich wurde alles durchgewunken“, | |
kritisiert Chirinos. Im Ergebnis seien die Brutgebiete existenziell | |
gefährdet. | |
Auch die lokalen Fischer klagen schon jetzt, vor der Nutzung des | |
Megahafens, über sinkende Fangquoten und weniger Vielfalt im Netz. Zudem | |
müssen sich tausende Familien in der 60.000-Einwohner-Stadt darauf | |
einstellen, im Rahmen der nächsten Bauetappen des Hafens enteignet zu | |
werden. „Alles wurde über die Köpfe der lokalen Bevölkerung entschieden. | |
Partizipation Fehlanzeige“, kritisiert der Soziologe von CooperAcción. Das | |
ist recht typisch in Peru. Allerdings habe sich das unter | |
[4][Interims-Präsidentin Dina Boluarte verschärft], die nur über fünf | |
Prozent Zustimmung der Bevölkerung verfügt und gegen die wegen Korruption | |
ermitteln wird. | |
14 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Perus-Praesidentin-Dina-Boluarte/!6011808 | |
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[3] /Streit-um-MSC-Einstieg/!6014919 | |
[4] /Bericht-zu-Repression-in-Peru/!6024689 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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