# taz.de -- Belarus in der Nations League: Auswahl einer Diktatur | |
> Im Fußballnationalteam von Belarus spielen nur die politisch | |
> Verlässlichen. Die Uefa billigt das. Nächster Gegner ist Nordirland. | |
Bild: Fans von Dinamo Minsk protestieren beim Conference League-Spiel in Warsch… | |
Wassil Chamutowski gehört zu den wenigen Spielern aus Belarus, die auch in | |
Westeuropa gefragt waren. Anfang des Jahrtausends spielte der ehemalige | |
Torhüter auch in Deutschland, unter anderem für Carl Zeiss Jena und den FC | |
Augsburg. Chamutowski bestritt 26 Länderspiele. Er genoss in Belarus | |
einen guten Ruf, aber in Sicherheit war er nicht. | |
Nach seiner Karriere arbeitete Chamutowski als Trainer, zuletzt im | |
ukrainischen Lwiw. 2022 verletzte er sich beim Training am Knie. Er reiste | |
nach Minsk, um sich operieren zu lassen, doch bei der Ankunft wurde er | |
festgenommen und für 15 Tage inhaftiert. Danach musste sich Chamutowski | |
regelmäßig bei den Behörden melden. Seine Trainerlaufbahn könnte zu Ende | |
sein. | |
Trotz dieser Entwicklung darf Belarus, ein enger Partner Russlands, im | |
Fußball im internationalen Spielbetrieb teilnehmen. An diesem Freitag ist | |
Belarus in der Nations League in Nordirland zu Gast, am Montag in | |
Bulgarien. Als hätte es die Eskalationen der vergangenen Jahre nicht | |
gegeben. | |
Im Sommer 2020 hatten nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen in | |
Belarus Hunderttausende gegen den Autokraten Alexander Lukaschenko | |
demonstriert. [1][Unter ihnen waren Dutzende Sportler, Funktionäre und | |
Trainer], darunter der ehemalige Torwart Wassil Chamutowski. „Das Regime | |
schlägt hart zurück“, sagt der Aktivist und frühere Handballmanager | |
Alexander Apeikin. „Kritische Stimmen werden dämonisiert und zum Schweigen | |
gebracht, damit sich Proteste nicht wiederholen können.“ | |
## Nationalstürmer weigert sich | |
Alexander Apeikin gründete 2020 mit Kollegen die Belarusian Sport | |
Solidarity Foundation. Sie verurteilten in einem offenen Brief die Gewalt | |
des Staats gegen die Demonstrierenden und forderten freie Wahlen, mehr als | |
2.000 Menschen aus dem Sport unterzeichneten. Im Fußball stellten sich | |
Spieler in einem Video gegen die Niederschlagung der Proteste. „Lukaschenko | |
betrachtete Sportler als Botschafter seines Landes“, sagt Apeikin. | |
„Politische Äußerungen lehnt er ab. Einige Spieler können ihre Karriere | |
nicht mehr fortsetzen – und andere wollen es nicht.“ | |
Einer der besten belarussischen Stürmer, [2][Ilja Schkurin,] postete 2020 | |
auf Instagram die weiß-rote Flagge der Opposition, dazu die Botschaft: „Ich | |
weigere mich, die Interessen der Nationalmannschaft zu vertreten, solange | |
das Regime Lukaschenko herrscht.“ Schkurin ist inzwischen für den | |
polnischen Klub Stal Mielec aktiv. Seit den Protesten ist er nicht mehr | |
nach Belarus gereist. | |
Andere Spieler, die auch protestierten, aber im Land blieben, wurden nicht | |
mehr für das Nationalteam nominiert, etwa der Verteidiger Nikolaj Zolotow | |
und der Mittelfeldspieler Stanislaw Drahun. Einige ihrer Kollegen mussten | |
sich auch in ihren belarussischen Klubs mit der Reserverolle begnügen. | |
„Viele Sportler beugten sich dem Druck und zeigten Reue“, sagt Alexander | |
Apeikin, der nun in der Ukraine lebt. „Einige nahmen an Propagandavideos | |
teil. Sie wollen ihre Familien und Freude vor der Repression schützen.“ | |
Seit Langem platziert Alexander Lukaschenko in Sportverbänden und | |
Sportministerium Vertraute aus Militär, Staatsbetrieben und Parlament. Auch | |
Athleten haben Verbindungen zu Geheimdienst und Polizei. Daher war es nicht | |
verwunderlich, dass der belarussische Fußballverband 2020 zur Wahl | |
Lukaschenkos aufrief und nach den Protesten wichtige Spieler öffentlich | |
fallen ließ. „Es spielen nicht die Besten, sondern die politisch | |
Verlässlichen“, schrieb der Journalist Igor Lenkewitsch im Onlinemedium | |
Dekóder. | |
## Haftstrafen und Zwangsabstieg | |
Doch die Eingriffe gingen tiefer. Mindestens ein Dutzend Sportvertreter | |
wurden zu Haftstrafen verurteilt, unter ihnen der Rugbyfunktionär | |
Aliaksandr Danilevich und der American-Football-Spieler Rastislau | |
Stefanovich. Zudem wurde der Fußballklub Krumkachy, dessen Spieler sich | |
gegen Polizeigewalt ausgesprochen hatten, aus der zweiten in die dritte | |
Liga versetzt. Und reichweitenstarke Sportmedien wie Tribuna, die über | |
protestierende Fußballer berichteten, wurden gesperrt. | |
Trotz dieser politischen Einflussnahme im Fußball darf die | |
Nationalmannschaft aus Belarus internationale Pflichtspiele bestreiten. | |
Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, den Lukaschenko | |
unterstützt, muss Belarus seine „Heimspiele“ jedoch außerhalb des Landes | |
bestreiten. In der Regel in Ungarn oder Serbien, in zwei Staaten, die dem | |
russischen Präsidenten Wladimir Putin relativ nahestehen. | |
Seit Kriegsbeginn 2022 hat Belarus in Minsk nur ein Freundschaftsspiel | |
bestritten: im vergangenen Juni gegen Russland, das von der Uefa | |
ausgeschlossen wurde. Für das belarussische Staatsfernsehen war es das | |
„Spiel des Jahres“. Proteste hatte das Regime nicht zu fürchten, sagt der | |
belarussische Journalist Yagor Khawanski, der in Litauen lebt: „Seit Jahren | |
gehen Polizei und Geheimdienst gegen Subkulturen vor. Auch mehrere Ultras | |
wurden in Schauprozessen zu Haftstrafen verurteilt.“ Ein Fan, der 2020 | |
protestiert hatte, wurde tot in einem Wald aufgefunden. Die genaue Ursache: | |
unklar. | |
Proteste sind nur im Ausland möglich. In der vergangenen Woche war Dinamo | |
Minsk in der Conference League bei Legia Warschau zu Gast. Polnische Fans | |
und belarussische Exilanten zeigten Dutzende Banner gegen Lukaschenko. Das | |
belarussische Fernsehen übertrug die Partie nicht. Ähnliche Bilder könnte | |
es an diesem Freitag in Belfast geben, wo die Nationalmannschaften aus | |
Nordirland und Belarus in der Nations League aufeinandertreffen. | |
Wie also mit Belarus umgehen? Die Fußballerinnen aus Litauen wollten in der | |
Qualifikation für die EM 2025 keine Kompromisse eingehen. Sie lehnten ihre | |
beiden Spiele gegen Belarus ab. [3][Die Uefa] sprach ihnen eine Geldstrafe | |
aus und werteten beide Partien mit 3:0 für Belarus. | |
15 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=LPmW9XtBdKY | |
[2] /Fussballer-gegen-Lukaschenko/!5706462 | |
[3] /!5707958/ | |
## AUTOREN | |
Ronny Blaschke | |
## TAGS | |
Belarus | |
Fußball | |
Uefa | |
Belarus | |
Kolumne Russisch Brot | |
Olympische Winterspiele 2022 | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zivilgesellschaft in Belarus: Unermüdlicher Einsatz für die Demokratie | |
Für ihr Engagement bekommt die Menschenrechtsaktivistin Ina Rumiantseva den | |
Werner-Schulz-Preis. Ihre Eltern waren Teil der Bürgerbewegung in der DDR. | |
Russlands Rückkehr in den Weltsport: Anhaltender Bann | |
Ein ukrainischer Blogger plaudert Details aus einer vertraulichen Sitzung | |
der Uefa aus. Russische Medien nehmen seine Vorlage dankbar auf. | |
Aus Belarus geflüchtete Leichtathletin: Widerständige Sprinterin | |
Die Wahlpolin Krystsina Tsimanouskaja verpasst über die 200 Meter knapp das | |
Halbfinale. Bei Olympia 2021 war sie noch im belarussischen Team. | |
Rückkehr russischer Juniorenteams: Zurück auf der Fußballbühne | |
Die Uefa wird russische Jugendmannschaften an internationalen Turnieren | |
teilnehmen lassen. Die Ukraine und England kündigen Boykott an. |