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# taz.de -- Wegen antisemitischer Postings: Urteil gegen Kurator:in
> Ein Berliner Gericht verurteilt Edwin Nasr als erste Person des
> Kunstbetriebs wegen antisemitischer Postings. Nasr habe die
> Hamas-Massaker gebilligt.
Bild: Gedenken an die Toten: Schuhe ermordeter Festivalbesucher:innen nach der …
Montagvormittag, Amtsgericht Tiergarten. Die Zuschauerbänke in
Verhandlungsaal B101 füllen sich. Gut 20 Personen aus dem Berliner Kunst-
und Clubmilieu sind gekommen. Sie wollen Kurator:in Edwin Nasr Beistand
leisten.
Nasr muss sich dort wegen Billigung von Straftaten verantworten. Genauer:
weil Nasr am frühen Morgen des 8. Oktober 2023, nur wenige Stunden nach den
Massakern der islamistischen Hamas, drei Story-Beiträge auf seinem
persönlichen Instagram-Account teilte, die die Verbrechen der Hamas „durch
Verbreiten von Inhalten gebilligt haben“, wie Anklägerin Annette
Gintaut-Verheijen zum Auftakt des Prozesses verliest.
Auf Instagram postete Nasr unter anderem eine historische Darstellung
antikolonialer Kämpfe. Dazu schrieb Nasr mit Verweis auf die Angriffe gegen
israelische Zivilisten: „Zur Hölle mit allen, die an diesem Punkt nicht in
der Lage sind, die Schönheit revolutionärer Gewalt zu erkennen oder sich
ihr hinzugeben, auch (oder gerade) wenn sie zu ‚unerträglicher‘ Brutalität
führt.“
Darauf folgte ein weiterer [1][Beitrag, in dem ein Bild mit vor der Hamas
fliehenden Besuchern des Nova-Festivals übertitelt wurde mit „Poetische
Gerechtigkeit“]. Nasr verteidigt sich damit, von den Massakern zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung nichts gewusst zu haben; nicht der Backlash
habe die Löschung der Postings veranlasst, sondern Reue, als Nasr erfuhr,
dass es sich um Massaker handele.
Dazwischen sei Nasr im Technoclub Berghain gewesen, wo „Handynutzung
bekanntlich eingeschränkt ist“, wie Verteidiger Benjamin Düsberg zu
verstehen gibt. Von Medienberichten habe Nasr also keine Kenntnis nehmen
können, die Angriffe der Hamas hielt Nasr zunächst für harmlose „Störungen
durch Gleitschirm-Flieger“.
## Hass führt zu neuem Hass
Aber auch von Nasrs vorgetragener Zusammenarbeit mit öffentlichen
Institutionen wie dem Goethe-Institut oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung
lässt sich Anklägerin Gintaut-Verheijen nicht erweichen. Die
Staatsanwaltschaft erkennt Nasrs Schuld, fordert 60 Tagessätze von 25 Euro.
Im Abschlussplädoyer sagt die Anklägerin: „Hass führt nur zu neuem Hass und
so geht die Spirale weiter.“
Verteidiger Düsenberg erhebt Einspruch, zeigt auf den anwesenden Zeugen und
Anzeigenerstatter, den Welt-Journalisten Boris Pofalla, und fragt, warum
nicht deutsche Medien und Politik auf der Anklagebank säßen. Schließlich
billigten sie ständig „schwerste völkerrechtliche Verbrechen“ – gemeint
sind die der israelischen Regierung. Richterin Karin Nissing fällt ihr
Urteil binnen weniger Minuten. Sie hält Nasr für schuldig, ist sich sicher,
Nasr habe die Postings in vollem Bewusstsein der Massaker verfasst. Das
Urteil: 50 Tagessätze von 20 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Nasr wird vor dem Gerichtssaal freudig von Unterstützern in Empfang
genommen. In einem der taz vorliegenden Instagram-Posting sieht man die
Gruppe siegessicher in die Kamera lächeln. Darunter steht „J’Accuse the
house down“ – ein Verweis auf die historische Dreyfus-Affäre, den
antisemitischen Gerichtsprozess, der Theodor Herzl einst davon überzeugte,
dass nur der Zionismus die Antwort auf das Problem des Judenhasses sein
kann.
Eine übergeordnete Bedeutung für die Debatte um den Judenhass im
Kulturbetrieb hat auch das Urteil gegen Kurator:in Nasr: Erstmals wurde
damit eine Person der Kulturszene für Social-Media-Postings zum 7. Oktober
verurteilt – entschuldigende Narrative rechtlich entkräftigt. Eine
Klarheit, die die oft auf Behauptungen beruhende Debatte beruhigen könnte.
Ob weitere Prozesse wie dieser folgen, bleibt abzuwarten. Öffentlich
diskutiert wurden bereits vergleichbare Postings von [2][Künstlerinnen wie
Jumana Manna] oder Noor Abuarafeh. Wieder wird die Frage entscheidend sein:
Haben sie von den Massakern gewusst?
13 Nov 2024
## LINKS
[1] /Abwege-des-Aktivismus-in-der-Kunst/!5971023
[2] /Antisemitismus-in-Institutionen/!5998648
## AUTOREN
Jonathan Guggenberger
## TAGS
Antisemitismus
Politische Kunst
Kunst
Gaza
Israel
Hamas
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Freie Universität Berlin
Debatte
Anti-Israel
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