Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berliner Kurator verurteilt: Er verbreitete Hass-Collagen nach dem …
> Der Kurator Edwin Nasr postete kurz nach dem Hamas-Überfall auf das
> Supernova Festival Collagen, die diesen verherrlichten. Nun wurde er
> verurteilt.
Bild: Ein israelischer Soldat sichert das Gelände des Musikfestivals Supernova…
Bereits am Morgen des 8. Oktober 2023 berichteten Medien davon, was auf
[1][dem Supernova Musikfestival] im Süden Israels passiert war. Am Tag
zuvor, dem 7. Oktober 2023, hatten Terroristen der palästinensischen Hamas
das Land überfallen. Das Festival, das wenige Kilometer von der Grenze
[2][zum Gazastreifen] stattfand, war eines der ersten Ziele der
Terroristen: Mehr als 360 Menschen wurden von ihnen ermordet, Frauen
vergewaltigt und 40 Besucher:innen als Geiseln in den Gazastreifen
verschleppt.
Bilder und Videos, die von den überfallenen Besucher:innen während des
Terrorangriffs aufgenommen worden waren, sind damals, am 8. Oktober, schon
in der Welt: sie zeigen unzählige Raver, die querfeldein um ihr Leben
rennen, gejagt von der Hamas.
Aus diesen Fotos fertigte [3][Edwin Nasr], 30 Jahre alt, Kunstschaffender
und Kurator aus Berlin, an ebendiesem 8. Oktober 2023 eine Collage an. Über
drei Aufnahmen rennender Festivalbesucher:innen standen in Rot
geschrieben die Worte „Poetic Justice“, poetische Gerechtigkeit. Nasr
postete diesen sowie zwei weitere Beiträge morgens gegen 10.30 Uhr auf
seinem Instagram-Account.
Der zweite Beitrag zeigt eine historische Aufnahme, auf der ein weißer
Soldat von zwei schwarzen erhängt wird. Dazu schrieb Nasr auf Englisch:
„Zur Hölle mit allen, die an dieser Stelle nicht in der Lage sind, die
Schönheit revolutionärer Gewalt zu erkennen oder sich ihr hinzugeben, auch
(oder gerade) wenn es zu Szenen von ‚unerträglicher‘ Brutalität kommt.“
In einer dritten Collage kombinierte Nasr das Bild einer fliehenden Raverin
mit dem eines Mädchens, das Raketen signiert. „Erinnern Sie sich an diese
Ikone der Unschuld der Siedler? Das ist sie jetzt.“
## „Kritisches Wissen über Kunst und Kultur“
Über ein Jahr später, am vergangenen Montag, wird Edwin Nasr vom Berliner
Amtsgericht Tiergarten wegen Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe
von 50 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt. „Auf den Posts sind deutlich viele
Menschen zu sehen, die vor Angst weglaufen“, sagt die Richterin Karin
Nissing in ihrer Urteilsbegründung.
„Dieser Post kann nur so verstanden werden, dass Sie Kenntnis vom Massaker
hatten und dass Sie hier gehandelt haben, um vielleicht vor Augen zu
führen, dass Sie selbst oder Ihre Familie ungerecht behandelt worden sind.“
Nasr wurde in Beirut, der Hauptstadt Libanons, geboren. Aufgrund der
Finanzkrise im Land ist er nach eigenen Angaben 2020 nach Berlin gekommen.
Bis 2023 arbeitete Nasr in Berlin für das Center for Contemporary Arts
(CCA) als Kurator, einen Ort, der von sich selbst behauptet, „kritisches
Wissen über Kunst und Kultur“ zu fördern und zu kultivieren.
Angezeigt hatte Nasr der Journalist Boris Pofalla. In einem Artikel für die
Welt, der sich mit den Reaktionen in Kunst und Kultur auf den 7. Oktober
befasste, hatte Pofalla als Erster auch die Beiträge des Berliner Kurators
thematisiert. Später berichtete auch die taz darüber.
Gegenüber der taz bestätigte Nasr damals, die Collage verbreitet zu haben.
Er habe jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass viele
Festivalbesucher getötet wurden. An dieser Version hielt Nasr auch vor
Gericht fest.
In seiner Einlassung, die von seinem Verteidiger verlesen wurde, betonte
Nasr, seine Posts seien aus dem Kontext gerissen worden. „Ich dachte
lediglich, dass das Festival von Gleitschirmfliegern gestört wurde.“
Tatsächlich hatte die Hamas Israel auch mit Gleitschirmfliegern
angegriffen, um so die Landesgrenze zu überqueren und Menschen zu ermorden.
Am Nachmittag des 8. Oktober 2023 habe Nasr den Technoclub Berghain
besucht. Als er diesen am darauf folgenden Tag verlassen und erfahren habe,
dass die Partygänger in Israel zum Teil ermordet und entführt worden waren,
habe er seine Posts gelöscht. Es sei ihm zu keinem Zeitpunkt darum
gegangen, das Töten von Zivilisten gutzuheißen oder zu rechtfertigen. „Mit
den Posts habe ich auf israelische Partygänger reagiert, die auf der Mauer
tanzten und damit ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Notlage des
palästinensischen Volks demonstrierten.“
Er möchte sich entschuldigen, hieß es weiter in der Einlassung des
Angeklagten, „wenn ich Menschen durch die Posts verletzt habe“.
Staatsanwältin Annette Gintaut-Verheijen sprach in ihrem Plädoyer von „sehr
hasserfüllten“ Posts. Ein Zusammenhang zu dem Massaker sei nicht
wegzudiskutieren, einen solchen Zufall gebe es nicht. „Hass ist nicht die
Lösung. Hass wird zu Gegenhass. So geht die Spirale immer weiter. Das will
ich an alle hier im Raum sagen.“ Sie plädierte für eine Geldstrafe.
## Antisemitismus in Berliner Kultur
Die Verteidigung des 30-Jährigen hatte Freispruch gefordert. In seinem
Plädoyer sagte Benjamin Düsberg, es sei auffällig, dass sich hier in Moabit
nur Menschen verantworten müssten, die angeblich oder tatsächlich die
Hamas-Anschläge gebilligt hätten.
„Ich habe noch keine einzige Anklage der Staatsanwaltschaft gesehen, wo die
Verbrechen Israels mit 40- bis 50-fachen Todeszahlen, die ein Gebiet
täglich mit Bomben überziehen und unbewohnbar machen, gebilligt werden.“ Es
handle sich um „schwerste völkerrechtliche Verbrechen“.
„Die ganzen Medienschaffenden und Politiker, die die Angriffe Israels immer
noch als legitimes Recht verteidigen, werden hier nicht angeklagt von der
Staatsanwaltschaft wegen Billigung von Straftaten“, so Verteidiger Düsberg.
Die Postings von Edwin Nasr, seine Reaktion auf den Überfall der Hamas vor
über einem Jahr, sind kein Einzelfall. Seit dem antisemitischen Angriff auf
Israel wird der Terror in Kunst und Kultur geleugnet, relativiert oder gar
gefeiert. Auffällig ist, dass das Milieu des Kunst- und Kulturbetriebs, das
sich als weltoffen, progressiv und links versteht, für jüdische und
israelische Opfer wenig Empathie bereithat.
Die Weltanschauung von Kurator Nasr, seine Positionen zu Israel lassen sich
auch in anderen Instagram-Beiträgen nachvollziehen. Dort äußert er sich bis
heute zu Ereignissen im Nahen Osten. Israelische Streitkräfte zum Beispiel
betitelt Nasr in seinen Beiträgen lediglich als „Z**n*st occupation
forces“, also zionistische Besatzungskräfte.
Erst am 25. September 2024 postete Nasr ein Propagandaplakat aus dem Jahr
1985, das von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) benutzt
wurde. Titel des Plakats: „Unity in Blood“.
Im September schrieb Nasr mit Blick auf die Verhandlung, er werde bald
wegen Scheinvorwürfen vor einem deutschen Gericht erscheinen müssen, die
das Potenzial hätten, seine Zukunft gewaltsam zu verändern. „Der Tod des
Imperiums ist nahe und ich kann es kaum erwarten, dass wir alle auf sein
Grab pissen.“ Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nasr kann Berufung oder
Revision einlegen.
12 Nov 2024
## LINKS
[1] /Angriff-auf-Israel/!5965719
[2] /Krieg-in-Nordgaza/!6042945
[3] /Antisemitismus-im-Kulturbetrieb/!5962724
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
Israel
Hamas
Antisemitismus
Palästina
Social-Auswahl
Kolumne Grauzone
Antisemitismus
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Antisemitismus
Wahlen NIederlande
## ARTIKEL ZUM THEMA
In der Gewalt der Hamas: Wie Alon Nimrodi um seinen Sohn kämpft
Statt auf Hass mit Hass zu reagieren, bestehen Angehörige der Geiseln im
Gazastreifen auf Menschlichkeit. Die eigene Regierung kritisieren sie
scharf.
Künstlerinnen über Kulturbetrieb: „Antisemitismus ist tief im kulturellen B…
Barbara Mundel und Stella Leder haben das Projekt „Schreiben über ‚Die
Situation‘“ gegründet. Ein Gespräch über den Kulturbetrieb seit dem 7.
Oktober.
Antisemitismus-Resolution: Autoritäre Zeitenwende statt Antisemitismus-Bekämp…
Die nun ehemalige Ampel, Union und AfD stimmten für die
Antisemitismus-Resolution. Das wird Folgen haben für das Leben von
Migrant:innen.
Antisemitismus im Kulturbetrieb: Was ist Kunst, was Propaganda?
Eine Tagung in Stuttgart fragt nach Antisemitismus im Kulturbetrieb. Unter
anderem wird mehr Aufklärung über islamistische Ideologie gefordert.
Nach der Wahl in den Niederlanden: Permanente Grenzüberschreitung
Martin Bosma von der rechten PPV wird niederländischer Parlamentspräsident.
Er hält Hitler für einen Sozialisten und verbreitet Verschwörungsideologie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.