# taz.de -- Jüdische Wähler in den USA: Zwischen Pech und Kamala | |
> Obwohl Donald Trump mit Neonazis flirtet, könnte er diesmal | |
> ironischerweise mehr jüdische Stimmen bekommen. Das liegt am Verhalten | |
> von Harris. | |
Bild: Die große Frage: wer wird wen wählen? | |
Wer als schwarze Präsidentschaftskandidatin Unterstützung von Superstars | |
wie Beyoncé und [1][Taylor Swift] erhält, könnte sich bereits auf der | |
Siegerstraße wähnen. Im Rennen um das Weiße Haus [2][startete Kamala Harris | |
blitzschnell]. Ihre Umfragewerte und Spendeneinnahmen stellten die von | |
Donald Trump in den Schatten. Doch der Vorsprung schmolz allmählich dahin. | |
Jetzt, auf der Zielgeraden, liefern sich beide ein Kopf-an-Kopf-Rennen. | |
In den Swing States Michigan und Pennsylvania führt Harris zwar, doch in | |
der einstigen Demokraten-Hochburg New Hampshire liegt Trump vorn. Sollte | |
[3][Trump] in diesem kleinen Bundesstaat in Neuengland siegen, könnte er | |
auch ohne Pennsylvania die erforderliche Mehrheit von 270 Stimmen im | |
Electoral College erreichen. So säße der 78-Jährige wieder im Oval Office | |
statt im Gefängnis. Allerdings könnte Harris auch in Pennsylvania | |
verlieren, wenn 5.000 jüdische Demokraten abspringen. Damit sind wir beim | |
Thema, das diese Wahl entscheidend beeinflussen kann: dem Nahostkonflikt. | |
## Harris wirkt gleichgültig gegen antisemitische Gewalt | |
Für amerikanische Jüdinnen und Juden sowie Israels Verbündete bedeutet die | |
US-Wahl am Dienstag eine Entscheidung zwischen Pech und Kamala. Trump, der | |
mit Neonazis flirtet und Wehrmachtsgeneräle bewundert, könnte diesmal | |
ironischerweise mehr jüdische Stimmen erhalten. Denn während die | |
antisemitische Gewalt an Universitäten und vor Synagogen unübersehbar ist, | |
wirkt Harris gleichgültig. | |
Obwohl die 60-jährige Vizepräsidentin beteuert, sie stehe zum Existenzrecht | |
Israels, verkam diese Zusicherung zur Floskel, als sie Benjamin Netanjahu | |
eindringlich warnte, Rafah nicht anzugreifen. In dieser zerstörten Stadt im | |
Süden Gazas befreite die IDF jedoch viele Geiseln und tötete den Hamas-Chef | |
Jahia Sinwar. Harris bemüht sich verzweifelt, skeptische | |
arabischamerikanische Wählende zu gewinnen. Ihre palästinensischstämmige | |
Parteigenossin [4][Rashida Tlaib], US-Congressabgeordnete aus Michigan, | |
verweigert ihr jedoch die Wahlempfehlung. Am Ende könnte Trump sich ins | |
Fäustchen lachen. | |
## Harris kann es eigentlich | |
Wem genau das Lachen vergeht, steht noch offen. Aber kürzlich bei der | |
Kultcomedyshow Saturday Night Live (NBC) erschien überraschenderweise | |
Kamala im Cameo. Sie saß ihrer Doppelgängerin Maya Rudolph als Spiegelbild | |
gegenüber, und das New Yorker Studiopublikum klatschte euphorisch. So | |
erging es ebenfalls Hillary Clinton, als sie 2015 die Sendung auch ohne | |
vorige Ankündigung persönlich beehrte, und zwar in der Rolle einer | |
Kneipenwirtin gemeinsam mit ihrem zweiten Ich Kate McKennon. Schließlich | |
ergatterte Hillary bei der Wahl 2016 rund drei Millionen mehr Wahlstimmen | |
als Trump – aber nur direkt vom Volk. Trump gewann trotzdem. | |
Leider hat Harris nichts daraus gelernt. Sie sucht die Popularität, um | |
geliked zu werden. Trump dahingegen liebt sein Bad in der Menge, um | |
gefürchtet zu werden. Sie will Everybody's Darling sein und nicht mit | |
Inhalten abschrecken. Der mehr als 30 Male strafrechtlich verurteilter | |
MAGA-Mensch jedoch lässt sich nicht imponieren. Harris kann es eigentlich. | |
Die aus Oakland stammende Oberstaatsanwältin weiß schon, wie frau mit | |
Gegner:innen hart ins Gericht geht. Einst hatte sie Angeklagte gegrillt, | |
nun aber setzte sie auf Brat. Letztere Bezeichnung hat nicht unbedingt mit | |
der Pfanne zu tun, wobei es um eine „Sti(e)lfrage“ geht. Für Erläuterungen | |
kann man beliebig die Sängerin Charlie XCX, Gen Z oder Susanne Daubner | |
fragen. Man hat dabei die Qual der Wahl. | |
4 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Michaela Dudley | |
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