# taz.de -- Bundeskongress Grüne Jugend: Zwischen Klassenkampf und Klimapolitik | |
> Jette Nietzard und Jakob Blasel sind das neue Bundesprecher-Duo. Es gibt | |
> viel Kritik an den Ehemaligen und einen großen Wunsch nach mehr | |
> Klimapolitik. | |
Bild: Jakob Blasel und Jette Nietzard sind die neugewählten Bundesvorsitzenden… | |
Berlin taz | „Hoch die internationale Solidarität!“ grölen am | |
Samstagvormittag eine Hand voll junge Grüne in einer Turnhalle im Leipziger | |
Osten. Dort findet vom 18. bis 20. Oktober der [1][Bundeskongress des | |
grünen Jugendverbands] statt. Die Parole, die ursprünglich auf die | |
Arbeiter*innenbewegung zurückgeht, wurde von einem der Redner auf | |
dem Podium im Vorlauf zum Beschluss des Leitantrags, angestimmt. Nicht alle | |
im Saal grölen mit. Denn mit dem Leitantrag, der die künftige politische | |
Linie der Grünen Jugend festlegen soll, sind nicht alle zufrieden. Das | |
zeigten die vorgebrachten Änderungsanträge, die einen fehlenden | |
klimapolitischen Fokus bemängelten. | |
Daran lässt sich der Zustand des grünen Jugendverbandes illustrieren: | |
Dieser ist gespalten, nachdem der bisherige Bundesvorstand Ende September | |
seinen Rücktritt und Austritt bei den Grünen bekannt gegeben hatte. Die | |
Ehemaligen, unter ihnen auch einige Mitglieder der jeweiligen | |
Landesvorstände, wollen nun unter dem Motto „Zeit für was Neues“ eine neue | |
linke Jugendorganisation gründen. Der ausschlaggebende Grund war das | |
ständige Hadern mit den vielen Kompromissen, die die Grünen in der | |
Bundesregierung eingegangen sind. Zudem kritisierten sie einen fehlenden | |
Fokus auf sozialpolitische Themen. | |
Beim Bundeskongress wollen sich die Verbliebenen am Wochenende neu | |
aufstellen. Die meisten Redner*innen betonen mehr als nur einmal, dass | |
sie im Gegensatz geblieben sind. Bereits beim Auftakt am Freitag zeigte | |
sich, dass großer Unmut über die abtrünnigen Verbandsgenoss*innen | |
herrscht. Dort sprachen sich die Mitglieder gegen eine Entlastung des | |
bisherigen Vorstands aus und kritisierten diesen für die Vernachlässigung | |
des grünen Hauptthemas Klimaschutz und warfen ihm vor, sich an „linker | |
Zersplitterung“ beteiligt zu haben. | |
Am Samstag, dem zweiten Tag des Kongresses, ist die Stimmung noch immer | |
angespannt. Nachdem über den Leitantrag debattiert wurde, folgte die Wahl | |
der neuen Bundesvorsitzenden. Künftig werden [2][Jette Nietzard und Jakob | |
Blasel als Bundesprecher-Duo an der Spitze der Grünen Jugend] stehen. | |
## Kein Bock auf Kohledeals | |
„Andere sagten die letzten Wochen, wir seien verloren. Doch diese volle | |
Halle sagt das Gegenteil“, eröffnet der aus Kiel stammende Jakob Blasel | |
seine Rede. Blasel ist ein bekanntes Gesicht aus der Klimabewegung rund um | |
Fridays for Future. Die Kritik des ehemaligen Bundesvorstands an der Ampel | |
und den Grünen teilt er zwar, doch „politische Utopien erreicht man nicht | |
durch Kapitulation“, sagte er auf dem Podium. | |
Das Klimathema steht in Blasels Rede im Vordergrund. „Während das Wasser in | |
die Keller unserer Großeltern steigt, baggert RWE mit dem Segen der Grünen | |
Lützerath ab“, so der 24-Jährige. Dass die Grünen daraufhin Kohledeals | |
zusagten und Abstriche beim Klimaschutzgesetz als Erfolg verkauft hätten, | |
bezeichnet er als „peinlich.“ Auf Ausreden habe er keinen Bock mehr. Neben | |
dem Klimaschutz will Blasel für eine humane Asylpolitik und soziale | |
Gerechtigkeit eintreten. | |
Blasel zufolge sei zu viel Vertrauen verspielt worden, das wolle er nun | |
zurückgewinnen. Als er nach seiner Rede gefragt wird, wie er das Image der | |
jungen Grünen nach den Austritten wieder ändern wolle, reagiert er | |
optimistisch. Veränderungen würden leichter werden, wenn sich die jungen | |
Grünen gesprächsbereit zeigen, ohne dabei ihre Positionen in Richtung | |
Mutterpartei zu verrücken. | |
## Menschenwürde statt Obergrenzen | |
Die Kritik an der Mutterpartei machen die jungen Grünen vor allem beim | |
Thema Asyl konkret. „Wenn Menschen in der Bundesregierung mir erzählen, wir | |
bräuchten Obergrenzen, wir müssen schneller abschieben, dann möchte ich sie | |
anschreien!“, sagt die zweite neue Sprecherin, Jette Nietzard, auf dem | |
Podium. Statt Obergrenzen, brauche es Menschenwürde. | |
Nietzard betont den strukturellen Charakter von politischen Problemen wie | |
Armut, hohen Mieten und sozialer Ungleichheit. Eine Politik, in der „die | |
Löhne steigen, statt die Zahl der Milliardäre“ ist laut der 25-Jährigen | |
möglich. Das unterscheidet sie von den abtrünnigen jungen Grünen, die auch | |
soziale Gerechtigkeit fordern, aber nicht mehr daran glauben, dass die | |
Grünen sie verwirklichen kann. | |
Der gemeinsame Feind stehe zwar immer rechts der Mitte und nie links, aber, | |
wenn jemand eine neue Mitgliedschaft haben wolle, dann solle man in die | |
Gewerkschaft eintreten – ein Seitenhieb auf die Ausgetretenen. An der | |
Spitze des neuen Bundesvorstands scheint Jette Nietzard für die | |
sozialpolitische Komponente sorgen zu wollen. Auf ihrem TikTok Kanal wirbt | |
sie zudem für feministische Themen. | |
## Wieder mehr Klimapolitik | |
Im taz-Gespräch vertiefen Mitglieder der grünen Jugend ihre Kritik am | |
vorigen Bundesvorstand. Patrick Vexler vom Kreisverband Stuttgart nahm den | |
letzten Bundesvorstand als „weniger offen“ als seine Vorgänger wahr. Diesem | |
wirft er vor, innerhalb seiner Amtszeit versucht zu haben, eine | |
Parallelorganisation aufzubauen. Dafür seien die Verantwortlichen jedoch | |
nicht gewählt worden. Auch Mario Dietel vom Kreisverband Hohenlohe übt | |
Kritik. Als Grüne Jugend solle man sich nicht in Marx Lesekreisen und | |
abstrakten Debatten verlieren. Das würde bei den Menschen nicht ankommen. | |
Auf dem Bundeskongress wurden längst nicht alle Fragen geklärt, die Zukunft | |
des Jugendverbands ist noch ungewiss. Sie steht irgendwo zwischen | |
Klassenkampf und Klimapolitik. Aber es wird klar, dass sich viele der | |
grünen Jugend wieder einen größeren Fokus auf Klimapolitik wünschen. | |
19 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Martha Blumenthaler | |
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