# taz.de -- Chinas Großmanöver vor Taiwan: Provokation mit Ansage | |
> Das chinesische Militär startet ein Großmanöver um Taiwan. Ihr Ziel: die | |
> Einschüchterung von Peking-kritischen Politiker:innen. | |
Bild: Die taiwanische Küstenwache bei der Überwachung eines chinesischen Boot… | |
Seoul taz | Am Montagmorgen war es so weit: Chinas Volksbefreiungsarmee | |
entsandte ihre Marine, Luftwaffe und Raketenstreitkräfte in die Region um | |
Taiwan, um den Inselstaat zu umzingeln und mit der Militärübung | |
„Gemeinsames Schwert 2024B“ zu beginnen. | |
De facto handelt es sich dabei um eine Eskalation mit Ansage. Denn die | |
meisten Experten erwarteten bereits, dass Peking auf die jüngste Rede des | |
taiwanischen Präsidenten William Lai reagieren würde. „Die Volksrepublik | |
hat kein Recht, Taiwan zu repräsentieren“, sagte Lai am 10. Oktober zum | |
Nationalfeiertag Taiwans – und betonte dabei die Souveränität seiner | |
Heimatinsel. | |
Die Volksrepublik sieht Taiwan an abtrünnige Provinz und beansprucht die | |
Insel für sich. Dabei fiel Lais Rede im Vergleich zu früheren Aussagen als | |
Präsidentschaftskandidat oder während seiner Antrittsrede im Mai, [1][als | |
Peking schon mit einem Großmanöver („Gemeinsames Schwert 2024A“) | |
reagierte], sogar tendenziell gemäßigter aus. Wo in seinen Äußerungen genau | |
die Provokation liegt, bleibt einzig und allein im Ermessen Pekings. | |
„Auch wenn Lai nichts gesagt hätte, würden die Leute einen Weg finden, es | |
‚provokativ‘ zu nennen. Es läuft doch auf Folgendes hinaus: Allein Taiwans | |
unabhängige Existenz ist bereits eine Provokation. Nichts anderes als die | |
Auslöschung dieser Existenz wird China zufriedenstellen“, kommentiert | |
Donald Clarke, China-Experte und Jura-Professor an der | |
George-Washington-Universität. | |
## Peking macht Druck per Salami-Taktik | |
Pekings Strategie wird von vielen Beobachtern als Salami-Taktik bezeichnet. | |
Scheibchenweise soll der Status Quo in diesem Konflikt verändert werden. | |
Immer mehr Kampfflugzeuge entsendet Peking mittlerweile rund um die Insel, | |
immer offener droht es mit militärischer Macht. Dies hat auch zur Folge, | |
dass das taiwanische Militär erschöpft – und psychologisch mürbe wird. | |
Die konstant erzwungene Anspannung erhöht gleichzeitig die Gefahr, dass es | |
unabsichtlich zu einer Fehlkalkulation kommen könnte. Wortwörtlich schrammt | |
der Inselstaat oft nur knapp an einem Ernstfall vorbei: Bis auf drei Meter | |
fliegen chinesische Jets mittlerweile an taiwanische Jets heran. | |
In englischsprachigen Medien werden Chinas Militärübungen oft auch als „war | |
games“ bezeichnet. Das trifft den Kern der Manöver ziemlich akkurat: Das | |
„Gemeinsame Schwert 2024B“ ist darauf ausgelegt, Angriffe auf strategische | |
Ziele zu üben sowie die Einnahme essenzieller Häfen und vor allem eine | |
Inselblockade zu simulieren. | |
In den sozialen Medien hat Chinas Volksbefreiungsarmee in einem Kurzvideo | |
verdeutlicht, wie der Name des Manövers zu verstehen sei: Darauf ist zu | |
sehen, wie sich eine animierte Faust über der Landkarte Taiwans allmählich | |
zu einem Hammer formt, dann zu einem Schwert – und schließlich mitten in | |
das Land sticht. | |
Angesichts eines solchen Tonfalls sollte wohl kaum verwundern, dass den | |
Chinesen oftmals jegliche Empathie gegenüber dem taiwanischen Volk fehlt. | |
Denn deren Anliegen kommen im öffentlichen Diskurs in China schlicht nicht | |
vor. | |
## Warnung vor Panik | |
Lev Nachman, Professor für Politikwissenschaften an der National Taiwan | |
University, ruft dennoch auf seinem X-Account dazu auf, angesichts der | |
erwartbaren Reaktion Chinas nicht in Panik zu verfallen oder | |
überzureagieren: „Wir alle haben das kommen sehen, es wird schnell | |
vorübergehen“. | |
Nicht immer jedoch war dies in der Vergangenheit so. 1995 kam es während | |
der sogenannten „Dritten Taiwanstraßenkrise“ zu einem monatelangen | |
militärischen Säbelrasseln. | |
Seither hat sich das Kräfteverhältnis deutlich gewandelt: Wenn China | |
derzeit Inselblockaden simuliert oder seine Flugzeugträger in die Region | |
entsendet, dann ist die Bedrohung viel existenzieller: Taiwan könnte im | |
Ernstfall nur ein paar Tage, maximal Wochen überstehen. Spätestens dann | |
hinge dessen Existenz vollständig davon ab, ob die USA militärisch | |
eingreifen würden oder nicht. | |
Oft wird argumentiert, dass Chinas militärische Stärke noch nicht für eine | |
amphibische Invasion ausreichen würde – allein schon, weil die Einnahme des | |
bergigen Taiwans bereits aus geografischen Gründen extrem herausfordernd | |
wäre. | |
## China hat andere Optionen als eine klassische Invasion | |
Dabei sollte man sich allerdings von der Vorstellung verabschieden, dass es | |
im Ernstfall überhaupt zu einer klassischen Invasion kommen würde. Denn | |
diese würde aus Sicht Pekings die größten Risiken mit sich bringen. | |
„China hat andere Optionen, zum Beispiel eine Inselblockade“, sagt Alexis | |
von Sydow vom Swedish National China Centre. Der Forscher hat in einer | |
Studie sämtliche Kriegsszenarien untersucht, und alle von ihnen | |
beinhalteten eine Art von Blockade: „Das könnte eine volle militärische | |
Blockade sein, oder auch eine Art Quarantäne wäre denkbar“. | |
Doch von Sydow glaubt, dass allein die Fallhöhe eines Taiwan-Konflikts eine | |
abschreckende Wirkung auf China haben würde. Denn: „Ein Krieg um Taiwan | |
würde ein wirtschaftliches Armageddon auslösen“. | |
Die US-Regierung reagierte besorgt auf Chinas Manöver rund um Taiwan. Mit | |
militärischen Provokationen auf eine jährliche Ansprache zu reagieren, sei | |
nicht gerechtfertigt und berge die Gefahr einer Eskalation, teilte das | |
US-Außenministerium mit. Es forderte China auf, sich zurückzuhalten und | |
weitere Aktionen zu vermeiden, die den Frieden und die Stabilität | |
untergraben könnten. Die USA haben sich vertraglich zum Schutz Taiwans | |
verpflichtet, dabei aber offengelassen, wie dies aussieht, also etwa mit | |
Waffenlieferungen oder gar mit einer Militärintervention. | |
14 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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