| # taz.de -- Einschränkung der Reisefreiheit: Die neue chinesische Mauer | |
| > Immer mehr Chinesen müssen ihren Reisepass bei den Behörden abgeben. | |
| > Peking möchte sein Volk vor „geistiger Verschmutzung“ im Ausland | |
| > schützen. | |
| Bild: Immer mehr Chines:innen werden dazu gezwungen, ihren Reisepass einzureich… | |
| Seoul taz | Zuerst betraf es nur führende Parteikader. Dann folgten Chefs | |
| von Staatsbetrieben, Investmentbänker und Uniprofessoren. Doch inzwischen | |
| zielt die ideologische Kontrollwut der Parteiführung auch auf weite Teile | |
| der Durchschnittsbevölkerung – von Lehrern über Kindergartenpädagogen bis | |
| hin zu Studierenden. | |
| Sie alle werden von den Behörden immer öfter dazu gezwungen, ihren | |
| Reisepass einzureichen, um nicht mehr frei ins Ausland reisen zu können. | |
| Anekdotisch hat sich diese Entwicklung schon seit einigen Jahren | |
| abgezeichnet, doch [1][die Financial Times hat nun deren Ausmaß umfassend | |
| recherchiert]. Demnach mussten Angestellte von Staatsbetrieben und | |
| Lehrpersonal in etlichen Provinzen ihren Reisepass abgeben. Unklar ist | |
| aber, wie zentralistisch die Maßnahmen gelenkt werden. | |
| Fakt ist: Aufgrund der Zensur kennen viele Chinesen das Ausmaß des Problems | |
| nicht. „Der Financial-Times-Bericht hat eine sehr negative Auswirkung auf | |
| Chinas Image im Ausland“, schreibt der renommierte Professor Fan Hongda, | |
| der an der Shanghai International Studies University forscht, auf seinem | |
| Weibo-Account: „Sollte es sich um eine Falschmeldung handeln, fordern Sie | |
| bitte die zuständigen nationalen Stellen auf, den Bericht so schnell wie | |
| möglich zu widerlegen!“ | |
| ## Auslandsreisen für viele jetzt nur noch mit Erlaubnis | |
| Doch staatliche Stellen antworten mit demonstrativem Schweigen und löschen | |
| Debatten in den sozialen Medien. Allerdings lassen sich noch Postings | |
| finden, in denen sich chinesische User indirekt darüber beschweren, dass | |
| sie ihren Pass beim Arbeitgeber abgeben müssen oder für Auslandsreisen eine | |
| Erlaubnis brauchen. | |
| „Jetzt schränkt die KP also Auslandsreisen für Lehrkräfte ein, genauso wie | |
| sie es bereits für Parteifunktionäre und ethnische Minderheiten tut. Und | |
| warum? Um sie vor „geistiger Verschmutzung“ aus dem Westen zu „schützen�… | |
| ihre Leben und ihre Gedanken zu kontrollieren und sie daran zu hindern, | |
| Ausländern von der wahren Situation in China zu erzählen“, kommentiert der | |
| kanadische Ex-Diplomat Michael Kovrig. Der 52-Jährige hatte wegen | |
| angeblicher Spionage selbst knapp drei Jahre in einem chinesischen | |
| Gefängnis gesessen. | |
| Wie paranoid die Parteiführung ihre Bürger vor ausländischem Einfluss | |
| abschirmen will, hat die Financial Times anhand von Dokumenten aufgedeckt. | |
| So muss etwa das Lehrpersonal einer Schule im östlichen Wenzhou beim Antrag | |
| auf eine Auslandsreise nicht nur viele Unterschriften von Vorgesetzten und | |
| der Disziplinarinspektion vorlegen, sondern sich auch vor Abflug | |
| schriftlich verpflichten, etwa im Ausland „keine reaktionären Filme zu | |
| schauen“ oder „interne Angelegenheiten mit Fremden zu bereden“. | |
| Auch ist es verboten, ohne Genehmigung die geplante Reiseroute zu ändern. | |
| In einigen Fällen wird sogar pensionierten Lehrern der Reisepass entzogen, | |
| selbst wenn diese Verwandte im Ausland haben. Im Internet lassen sich nach | |
| wie vor Meldungen von Universitäten finden, die eingeschriebene Studenten | |
| bestimmter Fakultäten ebenfalls dazu zwingen, ihre Dokumente einzureichen. | |
| Im westchinesischen Lanzhou wurden in einer Oberschule die Klassenvorstände | |
| dazu aufgefordert, eine Liste aller Schüler zusammenzustellen, die einen | |
| Reisepass haben. | |
| ## Botschaftstermine nur noch mit „Aufpasser“ | |
| Chinas Machthaber Xi Jinping fing mit Beginn seiner Amtszeit 2012/13 an, | |
| gegen Kritiker und Aktivisten Ausreisesperren verhängen zu lassen. Längst | |
| ist es Usus, dass auch Professoren stets mit einem „Aufpasser“ zu | |
| Botschaftsterminen erscheinen. Meist bleiben sie Treffen mit Diplomaten | |
| ohnehin fern, weil allein die Anfrage auf Genehmigung bei der Parteizelle | |
| der Universität sie „verdächtig“ macht. | |
| Auch Regierungsmitarbeiter dürfen Ausländer nur in Begleitung treffen. Dass | |
| nun aber auch die Reisepässe von Durchschnittsbürgern im großen Stil | |
| eingezogen werden, hat erst während der Pandemie begonnen. [2][So war es | |
| Teil der „Null Covid“-Politik, dass Behörden nur in Ausnahmefällen neue | |
| Reisedokumente genehmigt haben.] In manchen Fällen wurden Pässe sogar noch | |
| am Flughafen von den Zollbeamten vernichtet. | |
| 7 Oct 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.ft.com/content/2aa2170d-2e31-4066-9813-d1b760db3402 | |
| [2] /Folgen-des-Lockdowns-in-China/!5852404 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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