# taz.de -- Problematische Leihmutterschaft: Der Wille zum Kind | |
> Leihmutterschaften sind in Italien bereits verboten, nun hat die | |
> Regierung das Gesetz verschärft. Warum das ein Vorbild auch für | |
> Deutschland ist. | |
Bild: Leihmutterschaft im Ausland ist ein boomender Geschäftszweig | |
[1][In Italien wurde das Verbot von Leihmutterschaft ausgeweitet.] Fortan | |
ist es nun nicht nur im Inland verboten, eine Leihmutter in Anspruch zu | |
nehmen, sondern auch im Ausland. Das könnte auch ein Modell für Deutschland | |
sein. | |
Verboten ist hierzulande das vertraglich vereinbarte Austragen von Kindern | |
für Dritte. Damit einher geht das Verbot [2][ärztlicher Leistungen, eine | |
durch In-vitro-Fertilisation befruchtete Eizelle in die Gebärmutter einer | |
anderen Frau zu implantieren, die Eizellenspende, sowie die Vermittlung | |
einer Leihmutter.] Nicht strafbar machen sich hingegen die | |
„[3][Wunscheltern]“; und es ist bereits Praxis, Leihmutterschaft im | |
Ausland, in den USA oder der Ukraine in Anspruch zu nehmen. | |
Durch diese Möglichkeit ist Leihmutterschaft im Ausland ein boomender | |
Geschäftszweig. Ein Unternehmen etwa verlangt für seine „Servicepakete“ | |
[4][60.000 Euro]. Inbegriffen ist die [5][Garantie für ein genetisch | |
gesundes Baby, das Wunschgeschlecht sowie die gewünschte] | |
„[6][Volkszugehörigkeit]“. Diese Garantien zu geben heißt für die | |
Leihmutter den Verlust der Rechte am Kind. Was, wie und wann passiert, | |
entscheidet das Unternehmen. | |
[7][Bei einer Eizellspende bedeutet das eine intensive Hormonbehandlung] | |
bei Spenderin und Empfängerin und ist keinesfalls eine Nebensache, wie das | |
die begriffliche Nähe zur „Samenspende“ impliziert. | |
## Kinderlosigkeit als nicht zu akzeptierender Zustand? | |
Die „Wunscheltern“ nutzen die prekäre Situation von Frauen aus. Eine | |
strafrechtliche Verfolgung wäre nur konsequent und würde der | |
Kommodifizierung von Geburten in anderen Länder die Kunden entziehen. Aber | |
auch wenn Frauen aus nichtökonomischen Gründen ein Kind austragen, ist ein | |
Konzept wie die altruistische Leihmutterschaft zurückzuweisen. | |
Erstens: Der Bezeichnung von Leihmutterschaft als altruistisch geht die | |
Prämisse voraus, dass Kinderlosigkeit ein nicht zu akzeptierender Zustand | |
ist, der vorrangig durch die „selbstlose“ Opfergabe anderer Frauen zu | |
überwinden sei. Doch ökonomisch begründete Leihmutterschaft wird so | |
legitimiert. Schließlich sind hier die Gründe aufseiten der „Wunscheltern“ | |
dieselben: Ein Kind muss her. | |
Anstatt also zu diskutieren, wie man die Grenzen der eigenen Möglichkeit | |
durch die Potenz der Körper Dritter überwinden könnte, sollte die Fixierung | |
auf die Idee, eigene Kinder seien notwendiger Bestandteil des Lebens, | |
analysiert und kritisiert werden. | |
Zweitens: Die bloße Möglichkeit, legal, staatlich gebilligt, eine | |
Leihmutter in Anspruch zu nehmen – ob altruistisch oder nicht –, weitet das | |
Feld durchsetzbarer Anspruchshaltungen gegen andere Menschen aus. Während | |
man vor den heutigen medizinischen Möglichkeiten einen anderen Umgang mit | |
Kinderlosigkeit finden musste, produziert die Legalität aktiv die Haltung, | |
den anderen Menschen als Mittel zum eigenen Zweck zu gebrauchen. Entgegen | |
der Behauptung, Leihmutterschaft vermittle einfach zwischen bereits | |
bestehenden Interessen, produziert die Möglichkeit zur Leihmutterschaft | |
auch aktiv Leihmütter, weil die Unternehmen die infrastrukturellen, | |
technischen und medizinischen Bedingungen einer Leihmutterschaft nicht nur | |
bereitstellen, sondern aktiv fördern und fordern. | |
## Instrumentelles Verhältnis zum Leben | |
Die Merkmale der kapitalistisch Gesellschaft sind Eigenverantwortung in | |
fremdbestimmten Verhältnissen und isolierte Handlungsfähigkeit bei | |
gleichzeitiger Abhängigkeit vom Verkauf der eigenen Arbeitskraft. Das | |
heißt, um zu Überleben zum Narzissten zu werden, bei stetiger | |
narzisstischer Kränkung durch die tatsächliche Ohnmacht. Zwangsläufig | |
entwickelt sich ein instrumentelles Verhältnis zum Leben und Körper eines | |
anderen wie auch zum eigenen. Vom nur instrumentellen Verhältnis zum Leben | |
eines anderen Menschen zeugt auch der unbedingte Kinderwunsch und der | |
Wille, diesen gegen alle Widerstände und über den Körper eines anderen | |
Menschen durchzusetzen. | |
Dieser Wunsch mag in der Organisation unserer Gesellschaft angelegt sein, | |
es macht jedoch einen faktischen Unterschied im Leben von Frauen, wieweit | |
sich die Möglichkeit ihrer potenziellen Ausbeutung staatlich legitimiert | |
vervielfältigt, wie viele Bereiche des Lebens von Ausbeutung erfasst werden | |
können. Nicht mehr nur die Arbeitskraft, sondern die Stofflichkeit des | |
Körpers selbst – und das neue Leben, das ein weiblicher Körper hervorbringt | |
– stehen potenziell zum Verkauf. | |
So ist die Antwort sowohl an homosexuell als auch heterosexuell | |
unfreiwillig Kinderlose: Es gibt kein Recht auf ein Kind und keins auf die | |
Benutzung des Körpers eines anderen Menschen. Ja, die Möglichkeiten des | |
eigenen Körpers sind begrenzt. Es kann aber ein dieser Einsicht | |
entsprechender Umgang gefunden werden: Get over it. | |
17 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rainews.it/tgr/tagesschau/articoli/2024/10/italien-stellt-leihm… | |
[2] https://frauenrechte.de/unsere-arbeit/sexuelle-und-reproduktive-rechte/hint… | |
[3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/fragenkatalog-node/06-leihmutter… | |
[4] https://leihmutterschaft-zentrum.de/vip-leihmutter-betreuung.php | |
[5] https://leihmutterschaft-zentrum.de/gene-leihmutterschaft-service.php | |
[6] https://leihmutterschaft-zentrum.de/verschiedene-rassen-der-eizellspenderin… | |
[7] https://www.bundestag.de/resource/blob/818198/53e0b84b925a0e9bdd254f33cae56… | |
## AUTOREN | |
Chantalle El Helou | |
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