# taz.de -- Nogatstraße 41: Es brennt noch immer | |
> Zwei Jahre nach einem Hausbrand kämpfen die Betroffenen nach wie vor um | |
> eine Rückkehr. Sie vermuten, dass die Hausverwaltung andere Interessen | |
> hat. | |
Bild: Durch den Brand in der Nogatstraße 41 in Neukölln verloren über 70 Men… | |
Berlin Taz | An den meisten Klingelschildern kleben keine Namen mehr, seit | |
am 18. Oktober 2022 in der Nogatstraße 41 in [1][Neukölln der Dachboden | |
brannte] und über 70 Menschen von einem auf den anderen Moment wohnungslos | |
wurden. Heute ist das Wohnhaus eine verwahrloste Großbaustelle. Um die fünf | |
Stockwerke rankt sich ein Baugerüst. Die Fenster im Erdgeschoss sind mit | |
einer dicken Staubschicht bedeckt. Dahinter sieht man Wohnungen, die | |
eigentlich keine mehr sind. | |
Zwei Jahre nach dem Brand ist die Situation für die Betroffenen weiterhin | |
prekär: Das Haus ist noch immer nicht saniert. Der Großteil konnte noch | |
nicht in seine Wohnungen zurückziehen. Lediglich im Seitenflügel ist dies | |
inzwischen einzelnen Mieter*innen gelungen. Die Kommunikation mit der | |
Hausverwaltung, der EB Immobilienmanagement GmbH, beschreiben die | |
Betroffenen als katastrophal. Sie fühlen sich hingehalten. | |
Die EB Immobilienmanagement verweist auf taz-Anfrage auf eine | |
E-Mail-Adresse und einen Mailverteiler, die nach dem Brand als | |
Kommunikationskanal eingerichtet worden seien. Das Unternehmen lege „großen | |
Wert auf einen reibungslosen Austausch“ mit seinen Mieter*innen und sei | |
„stets bemüht, ihre Bedürfnisse und Anliegen zeitnah zu bearbeiten“. | |
Die Erfahrungen der Mieter*innen ergeben ein anderes Bild. Die | |
Nogatstraße scheint dabei kein Einzelfall zu sein. Knapp vier Monate später | |
brannte es in der Amsterdamer Straße 16 im Wedding in einem Wohnhaus, das | |
ebenfalls von der EB Immobilienmanagement GmbH verwaltet wird. Was danach | |
für die Hausgemeinschaft folgte, deckt sich mit den Erzählungen der | |
Bewohner*innen der Nogatstraße 41. | |
## Bezirk hat kaum Einfluss | |
Der Fall verdeutlicht zudem, wie wenig Handhabe der Bezirk gegenüber | |
solchen Immobilienfirmen hat. Das Bezirksamt Neukölln hatte Räume für | |
Mieter*innenversammlungen zur Verfügung gestellt und Aussprachen mit | |
der Hausverwaltung organisiert und moderiert. „Das war wichtig, und dafür | |
sind wir den Verantwortlichen dankbar. Aber es wurde auch immer wieder | |
deutlich, wie machtlos die Kommunalpolitik gegenüber rücksichtslos | |
profitorientierten Akteuren wie EB eigentlich ist“, sagt ein Mieter, der | |
anonym bleiben will. | |
„Das Bezirksamt befindet sich in solchen Fällen regelmäßig in einer | |
schwierigen Position, weil wir letztlich nur vermitteln und unterstützen | |
können“, sagt ein Sprecher des Bezirksamts Neukölln zur taz. Es sei dem | |
Bezirk außerdem nicht möglich, den Mieter*innen Ersatzwohnraum zur | |
Verfügung zu stellen. Auch auf die Beschleunigung der Sanierungsarbeiten | |
habe man nur geringen Einfluss. „Hilfreich wäre ein klar geregelter | |
Anspruch der Mieter*innen auf Ersatzwohnraum gegenüber ihrem Vermieter – | |
ohne ewige Klärungen mit Versicherungen.“ | |
Der Eigentümer des Hauses in der Nogatstraße, die Deutsche Investment | |
Kapitalverwaltung AG in Hamburg, tritt lediglich über die Hausverwaltung | |
auf. Die beiden Unternehmen sind scheinbar nicht voneinander zu trennen, | |
das zeigen personelle Überschneidungen. Der Geschäftsführer von EB ist auch | |
geschäftsführender Gesellschafter von Deutsche Investment. | |
## Mieter*innen sehen Kalkül und befürchten Verdrängung | |
Einer der betroffenen Mieter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen | |
will, sieht im Umgang der Hausverwaltung mit den Mieter*innen Kalkül. | |
Die Sanierungsarbeiten in der Nogatstraße dauern bereits seit zwei Jahren | |
an und scheinen kein Ende zu nehmen: „Ich kann mir das nur so erklären, | |
dass EB und Deutsche Investment den Sanierungsprozess bewusst verschleppen | |
und verzögern.“ | |
Das bestätigen weitere Bewohner*innen. Eine Mieterin, die nach rechtlichen | |
Schritten wieder in ihre Wohnung einziehen konnte, berichtet, dass die | |
Baufirma ständig wechsele. Zudem seien die Phasen, in denen nichts gemacht | |
wird, deutlich länger als die, in denen gearbeitet wird. Ihre Wohnung war | |
nicht vom Feuer oder von Löschwasserschäden betroffen, trotzdem wurde ihr | |
der Wiedereinzug lange verwehrt. | |
Die Hausverwaltung begründet die noch immer andauernden Sanierungsarbeiten | |
mit „umfangreichen Vorbereitungs- und Projektmaßnahmen“ und Abstimmungen | |
mit weiteren Baubeteiligten wie dem Milieuschutzamt. Man müsse jedoch | |
einräumen, dass die „Gegebenheiten der Bauwirtschaft“ ein schnelles | |
Vorankommen in der Vergangenheit verhindert hätten. | |
Die Mieter*innen befürchten, dass es in letzter Konsequenz darum geht, | |
sie zu verdrängen und es sich bei der Nogatstraße 41 um ein | |
Spekulationsobjekt handelt. Diese Angst geht auch bei den Betroffenen des | |
Brands in der Amsterdamer Straße 16 im Wedding um. Es wäre nicht der erste | |
Fall in Berlin: Nach einem Brand in der [2][Graefestraße 13 in Kreuzberg] | |
soll der Eigentümer die Sanierungsarbeiten über Jahre verschleppt haben. | |
Dem Eigentümer wurde eine schleichende Entmietung vorgeworfen. Die | |
verschleppte Sanierung beurteilte die Wohnungsaufsicht 2022 jedoch als | |
[3][rechtmäßig]. | |
## Jahrelange Vernachlässigung | |
In der Nogatstraße 41 fing der Ärger nicht erst mit dem Brand vor zwei | |
Jahren an. Laut einem Mieter, der ebenfalls anonym bleiben will, wurde das | |
Haus bereits vor dem Brand jahrelang von der Hausverwaltung vernachlässigt. | |
Der Dachboden, wo es gebrannt hat, sei nicht abgesichert gewesen. Die Türen | |
sollen jederzeit offen gewesen sein. EB gibt auf taz-Anfrage an, dass der | |
Dachboden hinreichend gesichert gewesen sei. | |
Verletzt wurde bei dem Brand niemand. Viele haben jedoch ihr Hab und Gut | |
verloren. Für die Bewohner*innen begann danach eine Odyssee, die von | |
psychischer Belastung, Existenzängsten und ständiger Ungewissheit geprägt | |
war. Seitens der Hausverwaltung folgten in der Zeit nach dem Brand | |
Ankündigungen, die nicht eingehalten wurden und ein Umgang, den die | |
Mieter*innen als verantwortungslos beschreiben. „Es wurde uns immer | |
Transparenz von EB versprochen – die nie kam. Es gab so viele Versäumnisse. | |
Der Umgang war kalt, aber es ging nun mal um die Existenz von Menschen“, | |
erzählt einer der Betroffenen der taz. | |
Lara Bader* hat in dem Haus bereits zwei Brände miterlebt. Bei dem ersten | |
Brand im Jahr 2019 habe sie es nur knapp aus dem Haus geschafft und alles | |
verloren, erzählt sie. Bis es wieder brannte, wohnte sie drei Jahre in | |
einer Wohnung im Seitenflügel. | |
Danach erging es Bader wie den meisten Mieter*innen des Hauses: Lange | |
herrschte Ungewissheit über den Zustand der Wohnungen, die Mieter*innen | |
bekamen keinen Zutritt und es gab Plünderungen und Einbrüche. Die | |
Hausverwaltung dementiert, dass das Haus unzureichend gesichert worden sei. | |
Lara Baders Wohnung war bis auf einen Schimmelfleck, der durch das | |
Löschwasser entstanden ist, kaum beschädigt. Die damals zuständige Baufirma | |
sicherte zu, dass die Renovierungsarbeiten kein großer Eingriff sein | |
würden. | |
Dann sei ihre Wohnung ohne Ankündigung komplett entkernt und die | |
unbeschädigten Möbel ohne Abtrittserklärung verschrottet worden. „Man füh… | |
sich unglaublich machtlos, weil man nichts zurückbekommt. Später hat die | |
Hausverwaltung eingeräumt, dass das ein Kommunikationsfehler war.“ Der | |
Schaden sei ihr noch immer nicht erstattet worden. | |
## Strukturelles Problem | |
Insgesamt offenbart der Umgang mit den Mieter*innen der Nogatstraße ein | |
strukturelles Problem: Immobilienholdings wie die Deutsche Investment | |
kaufen sich Häuser in Neukölln und Wedding. „Wenn sie mit ihren Plänen für | |
Aufwertung und Verdrängung nicht weiterkommen, lassen sie die Häuser | |
verwahrlosen. Wenn es dann zu Bränden kommt, sind sie nicht in der Lage | |
oder nicht willens, sich angemessen um die Betroffenen zu kümmern“, sagt | |
einer der Mieter. | |
*Name geändert | |
18 Oct 2024 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Martha Blumenthaler | |
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