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# taz.de -- Krebsbehandlung in Deutschland: Große Fortschritte in 50 Jahren
> Als 1974 die Deutsche Krebshilfe gegründet wurde, waren die Ursachen der
> Krankheit weitgehend unbekannt. Seitdem ist für Betroffene viel anders.
Bild: Auch das Gehirn kann von Krebs befallen sein. Die Behandlung muss dann be…
Jede Krebsbehandlung ist nur so gut, wie das Gesundheitssystem, in dem sie
stattfindet. Ärzt*innen müssen mit Patient*innen über Diagnose und
Therapiemöglichkeiten sprechen, nicht nur über sie. Bei der Behandlung von
Krebserkrankungen hat die Deutsche Krebshilfe in den vergangenen 50 Jahren
entscheidend dazu beigetragen, dass der Kontakt heute auf Augenhöhe
stattfindet.
„Über Krebs wurde früher überhaupt nicht gesprochen, nicht nur von
Patienten selbst, auch die Ärzte haben ja mit ihren Patienten über die
Diagnose, über die Krankheit überhaupt nicht geredet“, sagt Gerd
Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Organisation. In der vergangenen
Woche feierte sie ihr 50-jähriges Bestehen.
Am 25. September 1974 gründete die Ärztin Mildred Scheel die Deutsche
Krebshilfe. Spenden, Expertise und Netzwerke sollten die schlechte
Versorgung der Betroffenen verbessern, die Forschung ankurbeln und die
Krankheit von ihrem gesellschaftlichen Tabu befreien. Das Motto: „Helfen.
Forschen. Informieren.“
Der Irrglaube, dass Krebs ansteckend sei, war weit verbreitet, die realen
Ursachen für die bösartigen Zellmutationen dagegen weitgehend unbekannt.
Erkrankte in der Bundesrepublik der siebziger Jahre ein Kind an Krebs, lag
die Überlebenswahrscheinlichkeit bei nur 20 Prozent.
Auch deswegen waren die Ärzte mit Informationen zurückhaltend: „Sie hatten
kaum Möglichkeiten, Krebspatienten adäquat zu behandeln“, erklärt
Nettekoven. Auf ihren Beitrag zur Entwicklung einer eigenständige
Kinderonkologie ist die Organisation stolz. „Heute können vier von fünf
krebskranken Kindern und Jugendlichen geheilt werden. Das ist ein
grandioser Meilenstein unserer Arbeit. Ab Ende der 1980er Jahre haben wir
klinische Studien zur Wirkung von verschiedenen Therapien eben bei Kindern
gefördert.“
## Krebs ist mehr als nur eine Erkrankung
Wegbereiter war die Organisation auch für die psychoonkologische und die
palliativmedizinische Versorgung von Betroffenen. Heute sind
Psychoonkolog*innen in allen Krebszentren vor Ort, auch Angehörige
können sich an sie wenden. Erst 1983 eröffnete am Kölner
Universitätsklinikum die erste Palliativstation, seit 2009 gehört
Palliativmedizin zum Pflichtlehr- und Prüfungsfach im Medizinstudium.
Unter dem Begriff „Krebs“ werden viele verschiedene Krankheiten
zusammengefasst, je nach Auslöser der Zellmutation und nach Art des
Gewebes, aus dem der erste Tumor entsteht. Ein Tumor setzt sich aus
verschiedenen Zellbereichen mit unterschiedlichen Eigenschaften zusammen,
die auch verschieden auf Therapien reagieren. Deswegen ist eine
Zusammenarbeit mehrerer Fachrichtungen so wichtig für die optimale
Einschätzung des Problems und der Entscheidung über die beste Therapie.
Entschieden früher einzelne Ärzt*innen über die Behandlungsmethode,
besprechen heute multidisziplinäre Tumorkonferenzen jeden neuen Fall.
Eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen medizinischen Disziplinen
sollten auch die Comprehensive Cancer Center gewährleisten, die die
Deutsche Krebshilfe vor 15 Jahren auf den Weg gebracht hat. Hier wird
innovative Forschung mit der Betreuung von Patient*innen verbunden,
zusammen mit den von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Zentren
ist die Versorgung bedeutend verbessert worden. Dies sind „ganz wichtige
Strukturen, um die Qualität der Versorgung wirklich auch in der Fläche
sicherzustellen“, sagt Nettekoven, dieser Impuls zur fächerübergreifenden
Zusammenarbeit habe „die gesamte Versorgungslandschaft transformiert“.
## Gesundheitsbewusstes Verhalten kann Krebs vorbeugen
[1][Prävention und frühzeitige Entdeckung] von Tumoren ist essenziell für
die Behandlung von Krebserkrankungen und die Überlebenschancen. Dafür gibt
es [2][Früherkennungsprogramme] für verschiedene Altersgruppen und
Risikolagen. Laut Nettekoven könnte man heute „40 Prozent aller
Krebserkrankungen vermeiden, wenn wir uns alle gesundheitsbewusster
verhalten würden: Nicht rauchen, wenig oder keinen Alkohol, mehr Bewegung,
bessere Ernährung, angemessener UV-Schutz.“
Was aber, wenn jemand etwas Verdächtiges feststellt und ein halbes Jahr auf
einen Facharzttermin warten muss, um die Auffälligkeit untersuchen zu
lassen? Das ist heutzutage keine Seltenheit mehr. Macht ihm diese
Entwicklung Sorgen? „Grundsätzlich haben wir in Deutschland ein gutes
Gesundheitssystem. Tatsächlich kommen lange Wartezeiten aber auch vor“,
sagt Nettkoven. Dabei können schnelle Behandlungen die Überlebenschancen
nennenswert erhöhen.
Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist Krebs in Deutschland die
zweithäufigste Todesursache. Jedes Jahr erkranken etwa 500.000 Menschen in
Deutschland neu an Krebs. „Vor 50 Jahren hat nur jeder vierte Betroffene
die Krankheit überlebt. Heute sind wir dabei, 50 Prozent der Betroffenen
heilen zu können.“ Dies bezieht sich darauf, dass laut Robert Koch Institut
derzeit bei rund 50 Prozent der Männer und 58 Prozent der Frauen eine
Krebserkrankung erfolgreich behandelt wird und sie fünf und mehr Jahre
überleben. Je länger die Erkrankung her ist, desto unwahrscheinlicher ist
es statistisch, dass es ein Rezidiv, ein Wiederauftreten, gibt.
Allerdings sind längst noch nicht alle Krebserkrankungen erfolgreich
behandelbar, nicht alle Tumoren können operiert werden. Diese Betroffenen
„können heute auch mit der Erkrankung noch ein langes Leben mit guter
Lebensqualität führen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Die Kommunikation
zwischen Ärzt*innen und Patient*innen müsse weiter verbessert werden,
dazu plane die Krebshilfe eine „große Initiative“.
Wenn immer mehr Betroffene eine solche oft schwere Krankheit überleben,
gibt es immer mehr Menschen, deren Leben – auch wenn es gerettet werden
konnte – von Traumatisierungen, den Nachwirkungen der Erkrankung und
schweren Neben- und Nachwirkungen der Behandlungen beeinträchtigt wird.
Dies betrifft in Deutschland mittlerweile über fünf Millionen Menschen.
Viele Betroffene fühlen sich in dieser dritten Phase alleingelassen. Es
gibt kaum Stellen, die sich zuständig fühlen. In der aktuellen zweiten
Halbzeit der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ will das Bundesministerium für
Bildung und Forschung diese Probleme angehen.
Gefördert werden Forschungsprojekte, die die Ursachen der Langzeitfolgen
besser verstehen und Grundlagen für neue Präventionsmaßnahmen entwickeln.
Hierbei geht es allerdings um die Erforschung von molekularen Ursachen und
die Identifizierung molekularer Risikofaktoren, nicht so sehr um die
fehlenden Versorgungsstrukturen.
5 Oct 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Kirsten Achtelik
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