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# taz.de -- SPD-Generalsekretär Kühnert tritt zurück: Die Tür bleibt offen
> Er galt als das Talent der SPD – nun ist Generalsekretär Kühnert aus
> gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Nachfolger soll Matthias Miersch
> werden.
Bild: Vom Parteilinken zum Kanzler-Verteidiger: Kühnerts Job war zuletzt nicht…
Berlin taz | Weg ist er. [1][Kevin Kühnert], Generalsekretär der SPD,
[2][hat sein Amt am Montag mit sofortiger Wirkung niedergelegt.] Und nicht
nur das, er wird auch nicht mehr als Kandidat zur Bundestagswahl 2025
antreten. Kühnert machte seine Entscheidung selbst öffentlich und führte
gesundheitliche Gründe an.
Für einen Wahlsieg im nächsten Jahr brauche es den vollen Einsatz der
gesamten SPD, schreibt er in einem Brief an die Genossen und Freunde: „Ich
selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht
gesund bin.“ Die Energie, die für sein Amt und einen Wahlkampf nötig seien,
„brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden. Deshalb ziehe
ich die Konsequenzen.“
Wie die taz aus Parteikreisen erfuhr, sei Kühnert nicht lebensbedrohlich
erkrankt, sondern vor allem psychisch angeschlagen. Er sei erst einmal
krankgeschrieben, werde auf absehbare Zeit auch nicht für Interviews zur
Verfügung stehen.
Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, schreibt Kühnert in der
Erklärung. „Sie schmerzen mich, weil ich meine politische Arbeit mit
Herzblut betreibe.“ Richtig sei sie trotzdem. Er trage Verantwortung für
sich selbst – und für die SPD. „Indem ich mich jetzt ganz um meine
Gesundheit kümmere, glaube ich, meiner doppelten Verantwortung am besten
gerecht zu werden.“
## Es geht um seine Gesundheit
Die beiden SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil hatte
Kühnert wenige Tage zuvor informiert. Beide äußerten sich am Montag, kurz
nachdem der Rücktritt publik wurde. Klingbeil, mit dem Kühnert auch privat
befreundet ist, wirkte angefasst. „Es geht jetzt um Kevin, es geht um seine
Gesundheit.“ Seine Entscheidung verdiene Respekt, man sei dankbar für
seinen unermüdlichen Einsatz. „Als Freund kann ich nur sagen:
hundertprozentige Unterstützung für den Weg, der jetzt vor ihm liegt.“ Auch
Esken erklärte, sie sei bestürzt. Wenn er dafür bereit sei, werde für ihn
immer eine Tür offenstehen.
Mit Kühnert verliert die SPD auf absehbare Zeit [3][eines ihrer größten
Nachwuchstalente.] Der heute 35-Jährige war 2021 zum Generalsekretär
gewählt und im Dezember 2023 mit großer Mehrheit im Amt bestätigt worden.
Kühnert hatte die große politische Bühne 2017 als Juso-Vorsitzender
betreten und brachte die Jungsozialisten kurz darauf mit fulminanten Reden
gegen eine erneute Große Koalition in Stellung.
Die No-Groko-Kampagne war zwar am Ende nicht erfolgreich, aber die Jusos
waren unter Kühnert zum Machtfaktor und Kühnert selbst zu einem der
einflussreichsten Politiker im internen Machtgefüge der SPD geworden.
[4][Dass Saskia Esken im Verbund mit Norbert Walter-Borjans 2019
Parteivorsitzende wurde], und zwar gegen einen gewissen Olaf Scholz, der
zusammen mit Klara Geywitz antrat, verdankt sie maßgeblich Kühnert und den
Jusos.
Ganz unumstritten war Kühnert aber zuletzt nicht mehr. Die für die SPD
vergeigte Europawahl geht maßgeblich mit auf sein Konto. Es war die erste
große Wahl, die er als Generalsekretär zu managen hatte, als Ziel hatte er
sich 16 Prozent plus x gesteckt. Am Ende landete die SPD bei mageren 13,9
Prozent.
## Kein Zusammenhang mit Wahlergebnis
Zudem brachte es das Amt als Generalsekretär mit sich, dass der Glanz des
Polit-Popstars allmählich verblasste. Aus dem Parteilinken und einstigen
Scholz-Kritiker war seit der Bundestagswahl ein Kanzler-Verkäufer geworden,
das Rebellische hatte sich in zahllosen Talkshowauftritten, in denen er die
Politik der Ampel zu verteidigen hatte, abgeschliffen. Kühnert selbst
machte zwischen den Zeilen deutlich, wie sehr er zuweilen mit der Aufgabe
haderte.
So kritisierte er nach der Europawahl „unklare Signale“ aus dem Kanzleramt
zum Ukrainekrieg. Der Kanzler, den er gerade großflächig als
Friedenskanzler plakatiert hatte, hatte mitten im Wahlkampf entschieden,
dass die Ukraine mit westlichen Waffen auch Ziele in Russland angreifen
darf. Auch zuletzt sparte er im Spiegel-Interview nicht mit Kritik am
Kanzler, wünschte sich „mehr Mut“.
Trotz der Pannen im Wahlkampf und obwohl Klingbeil sich zuletzt stärker als
bisher in die Planung des Bundestagswahlkampfes einschaltete (und damit
Kühnert auch ein Stück weit entmachtete) – zum Rücktritt gedrängt worden
war Kühnert deswegen nicht. Wie die taz aus seinem Umfeld erfuhr, habe es
für ihn „keinerlei Zusammenhang“ mit dem Wahlergebnis vom Juni gegeben.
Genoss:innen reagierten betroffen. „Kevin Kühnerts Rücktritt hat uns
überrascht“, so die Berliner Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und
Martin Hikel in einer Presseerklärung. Kühnert hatte 2021 das Direktmandat
im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg für die SPD zurückerobert, war
zwischenzeitlich auch mal als Geheimtipp für den Posten des Regierenden
Bürgermeisters im Gespräch. Ein Gerücht, das er selbst nie streute, sondern
welches ihn eher amüsierte. Aber wer weiß: „Die Türen der Berliner SPD
stehen ihm immer offen“, so die Landesspitze.
## Matthias Miersch soll neuer Generalsekretär werden.
Auch bei der Parteikonkurrenz überwiegt das Bedauern. „Kevin Kühnert ist
einer der klügsten und schlagfertigsten Politiker, die ich kennenlernen
durfte“, schreibt die Noch-Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, die
Ende September ebenfalls ihren Rücktritt bekannt gegeben hatte. Und auch
die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmerman wünschte Kühnert auf
X alles Gute: „Der politische Betrieb kann ein hässlicher Raubbau sein.
Egal, was einen politisch trennt – wenn es um die Gesundheit geht, wird
fast alles zweitrangig.“
Für die SPD, das machten Klingbeil und Esken bei allem Bedauern deutlich,
geht es jetzt darum, die Parteizentrale im Schnellverfahren
wahlkampftauglich aufzustellen und ein Jahr vor der Bundestagswahl einen
Schlüsselspieler einzuwechseln. Gebraucht wird eine Person, die Erfahrung
hat, parteiintern gut vernetzt ist und Kampagnen organisieren kann. Die
Aufgabe ist gigantisch. Die SPD ist aktuell in Umfragen mit 17 Prozent weit
von den 25,7 Prozent entfernt, die vor drei Jahren reichten, um stärkste
Kraft zu werden. Die von ihr angeführte Ampel ist so unbeliebt wie nie und
auch Scholz’ Beliebtheitswerte sind auf einem Tiefpunkt.
Dennoch übt man sich in der Parteizentrale im Optimismus. „Wir wollen
diesen Wahlkampf gewinnen. Meine feste Überzeugung ist es, dass man Erfolg
organisieren kann“, meinte Klingbeil am Montag. EinE NachfolgerIn soll noch
am Montagabend bestimmt werden. Ab 18 Uhr treffen sich die Parteigremien zu
digitalen Sitzungen. „Wir sind vorbereitet“, so Esken. Wer auf Kühnert
folgt, wird die Parteispitze am Dienstag offiziell bekannt geben. Für 13.45
Uhr lädt sie zur Pressekonferenz ein.
Nach Informationen des Magazins Politico wird Fraktionsvize [5][Matthias
Miersch] neuer Generalsekretär. Das wurde der taz aus Parteikreisen
bestätigt. Miersch übernimmt das Amt zunächst kommissarisch bis zum
Parteitag. Offiziell verkündet wird die Entscheidung am Dienstag von der
Parteispitze.
7 Oct 2024
## LINKS
[1] /Kevin-Kuehnert-in-Thueringen/!6025577
[2] /SPD-Generalsekretaer-meldet-sich-krank/!6040979
[3] /Kevin-Kuehnerts-Werdegang/!6009954
[4] /Neue-SPD-Chefs-auf-dem-Parteitag/!5648014
[5] /SPD-Politiker-zum-Heizungsgesetz/!5931728
## AUTOREN
Anna Lehmann
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