# taz.de -- #MeToo in Großbritannien: Harrods düstere Schatten | |
> Angestellte des Londoner Elitekaufhauses belasten den Ex-Besitzer | |
> Al-Fayed. Er soll sie sexuell missbraucht oder vergewaltigt haben. | |
Bild: Drei der Frauen, die Al Fayed belasten nach einer Pressekonferenz am Frei… | |
London taz | Große Aufregung in Großbritannien: in einer 90-minütigen | |
BBC-Doku behaupten zahlreiche Menschen, dass der 2023 verstorbene ehemalige | |
Besitzer des Londoner Edelkaufhauses Harrods, Mohamed Al-Fayed, jahrelang | |
Frauen sexuell belästigt und zahlreiche von ihnen vergewaltigt haben soll. | |
Bei den Opfern soll es sich vor allem um damals junge weibliche Angestellte | |
gehandelt haben. | |
Die Übergriffe haben sowohl im Kaufhaus selber und in Al-Fayeds | |
Privatwohnung auf der Londoner Prunkstraße Park Lane, sowie im | |
französischen Saint Tropez und der Villa Windsor im Bois de Boulogne bei | |
Paris sowie in Abu Dhabi stattgefunden. In der TV-Doku kommen zahlreiche | |
Opfer und Zeug:innen zu Wort, auch andere ehemalige Angestellte und | |
ehemaliges Wachpersonal. | |
Mohamed Al-Fayed war der Vater von Prinzessin Dianas letztem Freund Dodi, | |
der 1997 gemeinsam mit der Prinzessin in Paris bei einem Unfall ums Leben | |
kam. In der Öffentlichkeit zeigte er sich als gepflegter, lustiger, | |
freundlicher und spendabler Mann, der gerne von seinen weiblichen | |
Angestellten als eine Art Vaterfigur gesehen werden wollte. | |
Jahrelang hatte er versucht, mit Hilfe von Justiz und Medien die Umstände | |
des Todes von Lady Diana und seinem Sohn anzuzweifeln. Doch hinter den | |
Kulisse war er offensichtlich ein Mann, vor dem sich Angestellte fürchten | |
mussten. Zahlreiche Personen sagten aus, Al-Fayed habe unentwegt junge | |
weibliche Angestellte ausgesucht, zu seinen persönlichen Angestellten | |
befördert und bald zu sich nach Hause eingeladen. Häufig unter dem Vorwand, | |
es sei zu spät oder gefährlich, alleine nach Hause zu fahren, und er könne | |
eine Übernachtungsmöglichkeit anbieten. | |
## Ärztliche Untersuchungen und Vergewaltigungen | |
Oft mussten die Angestellten medizinische Tests über sich ergehen lassen. | |
Das Programm der BBC suggeriert, dass Ärzte mit Al-Fayed | |
zusammenarbeiteten, und ihm die Ergebnisse persönlich und unter Umgehung | |
der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht übergaben. | |
Sobald die Frauen Al-Fayed ausgesetzt waren, versuchte er sie, oft nur im | |
seidenen Morgenmantel bekleidet, auf dem Bett oder dem Sofa sexuell | |
anzugreifen. Mindestens vier Frauen gaben an, dass sie von Al-Fayed | |
vergewaltigt wurden, andere schilderten, wie sie sich mit Tritten wehrten | |
und ihm entkamen. Über 20 von der BBC interviewte Frauen gaben an, dass sie | |
sexuell genötigt worden seien. Al-Fayed habe in einem Fall auch versucht, | |
einem Opfer Betäubungsmittel zu verabreichen, um sie im betäubten Zustand | |
anzugreifen. Ein anderes Opfer sagte, dass Al-Fayed sie gewürgt habe. | |
Laut der Aussage eines an dem Fall interessierten Produzenten, der mit | |
einem der ehemaligen Opfer verheiratet ist, könnte die tatsächliche Zahl | |
von Al-Fayeds Opfern dreistellig sein. Schon jetzt wird Mohamed Al-Fayed in | |
einem Atemzug mit dem pädophilen Sexualverbrecher Jimmy Savlle genannt. Vor | |
allem, weil der frühere Harrods-Chef ein Mann war, der sich in den höchsten | |
Etagen der britischen Gesellschaft bewegte, und es schaffte, seine | |
Verbrechen zu vertuschen und seine Opfer zum Schweigen zu bringen. | |
## Missbrauch im Unternehmen bekannt | |
Tom Lemming, ein ehemaliger Manager des prunkvollen Kaufhauses, gab an, | |
dass Sicherheitsleute ständig über Al-Fayed witzelten. Wer behaupte, dass | |
sie keine Kenntnis von seinen Verbrechen gehabt hätten, der lüge, so | |
Lemming. | |
Al-Fayed habe zum Beispiel im Kaufhaus Gespräche abhören lassen, | |
Einzelpersonen wurden rechtlich verfolgt oder zu mit Hilfe von Geld zum | |
Unterschreiben von Geheimhaltungsvereinbarungen gezwungen. Auch Medien, wie | |
etwas die Zeitschrift Vanity Fair, die zwischen 1995 und 2007 versucht | |
hatte, die Erfahrungen von Opfern öffentlich zu machen, und einem Team der | |
BBC wurde gedroht. Das führte zu Verzögerungen, Rücknahmen oder gleich der | |
Einstellung der Veröffentlichungen. | |
Ein Opfer, aber auch Vanity Fair erklärten, dass Al-Fayed besonderen Wert | |
auf die Vernichtung von Beweismaterial gelegt habe. Er ließ auch gefälschte | |
Zeugenaussagen über seinen Charakter erstellen. Der Leiter des persönlichen | |
Sicherheitsteams Al-Fayeds, ein ehemaliger Polizeibeamter, ließ Fayeds | |
Opfer bespitzeln und warnte sie persönlich. | |
## Parallelen zu bekannten #metoo-Fällen | |
„Alice“ – die BBC nennt die Opfer größtenteils nur mit dem Vornamen –… | |
erst 15 Jahre alt, als Al-Fayed sie angriff. Sie hatte zwischen 1986 und | |
1991 für Harrods gearbeitet. Obwohl sie vor der Polizei aussagte und es zu | |
einem Verfahren kam, wurde es schlussendlich wegen angeblicher | |
Terminverwechslungen und der falschen Aussage einer Mitarbeiterin | |
eingestellt. Vor der Kamera bereute diese ehemalige Mitarbeiterin nun, | |
damals nicht die Wahrheit über Al-Fayed gesagt zu haben. | |
Ein Team von Anwälten, das derzeit 37 Opfer Al-Fayeds vertritt, will nun | |
Harrods verklagen, weil es die Opfer im Stich gelassen habe. Harrods hätte | |
die Opfer einem für sie nicht sicheren Arbeitsumfeld ausgesetzt. In einer | |
Presseerklärung sagte Anwalt Dean Armstrong am Freitag, dass das | |
Unternehmen die volle Schuld für den Missbrauch trage. | |
Er bezeichnete Al-Fayed als Monster, dessen Taten durch ein System | |
ermöglicht wurden und dessen Verbrechen Elemente der Fälle von den | |
Sexualverbrechern [1][Jimmy Savile], [2][Jeffrey Epstein] und [3][Harvey | |
Weinstein] beinhalte: Wie Savile, weil Harrods, die Einrichtung, aus der | |
heraus Al-Fayed operiert habe, von den Taten gewusst habe. Wie Epstein, | |
weil ein System existierte, durch das Al-Fayed Zugang zu den teils sehr | |
jungen Mädchen und Frauen bekommen konnte. Und wie Weinstein, weil Al-Fayed | |
an der Spitze einer Firma gestanden habe, wodurch er er seine Macht habe | |
missbrauchen können. | |
Armstrong gab an, in seiner gesamten Anwalts-Laufbahn noch nie einen so | |
schrecklichen Fall wie diesen gehabt habe. | |
## Harrods zeigt sich „entsetzt“ | |
Mohamed Al-Fayed hatte Harrods im Jahr 2010 für 1,5 Milliarden Pfund (etwa | |
1,8 Mrd Euro) verkauft. In einer schriftlichen Presseerklärung gab das | |
Unternehmen an, man sei entsetzt über die Anklagen und den von Mohamed | |
Al-Fayed begangenen Missbrauchs. Es seien die Taten einer Einzelperson | |
gewesen. | |
Harrods erkenne jedoch an, dass es als ein Unternehmen seine Angestellten | |
im Stich gelassen hätte, und bitte aufrichtig um Entschuldigung. „Harrods | |
ist heute ein Unternehmen, welches das Wohl der Angestellten über alles | |
stellt“, hieß es weiter. | |
Aus diesem Grund würde man, seitdem 2023 neue Informationen zu dem Fall ans | |
Licht gekommen seien, alles daran setzen, entsprechende Beschwerden | |
schnellstmöglich zu bearbeiten, um betroffenen Frauen lange Verfahren zu | |
ersparen. Dieser Weg stehe allen bisherigen und ehemaligen Angestellten | |
weiterhin offen. Während man das Geschehene nicht aus der Welt schaffen | |
könne, würde man alles dafür tun, dass sich derartiges Verhalten nicht | |
wiederholen könne. | |
20 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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