Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Israelische Soldaten im Libanon: Beschränkte Bodenhaftung
> Israel hat seine Bodenoffensive im Libanon mit „begrenzten Operationen“
> gestartet. Der Iran feuerte am Dienstagabend Raketen auf Israel.
Bild: Dichte schwarze Rauchschwaden liegen über den südlichen Vororten von Be…
Beirut taz | 1. In der Nacht zum Dienstag beginnt die Bodenoffensive des
israelischen Militärs in den Libanon. Bisher ist von einer „begrenzten
Operation“ die Rede. Was bedeutet das?
Nachdem das Sicherheitskabinett unter dem israelischen Ministerpräsidenten
Benjamin Netanjahu am Montag zugestimmt hat, beginnt das Militär nach
eigener Aussage mit einem „gezielten, lokalen und begrenzten“ Angriff in
den Südlibanon. Laut Militär soll er sich auf „Hisbollah-Ziele“ und die
Infrastruktur der Schiiten-Miliz in libanesischen Dörfern nahe der Grenze
konzentrieren. Nach Angaben der Nachrichtenseite Axios hat sich Israel
darüber auch mit den USA verständigt – und darauf, dass die Streitkräfte
danach wieder aus dem Libanon abgezogen werden.
2. Welches Gebiet soll Teil der „begrenzten Operation“ sein?
Einen Hinweis darauf, wie weit die Offensive zunächst in den Libanon
hineinreichen könnte, gibt das libanesische Militär: So soll dieses seine
Truppen von der Grenze wegverlegt haben, nach Medienberichten etwa 3
Kilometer ins Landesinnere. Das interpretieren einige Libanesinnen und
Libanesen als den Raum, den die Offensive zunächst einnehmen könnte –
betont das israelische Militär doch gerne, dass man lediglich mit der
Hisbollah im Krieg sei. Am Dienstagnachmittag gab Israels Militär
allerdings bekannt, dass es vier Brigaden der Reserve als Verstärkung in
den Norden beordert habe, um „den Kampf gegen die Terrorgruppe Hisbollah“
fortzusetzen. Jede Brigade besteht aus tausenden Soldaten. Manche werten
das als Vorboten einer schnellen Ausweitung der Offensive.
3. Wie ist die Bodenoffensive im Land zu spüren?
Am Dienstag forderte das israelische Militär die Menschen im Libanon auf,
sich nicht mehr südlich des Flusses Litani zu bewegen. Dieser verläuft etwa
30 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt durch den Südlibanon. Es
rief außerdem die Menschen in den Dörfern nahe der Grenze auf, zu
evakuieren. Der arabischsprachige Sprecher des israelischen Militärs teilte
die Aufforderungen auf seinen Kanälen in den sozialen Medien. Damit werden
noch mehr Menschen im Libanon zu Binnengeflüchteten. Im Laufe der
vergangenen Woche waren bereits Hunderttausende vor israelischen
Luftangriffen aus Südlibanon, der östlichen Bekaa-Ebene und aus den
südlichen Vororten von Beirut geflohen.
Wer nicht privat bei Verwandten oder Freunden untergekommen ist, in den zu
temporären Unterkünften gewordenen Schulen oder teuer angemieteten
Wohnungen, weiß oft nicht, wohin: An öffentlichen Plätzen in Beirut
schlafen noch immer Menschen auf Matratzen unter freiem Himmel oder in
provisorischen Zelten. Auch in den Supermärkten ist die Angst der Menschen
spürbar: So sind etwa große Kanister voll Trinkwasser – im Libanon „Gallo…
genannt – fast überall ausverkauft. Teils werden auch Waschmittel, Eier
oder kleinere Wasserflaschen knapp. Außerdem greift die Angst um sich:
Israel besetzte etwa 20 Jahre lang, bis zum Jahr 2000, eine sogenannte
Sicherheitszone im Südlibanon. Viele Libanesinnen und Libanesen waren
abgeschnitten von den Dörfern ihrer Familien oder Freunde, die Freude nach
dem Abzug groß. Und die Sorge, dass sich nicht nur 2006, sondern auch die
Jahre der Besatzungszone wiederholen, wächst.
4. Besteht die Befürchtung, dass Israels Militär längerfristig im
Südlibanon bleibt?
Laut Axios sollen die USA Bedenken geäußert haben, dass, „was als
zeitbegrenzte und geographisch beschränkte Operation beginnt, zu etwas
Größerem und Langfristigerem wird“ – so wie bei vorherigen Kriegen im
Libanon. Dass Israel – wie auch in Gaza befürchtet – eine andauernde
Präsenz im Südlibanon behalten wolle, ist die Sorge vieler. Auch weil etwa
Chief Major General Ori Gordin vom „Northern Command“ selbst davon spricht.
Das Regionalkommando hat auch die Angriffspläne für den Libanon
miterarbeitet. Nach Berichten der israelischen Zeitung Israel Hayom bat
Gordin vor etwa zwei Wochen um Erlaubnis, im Südlibanon eine israelisch
kontrollierte Bufferzone einzurichten. Nach Berichten von Channel 13 hat
Netanjahu seine Unterstützung geäußert. Ob dieser Plan umgesetzt wird, ob
es eine solche Zone künftig geben könnte und wie tief diese in den Libanon
hineinragen würde, ist bisher aber unklar.
5. Was will Israel mit der Bodenoffensive erreichen?
[1][Seit dem 8. Oktober 2023 schießt die Hisbollah mit Raketen und
Anti-Panzer-Lenkwaffen auf Israel], vor allem auf die Gebiete im Norden.
Außerdem setzt die Miliz Drohnen ein. [2][Israel hat aufgrund der Angriffe
über 60.000 Menschen aus der Nähe der Grenze evakuiert und sie etwa in
Hotels untergebracht.] Die fordern nun bald seit einem Jahr, in ihre Heimat
zurückkehren zu können – und jüngst aktualisierte Israel dahingehend seine
Kriegsziele. Um das zu ermöglichen, müsste sich die Hisbollah dauerhaft von
der libanesisch-israelischen Grenze zurückziehen.
6. Gibt es diplomatische Lösungsoptionen?
Der letzte heiße Krieg zwischen der Hisbollah und Israel fand im Jahr 2006
statt. Er endete damals mit der Resolution 1701 des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen. Dieser beschloss nicht nur eine Einstellung der Kämpfe,
er legte auch die Umrisse einer anzustrebenden Friedensregelung fest:
gegenseitige Respektierung der Grenze, Gewaltverzicht, ausschließliche
Präsenz der libanesischen Armee und der UN-Blauhelmmission – also keine
Hisbollah – im Süden Libanons, Auflösung aller nichtstaatlichen bewaffneten
Gruppen im Libanon.
Zu so einer Friedensregelung kam es nie: Israel verletzte weiter den
libanesischen Luftraum, die Hisbollah rüstete auf und rückte näher an die
Grenze heran. Eine Entwaffnung nichtstaatlicher Akteure scheint heute so
fern wie je. In der Zwischenzeit ist der Libanon durch eine Verschränkung
politischer und ökonomischer Krisen an den Rand des Staatszerfalls gerückt
– und ist damit noch instabiler, als er es 2006 bereits war.
7. Und was sagt die Hisbollah zur Bodenoffensive?
Hisbollah-Vize-Chef Naim Qassem gab sich am Montag betont ruhig: Die
Hisbollah sei für eine mögliche Bodenoperation bereit, man werde die
eigenen Stellungen nicht aufgeben. Auch Mahmoud Qamati, Mitglied des
Politischen Council der Hisbollah, betonte: Die israelische Armee versuche,
zu infiltrieren und werde vom „Widerstand“ konfrontiert.
Die Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, feuerten nach eigenen
Angaben Dutzende Raketen auf Israel ab. Der Angriff sei eine Vergeltung für
die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Chef Hassan
Nasrallah sowie eines iranischen Generals, hieß es im Staatsfernsehen. Die
Luftstreitkräfte der Revolutionsgarden zielten nach eigener Darstellung auf
wichtige militärische Ziele. Gleichzeitig drohten die Revolutionswächter
mit weiteren, „vernichtenden und zerstörerischen Angriffen“, sollte Israel
auf den iranischen Schlag reagieren.
8. Jüngst tötete Israel den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in einem
Luftangriff auf Südbeirut. Was bedeutet das für die Organisation und die
Offensive?
[3][Der Luftangriff auf Hassan Nasrallah] ist nur der jüngste Angriff in
einer Reihe von gezielten Tötungen hochrangiger Hisbollah-Mitglieder. Im
vergangenen Jahr hat Israel eine ganze Reihe von ihnen getötet, unter
anderem der Kommandeur und Nasrallah-Berater Fuad Schukr Ende Juli. In der
vergangenen Woche starb unter anderem Ibrahim Akil, Chef der Eliteeinheit
der Hisbollah, der Radwan Forces. Mit den gezielten Tötungen hofft Israel
die Fähigkeiten der Hisbollah einzugrenzen, indem es „das Hirn der
Operation“ angreift. Doch ein Nachfolger für Nasrallah steht bereits fest:
Hashem Safieddine, als „Special Designated Terrorist“ von den USA und
Saudi-Arabien eingestuft. Und dass die Hisbollah weiterhin zumindest
grundsätzlich befähigt ist, Israel anzugreifen, bewies es in den Tagen nach
dem Angriff auf Nasrallah, als es Raketen auf die israelische Stadt Safed
schoss.
1 Oct 2024
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/ausland/waffenarsenal-hisbollah-100.html
[2] /Verlassene-Nordgrenze-Israels/!5985566
[3] /Tod-von-Hassan-Nasrallah/!6036732
## AUTOREN
Lisa Schneider
## TAGS
Libanon
Naher Osten
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel Defense Forces (IDF)
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
US-Wahl 2024
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel Defense Forces (IDF)
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lage in Nahost: Bangen in Beirut
Zwei Soldaten sterben nach israelischen Angriffen im Südlibanon. Derweil
wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation zwischen Israel und Iran.
US-Demokraten und Nahostpolitik: Keine Stimme? Könnt ihr haben!
Mitglieder der US-Demokraten protestieren gegen die Israelpolitik der
Regierung. Sie erwägen ungültige Stimmzettel.
Krieg in Nahost: Iran greift Israel mit Raketen an
Nach dem iranischen Angriff auf Israel gibt das israelische Militär vorerst
Entwarnung. Die taz konnte mit Zivilisten aus Tel Aviv sprechen.
Israels Offensive, Luftangriffe aus Iran: Wo soll das alles enden?
Israels „begrenzte Bodenoffensive“ im Libanon birgt immense Gefahren. Nicht
nur Iran steigt in den Krieg ein. Die Welt schaut ohnmächtig zu.
Lage im Libanon: Hunderttausende auf der Flucht
Das israelische Militär hat erstmals einen Luftangriff auf Beirut-Stadt
geflogen. Beide Länder bereiten sich auf eine Bodenoffensive vor.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.