# taz.de -- Lage im Libanon: Hunderttausende auf der Flucht | |
> Das israelische Militär hat erstmals einen Luftangriff auf Beirut-Stadt | |
> geflogen. Beide Länder bereiten sich auf eine Bodenoffensive vor. | |
Bild: Geflüchtete aus dem Südlibanon schlafen im Freien in Beirut | |
Beirut taz | Die Ereignisse der vergangenen sieben Tage hinterlassen Spuren | |
in der libanesischen Hauptstadt Beirut: Hunderttausende mussten am | |
vergangenen Montag und den folgenden Tagen aus dem Südlibanon und der | |
Bekaa-Ebene flüchten. Am Wochenende wurde auch in den südlichen Vorstädten | |
Beiruts, Dahiyeh genannt, die Lage immer unruhiger. Dort sind die Straßen | |
nun leer, die Menschen ebenfalls in Richtung der relativ sicheren Gebiete | |
Nordbeiruts geflohen. | |
Noch immer schlafen manche von ihnen auf den Straßen Beiruts. Am öffentlich | |
zugänglichen Stadtstrand, Ramlet el-Baydah, haben sich manche unter den | |
Sonnenschirmen mit Planen behelfsmäßige Zelte gebaut. Und entlang der | |
Strandpromenade trocknet auf dem Geländer, an dem sich sonst Jogger | |
strecken, die Kleidung der Geflüchteten. | |
Und dass sich noch mehr Menschen in Zukunft auf die Suche nach einem | |
relativ sicheren Ort machen werden, ist wahrscheinlich: In der Nacht zum | |
Montag flog das israelische Militär erstmals einen [1][Luftangriff auf | |
Beirut]. Bisher hatten die Aktionen des Militärs nur auf die südlichen | |
Vororte der Hauptstadt gezielt. | |
Nun traf ein Luftangriff Kola, einen südlichen Stadtteil Beiruts, nahe der | |
Vororte. Nach Agenturangaben wurden vier Mitglieder der auf der | |
US-Terrorliste stehenden Volksfront zur Befreiung Palästinas getötet. Die | |
Wohnung, in der sich die vier aufhielten, soll zwei Mitgliedern des | |
Palästinensischen Islamischen Dschihads gehören. Bilder des Angriffs zeigen | |
das Gebäude größtenteils intakt, nur eine Wohnung ist zerstört. | |
## Bevölkerung befürchtet Bodenoffensive | |
Auch die Sorge vieler Libanesinnen und Libanesen vor einer Bodenoffensive | |
steigt. Nach Informationen des israelischen Online-Mediums The Times of | |
Israel habe Verteidigungsminister Joav Galant „starke Hinweise“ darauf | |
gegeben, dass Israel eine solche Offensive gegen die Hisbollah im Libanon | |
vorbereite. Man werde alle Kapazitäten, über die man verfüge, einsetzen. | |
Die Hisbollah betont derweil, dass auch sie für eine Bodenoffensive bereit | |
sei. Die Schiitenmiliz im Libanon hatte zuletzt herbe Verluste hinnehmen | |
müssen: In den vergangenen beiden Monaten tötete Israel nacheinander fast | |
die gesamte Führungsriege der Miliz: Ende Juli zunächst den Kommandeur Fuad | |
Schukr, dann weitere wichtige Hisbollah-Anführer. Und schließlich, am | |
vergangenen Freitag, [2][Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah]. Mit Raketen, die | |
Bunker zerstören können, griff Israel den Untergrundkomplex an, in dem sich | |
der Hisbollah-Chef wohl aufhielt. | |
Dabei wurden auch nach libanesischen Angaben mindestens sechs Wohnblöcke | |
zerstört, unter denen die Hisbollah den Komplex baute. In seiner ersten | |
Rede nach dem Tod von Hisbollahs Nummer eins Nasrallah erklärte die Nummer | |
zwei der Gruppe, Naim Qassem: „Trotz der Verluste unserer Kommandeure, der | |
Attacken auf Zivilisten im Libanon und der großen Opfer geben wir unsere | |
Position nicht auf.“ – und warnte Israel, dass es seine Ziele im Libanon | |
nicht werde erreichen können. | |
Dabei scheint Israel mit einer geringen Zahl an Soldaten bereits im Libanon | |
aktiv zu sein: Nach Angaben des Wall Street Journal habe das israelische | |
Militär schon in den vergangenen Monaten Spezialkräfte in die | |
Hisbollah-Tunnel entlang der libanesisch-israelischen Grenze geschickt. | |
## Wandel in Kriegsführung | |
Diese sollen Hunderte Kilometer lang sein und verschiedenen Funktionen | |
dienen: Manche, um Abschussrampen unter der Erde bewegen zu können, andere | |
wohl auch als Lager. Diese kleineren, gezielten Kampagnen seien der Vorlauf | |
für eine größere Bodenoffensive, die schon in dieser Woche kommen könnte. | |
Auch, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu jüngst Gideon Saar | |
als Minister ohne Portfolio zu seiner Regierung hinzufügte, werten manche | |
Analysten als Zeichen, dass eine Veränderung in der israelischen | |
Kriegsführung bevorstehen könnte. Viele israelische Medien vermuten | |
außerdem, dass Saar bald Joav Galant als Verteidigungsminister ersetzen | |
könnte. Saar gilt als Hardliner. | |
Er spricht sich gegen einen Geiseldeal aus, der die noch immer über 100 | |
Menschen aus der Geiselgefangenschaft in Gaza nach Israel zurückbringen | |
soll – dafür müsste Israel allerdings seine Kampfhandlungen in Gaza | |
einstellen. | |
Von Seiten der libanesischen Regierung wachsen derweil die Bemühungen, eine | |
Bodenoffensive und einen allumfassenden Krieg noch zu verhindern. Der | |
libanesische Interims-Premier Najib Mikati – das Land hat seit Jahren keine | |
echte Regierung – erklärte am Montag, man sei bereit, die Resolution 1701 | |
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu implementieren. | |
Diese beendete 2006 den Krieg zwischen der Hisbollah und Israel und sieht | |
vor: Die Hisbollah zieht sich hinter den Fluss Litani, der in etwa 30 | |
Kilometer von der Grenze zu Israel verläuft, zurück. Israel wiederum darf | |
ebenfalls keine militärische Präsenz im Libanon haben – auch nicht im | |
Luftraum. Beide Parteien hielten sich nie an die Resolution. | |
30 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Lisa Schneider | |
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