| # taz.de -- Sex-Kolumnen an der Berliner Volksbühne: „Fickt euch!“ als Lif… | |
| > Frauen haben patriarchale Zwänge und Ausbeutung satt. Das wird bei einer | |
| > Lesung von Sex-Kolumnen aus dem „Missy Magazine“ in der Volksbühne | |
| > deutlich. | |
| Bild: Brat ist auch Laura Méritt, die Berlins ältesten Sexshop betreibt (Arch… | |
| „Fickt Euch! Fickt Euch! Fickt Euch!“ plärren die neon-gelben Plakate an | |
| der Fassade der Volksbühne. Provokant? Nicht für die Berliner Jugend, die | |
| am Mittwochabend mit Vokuhila, in Bomberjacke und Adidas-Tracksuits auf den | |
| Stufen der Volksbühne hocken. Piccolo in der einen, Zigarette in der | |
| anderen Hand, genießen sie die laue Spätsommernacht, bevor sie in den | |
| 50er-Jahre-Bau treten, wo Dildos in Eiscremeform und must-reads, wie „The | |
| ultimate guide to anal sex for men“ warten. | |
| „Wir kennen kein Shaming. Keine Tabus!“, ruft Amina Aziz, | |
| Co-Chefredakteurin des feministischen [1][Missy Magazines] und Moderatorin | |
| des Abends. Auf der Leinwand hinter ihr haben zwei animierte Personen Sex, | |
| eine Discokugel taucht den Roten Salon in tanzende Lichter. „Das ist für | |
| eine Leserschaft, die abseits von Dr. Sommer in der Bravo, Brigitte oder | |
| Vogue über Sex lesen will“, sagt Aziz. Und die scheint groß zu sein: Der | |
| Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. 800 Personen warten gierig auf | |
| die Lesung aus der Sex-Kolumnensammlung „Fickt Euch!“ des Missy Magazines. | |
| „Es geht um Sex mit Behinderung und chronischer Erkrankung, um Schwarze und | |
| dicke Körper, Sexarbeit, Hämorrhoiden und darüber, bottom zu sein“, kündi… | |
| Aziz an. Als erste betritt [2][Mithu Sanyal], Autorin und Aktivistin, die | |
| Bühne mit einem pinken Vulva-Hut, der in Flammen steht. „It’s on fire!“, | |
| ruft sie begeistert. | |
| Seit der Veröffentlichung ihres Buches „Vulva“ im Jahr 2009 habe sich | |
| einiges geändert. „Heutzutage fragen nur noch die wenigsten, ob das ein | |
| Fluss in Russland ist, über den ich schreibe“, bemerkt Sanyal trocken. In | |
| ihrem Text klärt sie über den Mythos Jungfernhäutchen auf: „Es wird | |
| dargestellt, als gäbe es eine Plastikplane davor – wie Früchte, die im | |
| Supermarkt mit einer Plastikfolie umspannt sind, um zu beweisen: Die hat | |
| noch keiner anderer angefasst“, sagt sie lachend. | |
| ## Warum stigmatisieren? | |
| Mit ihr auf der Bühne sitzt Mean Goddess. Die Domina erzählt: „Mit 7 Jahren | |
| habe ich angefangen, auf Vox nach 23 Uhr Softporn zu ballern.“ Mit sanfter | |
| Stimme liest sie, umgeben von elektronischen Kerzen, auf der in Rauch | |
| gehüllten Bühne: „Dämonen, böse Geister, Okkultes, der Teufel und alles | |
| Paranormale haben mich schon immer extrem angezogen.“ Warum stigmatisieren? | |
| „It’s just a fantasy.“ Ihre größte Fantasie: „Als überdimensionaler | |
| Mean-Goddess-Dämon cis het men verschlingen, wie die lächerlichen Snacks, | |
| die sie sind.“ | |
| Die Vorstellung wird mit tosendem Applaus belohnt – der weiter zunimmt, als | |
| die Bühne vom Black Sex Workers Collective übernommen wird, einer | |
| Initiative, die sich für die Gleichberechtigung von Sexarbeiter*innen | |
| einsetzt. „Wir werden sowieso sexualisiert, warum sollten wir uns nicht | |
| selbst sexualisieren? Wir beuten die Ausbeutung durch weiße Vorherrschaft | |
| und cis-heteronormative Strukturen selbst aus“, erklingt eine Stimme, | |
| während eine Frau in leuchtendem orangem Dessous sich geschmeidig auf der | |
| Bühne bewegt. | |
| ## Frech, rotzig, chaotisch und ungeniert | |
| Aus den Lautsprechern dröhnt die US-amerikanische Sängerin Billie Eilish: | |
| „I wanna try it, bite it, lick it, spit it!“ In dem Lied wird sie | |
| gefeatured von der britischen Sängerin Charli XCX, die nach dem Titel ihres | |
| Albums „brat“ den „brat summer“ (Gören-Sommer), ausrief: frech, rotzig, | |
| chaotisch und ungeniert. | |
| Brat ist auch Laura Méritt, die Berlins ältesten Sexshop „Sexclusivitäten�… | |
| in Kreuzberg betreibt. „Sex ist noch immer so normiert. Wir müssen uns | |
| dekonditionieren und für uns selbst definieren, was uns glücklich macht“, | |
| sagt die Sexologin und Autorin. In ihrem Text spricht sie über Analduschen | |
| und sicheren Anal Sex, damit man „unbekümmert rumschlabbern und zur Möse | |
| wandern kann“. Méritts Fazit: „Am Ende ist eh alles für den Arsch.“ | |
| Nachdem [3][Hengameh Yaghoobifarah], langjährige*r Betreuer*in der | |
| Sexkolumne, abschließend den Text „Fagdyke“ über schwulen Sex als Lesbe, | |
| vorliest, stürmen die Rapperinnen Bounty und Cocoa auf die Bühne. Mit ihrem | |
| Track „Macht Platz für die Bitches!“ bringen sie den Saal zum Beben. Es ist | |
| ein gebührender Abschluss vom „brat summer“. Charli XCX wäre stolz. | |
| 28 Sep 2024 | |
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| [1] https://missy-magazine.de/ | |
| [2] /Mithu-Sanyals-neuer-Roman/!6036005 | |
| [3] /Nach-den-Landtagswahlen/!6032262 | |
| ## AUTOREN | |
| Lilly Schröder | |
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